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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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seine Unwissenheit zu verbergen, oder seine Person in ein glänzendes Licht zu
stellen. Allenthalben hatte er ein Schätzchen, überall Gönner und Freunde,
aber wenn es zur Sache kam, wollte niemand etwas von ihm wissen.
Wurde irgend ein vornehmer Mann genannt, so war es ein Bekannter von
ihm. Als der Vorschuß, den wir ihm gegeben, auf der Mitte des Weges zu
Ende ging, war er Hans ohne Sorgen. In Kalabryta war es ihm ein
Leichtes, zwanzig Pfund aufzunehmen, im Kloster Megaspilnon hatte er den
Jgumenos (Abt) zum Gönner, und der streckte ihm gern vor, was der Kloster¬
schatz vermochte. Natürlich war davon nicht die Rede, als wir, an diese
Orte gelangt, den Versuch machten, den Schlingel beim Worte zu nehmen.

Vorzüglich anmuthig war ein Vorfall, der sich nach unsrer Rückkehr aus
dem Peloponnes in Knlamaki zutrug. Wir standen hier vor dem Stations¬
hause des Lloyd, als Reisende vorüberfuhren, welche über den Isthmus nach
Lutraki befördert wurden. Plötzlich sahen wir Spiros Augen aufblitzen und
mit den Worten: "Gentlemen, dort kommt mein bester Freund" eilte er auf
einen stämmigen, gebräunten Herrn zu, der aus einem Wagen gestiegen
war. ergriff seine Hand, küßte sie und zog ihn, der sich lächelnd darein fügte,
zu uns hin. "Gentlemen, hier ist mein bester Freund, mein Vater, mehr
als Vater. Dieser gute Herr hat mein Glück gemacht -- ihm verdanke ich alles,
was ich habe," sagte Spiro, und die Thränen der Rührung standen ihm in
den schwarzen Schelmenaugen. Der dicke Herr, ein englischer Militär, ließ
sich diesen Erguß eine Weile gefallen, und indem ihm eine Erinnerung auf¬
zugehen schien, lächelte er noch behaglicher. Spiro fuhr fort: "Das ist näm¬
lich der Herr Major Mills. Wir wurden in Konstantinopel bekannt" und nun
entwickelte er eine lange Reihe von Wohlthaten, die der Oberst ihm erwiesen.
Der Dicke sagte endlich gelassen: "Nein, du bist im Irrthum, wir sind nicht
in Konstantinopel zusammengewesen, und mein Name ist nicht Mills."
"Ach bitte um Verzeihung, aber wir kauften 1854 Pferde zusammen in Smyrna.
Es ist der gute Oberst Handcombe, den Sie vor sich sehen, Gentlemen, mein
andrer großer Wohlthäter, Gentlemen." -- "Spiro, du bist wieder im Irrthum.
Ich bin nickt Oberst Handcombe und wir kauften keine Pferde zusammen in
Smyrna. Aber allerdings haben wir Bekanntschaft gemacht, und nun rathe,
wie?" -- Spiro war keinen Augenblick in Verlegenheit: "Ich Habs" sagte er und
küßte dem Dicken wieder die Hand. "Sie sind Capitän Hitchcock, der mich
1855 im Herbst bei der Occupation sür meine Dienste so beschenkte, daß ich
mir ein Haus kaufen konnte. Ich und meine Familie werden Ihnen das
ewig Dank wissen." -- "Spiro," sagte der so Gefeierte, nachdem er ein
Weilchen innegehalten, "Spiro, mein Junge, du hast ein dankbares Herz, aber
ein merkwürdig schlechtes Gedächtniß. 1855 war ich nicht im Pirüus,
sondern auf dem Cap. und so hättest du mir dein Haus nicht zu danken.


seine Unwissenheit zu verbergen, oder seine Person in ein glänzendes Licht zu
stellen. Allenthalben hatte er ein Schätzchen, überall Gönner und Freunde,
aber wenn es zur Sache kam, wollte niemand etwas von ihm wissen.
Wurde irgend ein vornehmer Mann genannt, so war es ein Bekannter von
ihm. Als der Vorschuß, den wir ihm gegeben, auf der Mitte des Weges zu
Ende ging, war er Hans ohne Sorgen. In Kalabryta war es ihm ein
Leichtes, zwanzig Pfund aufzunehmen, im Kloster Megaspilnon hatte er den
Jgumenos (Abt) zum Gönner, und der streckte ihm gern vor, was der Kloster¬
schatz vermochte. Natürlich war davon nicht die Rede, als wir, an diese
Orte gelangt, den Versuch machten, den Schlingel beim Worte zu nehmen.

Vorzüglich anmuthig war ein Vorfall, der sich nach unsrer Rückkehr aus
dem Peloponnes in Knlamaki zutrug. Wir standen hier vor dem Stations¬
hause des Lloyd, als Reisende vorüberfuhren, welche über den Isthmus nach
Lutraki befördert wurden. Plötzlich sahen wir Spiros Augen aufblitzen und
mit den Worten: „Gentlemen, dort kommt mein bester Freund" eilte er auf
einen stämmigen, gebräunten Herrn zu, der aus einem Wagen gestiegen
war. ergriff seine Hand, küßte sie und zog ihn, der sich lächelnd darein fügte,
zu uns hin. „Gentlemen, hier ist mein bester Freund, mein Vater, mehr
als Vater. Dieser gute Herr hat mein Glück gemacht — ihm verdanke ich alles,
was ich habe," sagte Spiro, und die Thränen der Rührung standen ihm in
den schwarzen Schelmenaugen. Der dicke Herr, ein englischer Militär, ließ
sich diesen Erguß eine Weile gefallen, und indem ihm eine Erinnerung auf¬
zugehen schien, lächelte er noch behaglicher. Spiro fuhr fort: „Das ist näm¬
lich der Herr Major Mills. Wir wurden in Konstantinopel bekannt" und nun
entwickelte er eine lange Reihe von Wohlthaten, die der Oberst ihm erwiesen.
Der Dicke sagte endlich gelassen: „Nein, du bist im Irrthum, wir sind nicht
in Konstantinopel zusammengewesen, und mein Name ist nicht Mills."
„Ach bitte um Verzeihung, aber wir kauften 1854 Pferde zusammen in Smyrna.
Es ist der gute Oberst Handcombe, den Sie vor sich sehen, Gentlemen, mein
andrer großer Wohlthäter, Gentlemen." — „Spiro, du bist wieder im Irrthum.
Ich bin nickt Oberst Handcombe und wir kauften keine Pferde zusammen in
Smyrna. Aber allerdings haben wir Bekanntschaft gemacht, und nun rathe,
wie?" — Spiro war keinen Augenblick in Verlegenheit: „Ich Habs" sagte er und
küßte dem Dicken wieder die Hand. „Sie sind Capitän Hitchcock, der mich
1855 im Herbst bei der Occupation sür meine Dienste so beschenkte, daß ich
mir ein Haus kaufen konnte. Ich und meine Familie werden Ihnen das
ewig Dank wissen." — „Spiro," sagte der so Gefeierte, nachdem er ein
Weilchen innegehalten, „Spiro, mein Junge, du hast ein dankbares Herz, aber
ein merkwürdig schlechtes Gedächtniß. 1855 war ich nicht im Pirüus,
sondern auf dem Cap. und so hättest du mir dein Haus nicht zu danken.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/440>, abgerufen am 23.07.2024.