Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

freundlich unterstützt, Der Plan einer jüdischen Ackerbauschule, zu deren Be¬
gründung Geldmittel bereit liegen, wurde vom Ministerium nicht verworfen,
sondern nur die Ansammlung größerer Mittel angerathen. Auch die sittlichen
Folgen, welche eine erweiterte Befitzsähigkeit auf die niederen israelitischen
Classen üben dürfte, die Minderung der bekannten Erwerbsunruhe, die He¬
bung des Patriotismus werden von der Regierung unbedingt bejaht. Ueber-
flüssig wäre es deshalb, die Negierung auf die Inconsequenz ihrer Handlungs¬
weise aufmerksam zu machen, daß sie den landwirtschaftlichen Interessen
nachtheilig findet, was ihr für die industriellen förderlich dünkt, oder das
Verkehrte dieser beschränkenden Maßregeln zu betonen, die, wenn sie von der
Furcht, die Landbevölkerung könnte in eine allzugroße Abhängigkeit von den
Juden gerathen, dictirt sind, gradezu hervorrufen, was sie vermeiden wollen.
Die Korn- und Branntweinjuden, die ländlichen Makler und Händler blühen
am üppigsten bei einer solchen vorurtheilsvoller Politik. Alles das weiß die
Negierung und erkennt es an. Unwillkürlich taucht die Frage nach den Ein¬
flüssen, welche jenen beschränkenden Maßregeln Dauer verleihen, wieder auf.
Vergessen wir nicht, daß auch die Protestanten in Oestreich zu einer beschränk¬
ten Besitzfähigkeit verurtheilt sind. Nicht, weil die Juden Juden, sondern
weil sie nicht römisch-katholisch sind, werden ihre Rechte in die engsten Gren¬
zen gewiesen. Eine doppelte, scharf entgegengesetzte Strömung durchzieht die
innere Politik Oestreichs. Während im Polizei- und Handelsministerium das
liberale Element vorherrscht, sind andere Verwaltungszweige Mächten und
Einflüssen, die wir nicht näher zu bezeichnen brauchen, unterworfen. Wäre
die Frage der jüdischen Besitzfähigkeit vom Polizei- oder Handelsminister zu
entscheiden, sie wäre längst zu Gunsten der Jsraeliten gelöst. Haben ja doch
die beiden Minister selbst, Herr von Kempen und Brück einen ähnlichen Bann
zu dulden, und bleibt ihnen als Protestanten ein Ankauf z. B. in Tirol unter¬
sagt. So aber liegt die Entscheidung in anderen Händen, und ist nur die
Hoffnung übrig, daß die ultramontanen Einflüsse bald zum Heil der Ver¬
waltung in ihre natürlichen Grenzen zurückgewiesen werden. Kein Geld, keine
Jesuiten.




freundlich unterstützt, Der Plan einer jüdischen Ackerbauschule, zu deren Be¬
gründung Geldmittel bereit liegen, wurde vom Ministerium nicht verworfen,
sondern nur die Ansammlung größerer Mittel angerathen. Auch die sittlichen
Folgen, welche eine erweiterte Befitzsähigkeit auf die niederen israelitischen
Classen üben dürfte, die Minderung der bekannten Erwerbsunruhe, die He¬
bung des Patriotismus werden von der Regierung unbedingt bejaht. Ueber-
flüssig wäre es deshalb, die Negierung auf die Inconsequenz ihrer Handlungs¬
weise aufmerksam zu machen, daß sie den landwirtschaftlichen Interessen
nachtheilig findet, was ihr für die industriellen förderlich dünkt, oder das
Verkehrte dieser beschränkenden Maßregeln zu betonen, die, wenn sie von der
Furcht, die Landbevölkerung könnte in eine allzugroße Abhängigkeit von den
Juden gerathen, dictirt sind, gradezu hervorrufen, was sie vermeiden wollen.
Die Korn- und Branntweinjuden, die ländlichen Makler und Händler blühen
am üppigsten bei einer solchen vorurtheilsvoller Politik. Alles das weiß die
Negierung und erkennt es an. Unwillkürlich taucht die Frage nach den Ein¬
flüssen, welche jenen beschränkenden Maßregeln Dauer verleihen, wieder auf.
Vergessen wir nicht, daß auch die Protestanten in Oestreich zu einer beschränk¬
ten Besitzfähigkeit verurtheilt sind. Nicht, weil die Juden Juden, sondern
weil sie nicht römisch-katholisch sind, werden ihre Rechte in die engsten Gren¬
zen gewiesen. Eine doppelte, scharf entgegengesetzte Strömung durchzieht die
innere Politik Oestreichs. Während im Polizei- und Handelsministerium das
liberale Element vorherrscht, sind andere Verwaltungszweige Mächten und
Einflüssen, die wir nicht näher zu bezeichnen brauchen, unterworfen. Wäre
die Frage der jüdischen Besitzfähigkeit vom Polizei- oder Handelsminister zu
entscheiden, sie wäre längst zu Gunsten der Jsraeliten gelöst. Haben ja doch
die beiden Minister selbst, Herr von Kempen und Brück einen ähnlichen Bann
zu dulden, und bleibt ihnen als Protestanten ein Ankauf z. B. in Tirol unter¬
sagt. So aber liegt die Entscheidung in anderen Händen, und ist nur die
Hoffnung übrig, daß die ultramontanen Einflüsse bald zum Heil der Ver¬
waltung in ihre natürlichen Grenzen zurückgewiesen werden. Kein Geld, keine
Jesuiten.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0378" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/106189"/>
          <p xml:id="ID_1043" prev="#ID_1042"> freundlich unterstützt, Der Plan einer jüdischen Ackerbauschule, zu deren Be¬<lb/>
gründung Geldmittel bereit liegen, wurde vom Ministerium nicht verworfen,<lb/>
sondern nur die Ansammlung größerer Mittel angerathen. Auch die sittlichen<lb/>
Folgen, welche eine erweiterte Befitzsähigkeit auf die niederen israelitischen<lb/>
Classen üben dürfte, die Minderung der bekannten Erwerbsunruhe, die He¬<lb/>
bung des Patriotismus werden von der Regierung unbedingt bejaht. Ueber-<lb/>
flüssig wäre es deshalb, die Negierung auf die Inconsequenz ihrer Handlungs¬<lb/>
weise aufmerksam zu machen, daß sie den landwirtschaftlichen Interessen<lb/>
nachtheilig findet, was ihr für die industriellen förderlich dünkt, oder das<lb/>
Verkehrte dieser beschränkenden Maßregeln zu betonen, die, wenn sie von der<lb/>
Furcht, die Landbevölkerung könnte in eine allzugroße Abhängigkeit von den<lb/>
Juden gerathen, dictirt sind, gradezu hervorrufen, was sie vermeiden wollen.<lb/>
Die Korn- und Branntweinjuden, die ländlichen Makler und Händler blühen<lb/>
am üppigsten bei einer solchen vorurtheilsvoller Politik. Alles das weiß die<lb/>
Negierung und erkennt es an. Unwillkürlich taucht die Frage nach den Ein¬<lb/>
flüssen, welche jenen beschränkenden Maßregeln Dauer verleihen, wieder auf.<lb/>
Vergessen wir nicht, daß auch die Protestanten in Oestreich zu einer beschränk¬<lb/>
ten Besitzfähigkeit verurtheilt sind. Nicht, weil die Juden Juden, sondern<lb/>
weil sie nicht römisch-katholisch sind, werden ihre Rechte in die engsten Gren¬<lb/>
zen gewiesen. Eine doppelte, scharf entgegengesetzte Strömung durchzieht die<lb/>
innere Politik Oestreichs. Während im Polizei- und Handelsministerium das<lb/>
liberale Element vorherrscht, sind andere Verwaltungszweige Mächten und<lb/>
Einflüssen, die wir nicht näher zu bezeichnen brauchen, unterworfen. Wäre<lb/>
die Frage der jüdischen Besitzfähigkeit vom Polizei- oder Handelsminister zu<lb/>
entscheiden, sie wäre längst zu Gunsten der Jsraeliten gelöst. Haben ja doch<lb/>
die beiden Minister selbst, Herr von Kempen und Brück einen ähnlichen Bann<lb/>
zu dulden, und bleibt ihnen als Protestanten ein Ankauf z. B. in Tirol unter¬<lb/>
sagt. So aber liegt die Entscheidung in anderen Händen, und ist nur die<lb/>
Hoffnung übrig, daß die ultramontanen Einflüsse bald zum Heil der Ver¬<lb/>
waltung in ihre natürlichen Grenzen zurückgewiesen werden. Kein Geld, keine<lb/>
Jesuiten.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0378] freundlich unterstützt, Der Plan einer jüdischen Ackerbauschule, zu deren Be¬ gründung Geldmittel bereit liegen, wurde vom Ministerium nicht verworfen, sondern nur die Ansammlung größerer Mittel angerathen. Auch die sittlichen Folgen, welche eine erweiterte Befitzsähigkeit auf die niederen israelitischen Classen üben dürfte, die Minderung der bekannten Erwerbsunruhe, die He¬ bung des Patriotismus werden von der Regierung unbedingt bejaht. Ueber- flüssig wäre es deshalb, die Negierung auf die Inconsequenz ihrer Handlungs¬ weise aufmerksam zu machen, daß sie den landwirtschaftlichen Interessen nachtheilig findet, was ihr für die industriellen förderlich dünkt, oder das Verkehrte dieser beschränkenden Maßregeln zu betonen, die, wenn sie von der Furcht, die Landbevölkerung könnte in eine allzugroße Abhängigkeit von den Juden gerathen, dictirt sind, gradezu hervorrufen, was sie vermeiden wollen. Die Korn- und Branntweinjuden, die ländlichen Makler und Händler blühen am üppigsten bei einer solchen vorurtheilsvoller Politik. Alles das weiß die Negierung und erkennt es an. Unwillkürlich taucht die Frage nach den Ein¬ flüssen, welche jenen beschränkenden Maßregeln Dauer verleihen, wieder auf. Vergessen wir nicht, daß auch die Protestanten in Oestreich zu einer beschränk¬ ten Besitzfähigkeit verurtheilt sind. Nicht, weil die Juden Juden, sondern weil sie nicht römisch-katholisch sind, werden ihre Rechte in die engsten Gren¬ zen gewiesen. Eine doppelte, scharf entgegengesetzte Strömung durchzieht die innere Politik Oestreichs. Während im Polizei- und Handelsministerium das liberale Element vorherrscht, sind andere Verwaltungszweige Mächten und Einflüssen, die wir nicht näher zu bezeichnen brauchen, unterworfen. Wäre die Frage der jüdischen Besitzfähigkeit vom Polizei- oder Handelsminister zu entscheiden, sie wäre längst zu Gunsten der Jsraeliten gelöst. Haben ja doch die beiden Minister selbst, Herr von Kempen und Brück einen ähnlichen Bann zu dulden, und bleibt ihnen als Protestanten ein Ankauf z. B. in Tirol unter¬ sagt. So aber liegt die Entscheidung in anderen Händen, und ist nur die Hoffnung übrig, daß die ultramontanen Einflüsse bald zum Heil der Ver¬ waltung in ihre natürlichen Grenzen zurückgewiesen werden. Kein Geld, keine Jesuiten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/378
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/378>, abgerufen am 22.07.2024.