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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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lischen Gründen und die sogenannte russische Grenzsperre (welche an sich
nicht existirt. sondern nur in Zöllen besteht, welche noch dazu größtentlieils
geringer, als die anderer Staaten sind) gegen die grundverderblichcn staats-
wwhschaftlichen Operationen Friedrichs des Großen nur schwache Schatten sind.

Kant sagte: man kann ein großer Philosoph sein und doch schlecht die
Flöte blasen." ----

Humboldts Brief lautet: Ich trenne mich spät erst von dem Kleinod,
theuerste Excellenz, was ich Ihrem mir so theueren Wohlwollen verdanke. Ich
stimme ganz überein mit der Schilderung des philosophischen, an Geist und
Ausbildung dem Geiste des Freiherrn von Stein weit, weit überlegenen Bio¬
graphen.

Stein war ein Mann der raschen That, mächtig von Willenskraft, voll
Scharfblick im Einzelnen, meist durch Inspiration; kein Staatsmann, aber viel
Edles schaffend und veranlassend, sehr beschränkt im Freiheitssinne, und wegen
dieser Beschränkung oft im Widerspruch mit sich selbst, unerschütterlich warm
der mittelalterlichen Mythe ergeben, die er sich von deutscher Freiheit, nicht
im Volksleben, sondern in ständischen Abstufungen geschaffen, ungebildeter als
das Zeitalter, in dem er lebte, rein und edel an Gemüth bei vielen Aus¬
brüchen von Heftigkeit und Intoleranz; kein großer Mann, aber oft groß im
Handeln, Großes und Freies hervorbringend, um einen Theil des Hervor¬
gerufenen später zu bereuen.

Ich bin sehr geschmeichelt durch das Andenken Ihres hochbegabten Freun¬
des. Es hat mir einen großen Genuß bereitet, wie Er ihn immer durch
Erweckung von Ideen und durch die Schönheit der Sprache, welche die
Ideen verkörpert, zu geben weiß. Mit der innigsten Verehrung und dem
Danke, der Ihnen auch dasür gebührt, daß Sie durch den Anblick des hoff¬
nungsvollen Sohnes süße und wohlthuende Erinnerungen in mir, dem Alten
von dem Berge, hervorgerufen


Ihranhänglichster
Al. v. Humboldt.

Berlin, den 18. April 1855.




lischen Gründen und die sogenannte russische Grenzsperre (welche an sich
nicht existirt. sondern nur in Zöllen besteht, welche noch dazu größtentlieils
geringer, als die anderer Staaten sind) gegen die grundverderblichcn staats-
wwhschaftlichen Operationen Friedrichs des Großen nur schwache Schatten sind.

Kant sagte: man kann ein großer Philosoph sein und doch schlecht die
Flöte blasen." —--

Humboldts Brief lautet: Ich trenne mich spät erst von dem Kleinod,
theuerste Excellenz, was ich Ihrem mir so theueren Wohlwollen verdanke. Ich
stimme ganz überein mit der Schilderung des philosophischen, an Geist und
Ausbildung dem Geiste des Freiherrn von Stein weit, weit überlegenen Bio¬
graphen.

Stein war ein Mann der raschen That, mächtig von Willenskraft, voll
Scharfblick im Einzelnen, meist durch Inspiration; kein Staatsmann, aber viel
Edles schaffend und veranlassend, sehr beschränkt im Freiheitssinne, und wegen
dieser Beschränkung oft im Widerspruch mit sich selbst, unerschütterlich warm
der mittelalterlichen Mythe ergeben, die er sich von deutscher Freiheit, nicht
im Volksleben, sondern in ständischen Abstufungen geschaffen, ungebildeter als
das Zeitalter, in dem er lebte, rein und edel an Gemüth bei vielen Aus¬
brüchen von Heftigkeit und Intoleranz; kein großer Mann, aber oft groß im
Handeln, Großes und Freies hervorbringend, um einen Theil des Hervor¬
gerufenen später zu bereuen.

Ich bin sehr geschmeichelt durch das Andenken Ihres hochbegabten Freun¬
des. Es hat mir einen großen Genuß bereitet, wie Er ihn immer durch
Erweckung von Ideen und durch die Schönheit der Sprache, welche die
Ideen verkörpert, zu geben weiß. Mit der innigsten Verehrung und dem
Danke, der Ihnen auch dasür gebührt, daß Sie durch den Anblick des hoff¬
nungsvollen Sohnes süße und wohlthuende Erinnerungen in mir, dem Alten
von dem Berge, hervorgerufen


Ihranhänglichster
Al. v. Humboldt.

Berlin, den 18. April 1855.




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[0429] lischen Gründen und die sogenannte russische Grenzsperre (welche an sich nicht existirt. sondern nur in Zöllen besteht, welche noch dazu größtentlieils geringer, als die anderer Staaten sind) gegen die grundverderblichcn staats- wwhschaftlichen Operationen Friedrichs des Großen nur schwache Schatten sind. Kant sagte: man kann ein großer Philosoph sein und doch schlecht die Flöte blasen." —-- Humboldts Brief lautet: Ich trenne mich spät erst von dem Kleinod, theuerste Excellenz, was ich Ihrem mir so theueren Wohlwollen verdanke. Ich stimme ganz überein mit der Schilderung des philosophischen, an Geist und Ausbildung dem Geiste des Freiherrn von Stein weit, weit überlegenen Bio¬ graphen. Stein war ein Mann der raschen That, mächtig von Willenskraft, voll Scharfblick im Einzelnen, meist durch Inspiration; kein Staatsmann, aber viel Edles schaffend und veranlassend, sehr beschränkt im Freiheitssinne, und wegen dieser Beschränkung oft im Widerspruch mit sich selbst, unerschütterlich warm der mittelalterlichen Mythe ergeben, die er sich von deutscher Freiheit, nicht im Volksleben, sondern in ständischen Abstufungen geschaffen, ungebildeter als das Zeitalter, in dem er lebte, rein und edel an Gemüth bei vielen Aus¬ brüchen von Heftigkeit und Intoleranz; kein großer Mann, aber oft groß im Handeln, Großes und Freies hervorbringend, um einen Theil des Hervor¬ gerufenen später zu bereuen. Ich bin sehr geschmeichelt durch das Andenken Ihres hochbegabten Freun¬ des. Es hat mir einen großen Genuß bereitet, wie Er ihn immer durch Erweckung von Ideen und durch die Schönheit der Sprache, welche die Ideen verkörpert, zu geben weiß. Mit der innigsten Verehrung und dem Danke, der Ihnen auch dasür gebührt, daß Sie durch den Anblick des hoff¬ nungsvollen Sohnes süße und wohlthuende Erinnerungen in mir, dem Alten von dem Berge, hervorgerufen Ihranhänglichster Al. v. Humboldt. Berlin, den 18. April 1855.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/429>, abgerufen am 22.07.2024.