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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Um den Leib ging ein fünf bis sechs Zoll breiter Gürtel. Einige hatten sich
durch blumige Kattunkleider schöner zu putzen geglaubt. Manche trugen noch
ein Tuch über das Fez geschlungen. Unter den zwei- bis dritthalbhundert
Frauen, die wir sahen, waren nicht mehr als zwei oder drei, deren Züge
für hübsch, keine, die für regelmäßig schön gelten konnte. Bei den
Männern bekleidete den Oberleib eine enganliegende Weste, die ohne Aer-
mel war und vorn, bis auf wenige Knöpfe offen, das schön gefaltete Hemd
sehn ließ. Der Hals bleibt unbedeckt. Ueber die Weste wird eine Jacke
gezogen, die weitgeschlitzte Aermel wie ein Husarendolman hat und mehr
oder weniger mit Borten und Schnurenzierrath benäht ist. Bon den
Hüften herab fällt bis auf die Knie die weiße Fuswnclla, die ur¬
sprünglich nur das über die Beinkleider gezogne Hemd war, jetzt aber zu
solcher Weite gediehen ist, daß sie sich in Hunderten von kleinen Fältchen in
einer Dicke von mehren Zollen um die Schenkel zieht. Ein breiter Gurt von
rothem Leder verbindet Weste und Fustanella. Die Beine find von den
Knien bis aus die Knöchel mit rothen, blauen oder braunen Tuchgamaschen
bedeckt, die mit Stickerei geschmückt sind, und den Fuß bekleidet der bekannte
rothe Schnabelschuh des Orients. Die Mäntel, welche Einzelne trugen, waren
von dickem weißem Fries, innen zottig wie ein Schaffell und an den Säumen
mit ebenfalls weißen Stickereien verziert.

Die Schmausenden zeigten, daß es weder der Teller, noch der Messer
und Gabeln bedars. um fröhlich und selbst ziemlich anständig zu tafeln. Ihr
Sitz war ein bunter Teppich, auf dem die meisten wie die Türken mit unter¬
geschlagenen Beinen saßen, ihr Tischtuch und Teller eine Lage von Blättern,
ihre Gabel jene sünfzinkige, deren sich bei uns nur die Kinder bedienen. Ein
Messer hatte nur der Vorschneider jeder einzelnen Gesellschaft. Gläser waren
nicht vorhanden, man ließ den Wein in einer der großen schweren Holzflaschen
von Mund zu Mund gehen, welche einen der integrirenden Bestandtheile des
Hausraths der griechischen Bauern bilden. Nirgend sah ich Betrunkene, und
die Prügelei, die bis vor kurzem jede deutsche Kirmes beschließen mußte,
scheint hier nicht Nationalvergnügen zu sein. Allenthalben, wo wir zu einer
Gruppe traten, rief uns der Vorsitzende mit dem Worte "Patrivtis" zu sich
und überreichte uns auf einem Blatt oder an der Spitze seines Messers ein
Stück Lammsbraten und dann die große Gesellschaftsflasche.

Allmälig hörte das Schmausen auf, und hier und dort hüpften bereits ferner
gelagerte Gesellschaften, daß die Fustanellen in weiten Bogen flogen. Auch im
Centrum des Lagers begann der Takt der Romaika die Beine in Bewegung
zu setzen. Eine große Trommel, oben mit einem dicken Klöpfel, unten mit
einer dünnen Ruthe geschlagen und eine kleine quälende Schalmei ließen sich
lauter und lauter hören. Die Zechgesellschastcn bildeten Kreise. Ein Vor-


Um den Leib ging ein fünf bis sechs Zoll breiter Gürtel. Einige hatten sich
durch blumige Kattunkleider schöner zu putzen geglaubt. Manche trugen noch
ein Tuch über das Fez geschlungen. Unter den zwei- bis dritthalbhundert
Frauen, die wir sahen, waren nicht mehr als zwei oder drei, deren Züge
für hübsch, keine, die für regelmäßig schön gelten konnte. Bei den
Männern bekleidete den Oberleib eine enganliegende Weste, die ohne Aer-
mel war und vorn, bis auf wenige Knöpfe offen, das schön gefaltete Hemd
sehn ließ. Der Hals bleibt unbedeckt. Ueber die Weste wird eine Jacke
gezogen, die weitgeschlitzte Aermel wie ein Husarendolman hat und mehr
oder weniger mit Borten und Schnurenzierrath benäht ist. Bon den
Hüften herab fällt bis auf die Knie die weiße Fuswnclla, die ur¬
sprünglich nur das über die Beinkleider gezogne Hemd war, jetzt aber zu
solcher Weite gediehen ist, daß sie sich in Hunderten von kleinen Fältchen in
einer Dicke von mehren Zollen um die Schenkel zieht. Ein breiter Gurt von
rothem Leder verbindet Weste und Fustanella. Die Beine find von den
Knien bis aus die Knöchel mit rothen, blauen oder braunen Tuchgamaschen
bedeckt, die mit Stickerei geschmückt sind, und den Fuß bekleidet der bekannte
rothe Schnabelschuh des Orients. Die Mäntel, welche Einzelne trugen, waren
von dickem weißem Fries, innen zottig wie ein Schaffell und an den Säumen
mit ebenfalls weißen Stickereien verziert.

Die Schmausenden zeigten, daß es weder der Teller, noch der Messer
und Gabeln bedars. um fröhlich und selbst ziemlich anständig zu tafeln. Ihr
Sitz war ein bunter Teppich, auf dem die meisten wie die Türken mit unter¬
geschlagenen Beinen saßen, ihr Tischtuch und Teller eine Lage von Blättern,
ihre Gabel jene sünfzinkige, deren sich bei uns nur die Kinder bedienen. Ein
Messer hatte nur der Vorschneider jeder einzelnen Gesellschaft. Gläser waren
nicht vorhanden, man ließ den Wein in einer der großen schweren Holzflaschen
von Mund zu Mund gehen, welche einen der integrirenden Bestandtheile des
Hausraths der griechischen Bauern bilden. Nirgend sah ich Betrunkene, und
die Prügelei, die bis vor kurzem jede deutsche Kirmes beschließen mußte,
scheint hier nicht Nationalvergnügen zu sein. Allenthalben, wo wir zu einer
Gruppe traten, rief uns der Vorsitzende mit dem Worte „Patrivtis" zu sich
und überreichte uns auf einem Blatt oder an der Spitze seines Messers ein
Stück Lammsbraten und dann die große Gesellschaftsflasche.

Allmälig hörte das Schmausen auf, und hier und dort hüpften bereits ferner
gelagerte Gesellschaften, daß die Fustanellen in weiten Bogen flogen. Auch im
Centrum des Lagers begann der Takt der Romaika die Beine in Bewegung
zu setzen. Eine große Trommel, oben mit einem dicken Klöpfel, unten mit
einer dünnen Ruthe geschlagen und eine kleine quälende Schalmei ließen sich
lauter und lauter hören. Die Zechgesellschastcn bildeten Kreise. Ein Vor-


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[0399] Um den Leib ging ein fünf bis sechs Zoll breiter Gürtel. Einige hatten sich durch blumige Kattunkleider schöner zu putzen geglaubt. Manche trugen noch ein Tuch über das Fez geschlungen. Unter den zwei- bis dritthalbhundert Frauen, die wir sahen, waren nicht mehr als zwei oder drei, deren Züge für hübsch, keine, die für regelmäßig schön gelten konnte. Bei den Männern bekleidete den Oberleib eine enganliegende Weste, die ohne Aer- mel war und vorn, bis auf wenige Knöpfe offen, das schön gefaltete Hemd sehn ließ. Der Hals bleibt unbedeckt. Ueber die Weste wird eine Jacke gezogen, die weitgeschlitzte Aermel wie ein Husarendolman hat und mehr oder weniger mit Borten und Schnurenzierrath benäht ist. Bon den Hüften herab fällt bis auf die Knie die weiße Fuswnclla, die ur¬ sprünglich nur das über die Beinkleider gezogne Hemd war, jetzt aber zu solcher Weite gediehen ist, daß sie sich in Hunderten von kleinen Fältchen in einer Dicke von mehren Zollen um die Schenkel zieht. Ein breiter Gurt von rothem Leder verbindet Weste und Fustanella. Die Beine find von den Knien bis aus die Knöchel mit rothen, blauen oder braunen Tuchgamaschen bedeckt, die mit Stickerei geschmückt sind, und den Fuß bekleidet der bekannte rothe Schnabelschuh des Orients. Die Mäntel, welche Einzelne trugen, waren von dickem weißem Fries, innen zottig wie ein Schaffell und an den Säumen mit ebenfalls weißen Stickereien verziert. Die Schmausenden zeigten, daß es weder der Teller, noch der Messer und Gabeln bedars. um fröhlich und selbst ziemlich anständig zu tafeln. Ihr Sitz war ein bunter Teppich, auf dem die meisten wie die Türken mit unter¬ geschlagenen Beinen saßen, ihr Tischtuch und Teller eine Lage von Blättern, ihre Gabel jene sünfzinkige, deren sich bei uns nur die Kinder bedienen. Ein Messer hatte nur der Vorschneider jeder einzelnen Gesellschaft. Gläser waren nicht vorhanden, man ließ den Wein in einer der großen schweren Holzflaschen von Mund zu Mund gehen, welche einen der integrirenden Bestandtheile des Hausraths der griechischen Bauern bilden. Nirgend sah ich Betrunkene, und die Prügelei, die bis vor kurzem jede deutsche Kirmes beschließen mußte, scheint hier nicht Nationalvergnügen zu sein. Allenthalben, wo wir zu einer Gruppe traten, rief uns der Vorsitzende mit dem Worte „Patrivtis" zu sich und überreichte uns auf einem Blatt oder an der Spitze seines Messers ein Stück Lammsbraten und dann die große Gesellschaftsflasche. Allmälig hörte das Schmausen auf, und hier und dort hüpften bereits ferner gelagerte Gesellschaften, daß die Fustanellen in weiten Bogen flogen. Auch im Centrum des Lagers begann der Takt der Romaika die Beine in Bewegung zu setzen. Eine große Trommel, oben mit einem dicken Klöpfel, unten mit einer dünnen Ruthe geschlagen und eine kleine quälende Schalmei ließen sich lauter und lauter hören. Die Zechgesellschastcn bildeten Kreise. Ein Vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/399>, abgerufen am 22.07.2024.