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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Wort. Wenn die Schwarzische Predigt sich durch lebendiges, volkstümliches
Erfassen der nächsten und gegenwärtigen Festbeziehungen auszeichnete, so suchte
Seebccks Rede "der Jubelfeier mit der Vergegenwärtigung ihrer größten Be¬
ziehungen die volle Weihe zu geben." Die weltgeschichtlich sittliche Kraft, der
Glaube, von welcher die Persönlichkeit des Kurfürsten, dessen Denkmal ent¬
hüllt werden sollte, ein Zeuge gewesen, vermöge welcher derselbe auch Gründer
der Universität geworden, war das Thema der Rede. Dieser Inhalt wurde
an dem Schicksal und Charakter des Kurfürsten durchgeführt, in einer Weise,
welche ebenso sehr durch die hohe Idealität und Wärme der Gesinnung fes¬
selte, als durch die Einfachheit der Form bei der Tiefe der Auffassung über¬
raschte. Man hörte es dem Redner deutlich an. daß der zu feiernde Held
recht ein Held nach seinem Herzen. "Das ist ein gut bewährter Ruhm, den'
die dankbaren Herzen so nach Jahrhunderten feiern. Fürwahr, ein edler
Ruhm, nicht mit Gewalt noch List, sondern in Geduld ehrlich ersiegt, allein
mit der Kraft eines lauteren und beständigen Herzens, wie wol Gott ein sol¬
ches bereitet, wenn je es gilt, ein gefährdetes heiliges Kleinod in sichre Hut
zu legen." In diesem Sinn wurde das Charakterbild des Kurfürsten aus¬
geführt. Ein Charakter, nicht gemacht, sich ein hohes Ziel eigenthümlich
und schöpferisch zu gestalten, noch weniger eigenmächtig irgend eine Größe
sich zu suchen und gewaltsam zu ergreifen, aber mit tiefem Bedürfniß nach
dem Ewigen und Wahren, war es sein Geschick, zu finden, nicht sich zu geben,
was den Durst seiner Seele stillte, und war es sein Heidenthum, mit uner¬
schütterlicher Standhaftigkeit bis zum Märtyrerleiden an dem Gefundenen fest¬
zuhalten. Nur nothgedrungen griff er zum Schwerte. Aber nach des Red¬
ners Sinn ist dies nie die rechte Waffe. Vielmehr habe "das richtende Wort
vom Schwerte, gesprochen im Garten zu Gethsemane,> das so oft vergessene
und immer wieder erfüllte, auch an dem Kurfürsten sich bestätigt." "Jetzt
erst, nach seiner innerlichsten Berufung für die Sache des Herrn, nur ein
Streiter im Geist, habe er das große Wort bewährt: "Wer am meisten glaubt,
der wird auch hie am meisten schützen." Und nun wurde ausgeführt, wie
Gott seinen Streiter, den gläubigen Dulder, verherrlicht habe, an seiner
Kirche, an seinen Gegnern, an der Liebe seines Volks, an dem Glanz seines
Geschlechts, an der von ihm gestifteten Universität. Von letzterer sagte der
Redner am Schluß-. "Wie heute das ganze Vaterland--uns seine Boten
sendet, um mit uns Gott in der Höhe unser Danklied zu singen, so gebe der
Allmächtige, daß auch fort und fort dem ganzen deutschen Volke das Licht,
welches hier eine treue deutsche Hand auf den Altar des Vaterlandes gestellt
hat, werth und theuer bleibe. Vor allem aber möge uns Thüringern selbst
immerdar im Herzen gegenwärtig sein, welch ein köstliches Erbtheil wir in
dieser hohen Schule von den Vätern empfangen haben, damit uns die Be-


Grcnzboten III. 1863. 48

Wort. Wenn die Schwarzische Predigt sich durch lebendiges, volkstümliches
Erfassen der nächsten und gegenwärtigen Festbeziehungen auszeichnete, so suchte
Seebccks Rede „der Jubelfeier mit der Vergegenwärtigung ihrer größten Be¬
ziehungen die volle Weihe zu geben." Die weltgeschichtlich sittliche Kraft, der
Glaube, von welcher die Persönlichkeit des Kurfürsten, dessen Denkmal ent¬
hüllt werden sollte, ein Zeuge gewesen, vermöge welcher derselbe auch Gründer
der Universität geworden, war das Thema der Rede. Dieser Inhalt wurde
an dem Schicksal und Charakter des Kurfürsten durchgeführt, in einer Weise,
welche ebenso sehr durch die hohe Idealität und Wärme der Gesinnung fes¬
selte, als durch die Einfachheit der Form bei der Tiefe der Auffassung über¬
raschte. Man hörte es dem Redner deutlich an. daß der zu feiernde Held
recht ein Held nach seinem Herzen. „Das ist ein gut bewährter Ruhm, den'
die dankbaren Herzen so nach Jahrhunderten feiern. Fürwahr, ein edler
Ruhm, nicht mit Gewalt noch List, sondern in Geduld ehrlich ersiegt, allein
mit der Kraft eines lauteren und beständigen Herzens, wie wol Gott ein sol¬
ches bereitet, wenn je es gilt, ein gefährdetes heiliges Kleinod in sichre Hut
zu legen." In diesem Sinn wurde das Charakterbild des Kurfürsten aus¬
geführt. Ein Charakter, nicht gemacht, sich ein hohes Ziel eigenthümlich
und schöpferisch zu gestalten, noch weniger eigenmächtig irgend eine Größe
sich zu suchen und gewaltsam zu ergreifen, aber mit tiefem Bedürfniß nach
dem Ewigen und Wahren, war es sein Geschick, zu finden, nicht sich zu geben,
was den Durst seiner Seele stillte, und war es sein Heidenthum, mit uner¬
schütterlicher Standhaftigkeit bis zum Märtyrerleiden an dem Gefundenen fest¬
zuhalten. Nur nothgedrungen griff er zum Schwerte. Aber nach des Red¬
ners Sinn ist dies nie die rechte Waffe. Vielmehr habe „das richtende Wort
vom Schwerte, gesprochen im Garten zu Gethsemane,> das so oft vergessene
und immer wieder erfüllte, auch an dem Kurfürsten sich bestätigt." „Jetzt
erst, nach seiner innerlichsten Berufung für die Sache des Herrn, nur ein
Streiter im Geist, habe er das große Wort bewährt: „Wer am meisten glaubt,
der wird auch hie am meisten schützen." Und nun wurde ausgeführt, wie
Gott seinen Streiter, den gläubigen Dulder, verherrlicht habe, an seiner
Kirche, an seinen Gegnern, an der Liebe seines Volks, an dem Glanz seines
Geschlechts, an der von ihm gestifteten Universität. Von letzterer sagte der
Redner am Schluß-. „Wie heute das ganze Vaterland--uns seine Boten
sendet, um mit uns Gott in der Höhe unser Danklied zu singen, so gebe der
Allmächtige, daß auch fort und fort dem ganzen deutschen Volke das Licht,
welches hier eine treue deutsche Hand auf den Altar des Vaterlandes gestellt
hat, werth und theuer bleibe. Vor allem aber möge uns Thüringern selbst
immerdar im Herzen gegenwärtig sein, welch ein köstliches Erbtheil wir in
dieser hohen Schule von den Vätern empfangen haben, damit uns die Be-


Grcnzboten III. 1863. 48
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[0385] Wort. Wenn die Schwarzische Predigt sich durch lebendiges, volkstümliches Erfassen der nächsten und gegenwärtigen Festbeziehungen auszeichnete, so suchte Seebccks Rede „der Jubelfeier mit der Vergegenwärtigung ihrer größten Be¬ ziehungen die volle Weihe zu geben." Die weltgeschichtlich sittliche Kraft, der Glaube, von welcher die Persönlichkeit des Kurfürsten, dessen Denkmal ent¬ hüllt werden sollte, ein Zeuge gewesen, vermöge welcher derselbe auch Gründer der Universität geworden, war das Thema der Rede. Dieser Inhalt wurde an dem Schicksal und Charakter des Kurfürsten durchgeführt, in einer Weise, welche ebenso sehr durch die hohe Idealität und Wärme der Gesinnung fes¬ selte, als durch die Einfachheit der Form bei der Tiefe der Auffassung über¬ raschte. Man hörte es dem Redner deutlich an. daß der zu feiernde Held recht ein Held nach seinem Herzen. „Das ist ein gut bewährter Ruhm, den' die dankbaren Herzen so nach Jahrhunderten feiern. Fürwahr, ein edler Ruhm, nicht mit Gewalt noch List, sondern in Geduld ehrlich ersiegt, allein mit der Kraft eines lauteren und beständigen Herzens, wie wol Gott ein sol¬ ches bereitet, wenn je es gilt, ein gefährdetes heiliges Kleinod in sichre Hut zu legen." In diesem Sinn wurde das Charakterbild des Kurfürsten aus¬ geführt. Ein Charakter, nicht gemacht, sich ein hohes Ziel eigenthümlich und schöpferisch zu gestalten, noch weniger eigenmächtig irgend eine Größe sich zu suchen und gewaltsam zu ergreifen, aber mit tiefem Bedürfniß nach dem Ewigen und Wahren, war es sein Geschick, zu finden, nicht sich zu geben, was den Durst seiner Seele stillte, und war es sein Heidenthum, mit uner¬ schütterlicher Standhaftigkeit bis zum Märtyrerleiden an dem Gefundenen fest¬ zuhalten. Nur nothgedrungen griff er zum Schwerte. Aber nach des Red¬ ners Sinn ist dies nie die rechte Waffe. Vielmehr habe „das richtende Wort vom Schwerte, gesprochen im Garten zu Gethsemane,> das so oft vergessene und immer wieder erfüllte, auch an dem Kurfürsten sich bestätigt." „Jetzt erst, nach seiner innerlichsten Berufung für die Sache des Herrn, nur ein Streiter im Geist, habe er das große Wort bewährt: „Wer am meisten glaubt, der wird auch hie am meisten schützen." Und nun wurde ausgeführt, wie Gott seinen Streiter, den gläubigen Dulder, verherrlicht habe, an seiner Kirche, an seinen Gegnern, an der Liebe seines Volks, an dem Glanz seines Geschlechts, an der von ihm gestifteten Universität. Von letzterer sagte der Redner am Schluß-. „Wie heute das ganze Vaterland--uns seine Boten sendet, um mit uns Gott in der Höhe unser Danklied zu singen, so gebe der Allmächtige, daß auch fort und fort dem ganzen deutschen Volke das Licht, welches hier eine treue deutsche Hand auf den Altar des Vaterlandes gestellt hat, werth und theuer bleibe. Vor allem aber möge uns Thüringern selbst immerdar im Herzen gegenwärtig sein, welch ein köstliches Erbtheil wir in dieser hohen Schule von den Vätern empfangen haben, damit uns die Be- Grcnzboten III. 1863. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/385>, abgerufen am 23.07.2024.