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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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stück von Buchbinderarbeit, welches auf jeder Wcltindustrieausstellung glänzen
könnte. Desselben Meisters Schillerprachtband, den er als zweites Geschenk
überreicht, hat in der That auf den Ausstellungen zu London und Paris ge¬
glänzt. Doch ist die zweite Arbeit noch weit ausgezeichneter. Daß nach dem
Vorgänge der Buchhandlung F. A. Brockhaus auch die Engelmannsche Buch¬
handlung in Leipzig und das Landesindustnecomptoir in Weimar ihren Ver¬
lag geschenkt haben, ist schon aus den Zeitungen bekannt.

Gegen Schluß der sich etwas lang ausdehnenden und ermüdenden Vor¬
stellung der auswärtigen Deputirten trat ich an die Fenster des Bibliothek¬
saales, von welchen die jenaische Landschaft einen so schönen und wechselnden
Anblick gewinnt, wie fast von keinem andern Punkt. Bald aber wurde das
Auge von der Landschaft wieder auf die Menschen hingezogen. Der Festzug
begann vor dem Bibliothekgebäude sich zu ordnen. Hier sah ich zuerst die
studentischen Marschälle mit ihren Fahnen. Die Fahnen aller Verbindungen
waren neu und sehr geschmackvoll. Ich muß bekennen, selten solche blühende
Jünglingsgestalten gesehen zu haben. Das Ganze war durchaus nicht wie eine
Maskerade. Festliche Stimmung verlangt auch äußeren Schmuck. Wir haben
uns der Freude daran und des Geschmackes darin nur zu sehr entwöhnt.
Freilich muß vieles Andere befriedigend gestaltet sein, ehe ein Volk sich der
Freude im festlichen Glänze und Schaugepränge hingeben kann. Die Er¬
scheinung dieser Studenten aber hatte durchaus nichts Unnatürliches noch
Widersprechendes. Auch viele Gäste von preußischen Universitäten waren in
dem Amtstalar erschienen, welchen man dort eingeführt. Ich kann nicht sagen,
daß diese Erscheinung mißfallen hätte. Der schwarze Frack ist und bleibt
kein Costüm für festliche Aufzüge. Als die Universität mit ihren Gästen in
den Zug eintrat, konnte sie sich sagen, daß selten eine Jubelfeier so aus¬
gebreitete und anerkennende Theilnahme gefunden, als die Zahl und Sprache
der Deputationen ergeben hatte. Der Zug ging in die Stadtkirche zum
Gottesdienst und wurde allerdings durch einen starken Regenguß gestört.
Wenige indeß nur flüchteten, und die Standhaftigkeit der großen Mehrzahl
fand sich dadurch belohnt, daß an dem ersten Tage das Fest durch das Wetter
nicht wieder gestört, an den beiden folgenden aufs schönste begünstigt wurde.

Den Mittelpunkt des Festgottcsdienstes bildete die Predigt des Kirchen¬
rath Schwarz zu Jena. Da war keine Spur von Kanzelton, von Weichlich¬
keit, Sentimentalität oder falschem Pathos, sondern eine kräftige Volksrede,
ungekünstelt und doch geistvoll. Der Redner hatte den achtzigsten Psalm zum
Text gewählt: "Gott Zebaoth,---- suche heim diesen Weinstock und
halte ihn im Bau. den deine rechte Hand gepflanzet hat und den du dir
festiglich erwählet hast. Siehe drein und schilt, daß des Brennens und Reißens ein
Ende werde. Deine Hand schütze das Volk deiner Rechten und die Leute, die du


stück von Buchbinderarbeit, welches auf jeder Wcltindustrieausstellung glänzen
könnte. Desselben Meisters Schillerprachtband, den er als zweites Geschenk
überreicht, hat in der That auf den Ausstellungen zu London und Paris ge¬
glänzt. Doch ist die zweite Arbeit noch weit ausgezeichneter. Daß nach dem
Vorgänge der Buchhandlung F. A. Brockhaus auch die Engelmannsche Buch¬
handlung in Leipzig und das Landesindustnecomptoir in Weimar ihren Ver¬
lag geschenkt haben, ist schon aus den Zeitungen bekannt.

Gegen Schluß der sich etwas lang ausdehnenden und ermüdenden Vor¬
stellung der auswärtigen Deputirten trat ich an die Fenster des Bibliothek¬
saales, von welchen die jenaische Landschaft einen so schönen und wechselnden
Anblick gewinnt, wie fast von keinem andern Punkt. Bald aber wurde das
Auge von der Landschaft wieder auf die Menschen hingezogen. Der Festzug
begann vor dem Bibliothekgebäude sich zu ordnen. Hier sah ich zuerst die
studentischen Marschälle mit ihren Fahnen. Die Fahnen aller Verbindungen
waren neu und sehr geschmackvoll. Ich muß bekennen, selten solche blühende
Jünglingsgestalten gesehen zu haben. Das Ganze war durchaus nicht wie eine
Maskerade. Festliche Stimmung verlangt auch äußeren Schmuck. Wir haben
uns der Freude daran und des Geschmackes darin nur zu sehr entwöhnt.
Freilich muß vieles Andere befriedigend gestaltet sein, ehe ein Volk sich der
Freude im festlichen Glänze und Schaugepränge hingeben kann. Die Er¬
scheinung dieser Studenten aber hatte durchaus nichts Unnatürliches noch
Widersprechendes. Auch viele Gäste von preußischen Universitäten waren in
dem Amtstalar erschienen, welchen man dort eingeführt. Ich kann nicht sagen,
daß diese Erscheinung mißfallen hätte. Der schwarze Frack ist und bleibt
kein Costüm für festliche Aufzüge. Als die Universität mit ihren Gästen in
den Zug eintrat, konnte sie sich sagen, daß selten eine Jubelfeier so aus¬
gebreitete und anerkennende Theilnahme gefunden, als die Zahl und Sprache
der Deputationen ergeben hatte. Der Zug ging in die Stadtkirche zum
Gottesdienst und wurde allerdings durch einen starken Regenguß gestört.
Wenige indeß nur flüchteten, und die Standhaftigkeit der großen Mehrzahl
fand sich dadurch belohnt, daß an dem ersten Tage das Fest durch das Wetter
nicht wieder gestört, an den beiden folgenden aufs schönste begünstigt wurde.

Den Mittelpunkt des Festgottcsdienstes bildete die Predigt des Kirchen¬
rath Schwarz zu Jena. Da war keine Spur von Kanzelton, von Weichlich¬
keit, Sentimentalität oder falschem Pathos, sondern eine kräftige Volksrede,
ungekünstelt und doch geistvoll. Der Redner hatte den achtzigsten Psalm zum
Text gewählt: „Gott Zebaoth,--— suche heim diesen Weinstock und
halte ihn im Bau. den deine rechte Hand gepflanzet hat und den du dir
festiglich erwählet hast. Siehe drein und schilt, daß des Brennens und Reißens ein
Ende werde. Deine Hand schütze das Volk deiner Rechten und die Leute, die du


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/383>, abgerufen am 23.07.2024.