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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Griechen entstanden und meist so eingerichtet, daß sie auch der Zukunft genü¬
gen werden. Dahin gehört die Universität (^I-^utar^-ol'), durch Baron
Sina gegründet und auch für die außerhalb des Königreichs wohnenden Grie¬
chen mit Stiftungen bedacht. Sie hat gegenwärtig gegen 700 Studenten.
Die Professoren haben ihre Bildung meist in Deutschland empfangen. Einer
der Theologen trägt sogar Dogmatik nach Schleiermacher vor. die sich seltsam
neben der orthodoxen Lehre aufnehmen muß. welche die Herren Studiosen
aus der Schule mitbringe!?. Ferner gehört hierher das kurz vor meiner An¬
kunft eröffnete Polytechnicum, die nautische Schule, ein Waisenhaus sür Knaben
und eines für Mädchen, ein Spital für Blinde, ein Irrenhaus und ein bota¬
nischer Garten. Ein passendes Theater sollte gebaut werden, doch war man
aus Geldmangel nicht über die Anfänge hinausgekommen. Den Thaliatempel,
den man bis jetzt benutzte, und in welchem einige Tage vor unserm Ein¬
treffen Schillers "Kabale und Liebe" gegcgeben worden war, kann man nur
ein Noththcater nennen.




Literatur.

Pallas Athene. Eine mythologische Abhandlung von H. I. Otto. Nord-
hausen. A. Büchting. -- Der Verfasser gehört der Schule an, welche in den grie¬
chischen Göttern nichts als Naturerscheinungen sieht. Apollo ist das Sonnenlicht,
Vacchos die Wärme, Herakles der Magnetismus, Herc die Lust, Pallas Athene
"offenbar ein in den obern Regionen der Atmosphäre schnell aufflackerndes gro߬
artiges feuerstrahlendes Meteor -- das Nordlicht".-- Parthcnos, Jungfrau, ist sie,
"weil sie wie ein schamhaftes Mädchen erröthet. wenn ihr purpurnes Licht den
Himmel färbt." --

Die Tempelsculpturen aus der Schule des Phidias im britischen
Museum. Dargestellt von Dr. Chr. seniler. Hamburg, O. Meißner. -- Die Be¬
schreibungen der einzelnen Kunstwerke sind meist gelungen, Einzelnes sogar mit fein¬
ster Anschaulichkeit geschildert. Dagegen erinnert der Versasser, wenn er zu raison-
niren anfängt, häufig an die schwülstige Manier Vischers. Man lese unter andernu
"Auf dem Echinus liegt die viereckige Deckplatte des Abalus, der mit seinen Ecken
weit über die Rundung hervorragt. Man wird beim Anblick der sich entgcgcnstem-
mcnden Kraft des Echinus an den helvcnmüthigen Widerstand des Leonidas in den
Thermopylen gegen die massenhafte Wucht der hcranstürmcnden Perscrscharcn er¬
innert." Wir sagen hierzu: Man wird daran nicht erinnert, sondern man macht
sich dieses Gleichniß später zurecht, wenn man geistreich sein will.




Verantwortlicher Nedncteur: D, Moritz Busch -- Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

Griechen entstanden und meist so eingerichtet, daß sie auch der Zukunft genü¬
gen werden. Dahin gehört die Universität (^I-^utar^-ol'), durch Baron
Sina gegründet und auch für die außerhalb des Königreichs wohnenden Grie¬
chen mit Stiftungen bedacht. Sie hat gegenwärtig gegen 700 Studenten.
Die Professoren haben ihre Bildung meist in Deutschland empfangen. Einer
der Theologen trägt sogar Dogmatik nach Schleiermacher vor. die sich seltsam
neben der orthodoxen Lehre aufnehmen muß. welche die Herren Studiosen
aus der Schule mitbringe!?. Ferner gehört hierher das kurz vor meiner An¬
kunft eröffnete Polytechnicum, die nautische Schule, ein Waisenhaus sür Knaben
und eines für Mädchen, ein Spital für Blinde, ein Irrenhaus und ein bota¬
nischer Garten. Ein passendes Theater sollte gebaut werden, doch war man
aus Geldmangel nicht über die Anfänge hinausgekommen. Den Thaliatempel,
den man bis jetzt benutzte, und in welchem einige Tage vor unserm Ein¬
treffen Schillers „Kabale und Liebe" gegcgeben worden war, kann man nur
ein Noththcater nennen.




Literatur.

Pallas Athene. Eine mythologische Abhandlung von H. I. Otto. Nord-
hausen. A. Büchting. — Der Verfasser gehört der Schule an, welche in den grie¬
chischen Göttern nichts als Naturerscheinungen sieht. Apollo ist das Sonnenlicht,
Vacchos die Wärme, Herakles der Magnetismus, Herc die Lust, Pallas Athene
„offenbar ein in den obern Regionen der Atmosphäre schnell aufflackerndes gro߬
artiges feuerstrahlendes Meteor — das Nordlicht".— Parthcnos, Jungfrau, ist sie,
„weil sie wie ein schamhaftes Mädchen erröthet. wenn ihr purpurnes Licht den
Himmel färbt." —

Die Tempelsculpturen aus der Schule des Phidias im britischen
Museum. Dargestellt von Dr. Chr. seniler. Hamburg, O. Meißner. — Die Be¬
schreibungen der einzelnen Kunstwerke sind meist gelungen, Einzelnes sogar mit fein¬
ster Anschaulichkeit geschildert. Dagegen erinnert der Versasser, wenn er zu raison-
niren anfängt, häufig an die schwülstige Manier Vischers. Man lese unter andernu
„Auf dem Echinus liegt die viereckige Deckplatte des Abalus, der mit seinen Ecken
weit über die Rundung hervorragt. Man wird beim Anblick der sich entgcgcnstem-
mcnden Kraft des Echinus an den helvcnmüthigen Widerstand des Leonidas in den
Thermopylen gegen die massenhafte Wucht der hcranstürmcnden Perscrscharcn er¬
innert." Wir sagen hierzu: Man wird daran nicht erinnert, sondern man macht
sich dieses Gleichniß später zurecht, wenn man geistreich sein will.




Verantwortlicher Nedncteur: D, Moritz Busch — Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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[0368] Griechen entstanden und meist so eingerichtet, daß sie auch der Zukunft genü¬ gen werden. Dahin gehört die Universität (^I-^utar^-ol'), durch Baron Sina gegründet und auch für die außerhalb des Königreichs wohnenden Grie¬ chen mit Stiftungen bedacht. Sie hat gegenwärtig gegen 700 Studenten. Die Professoren haben ihre Bildung meist in Deutschland empfangen. Einer der Theologen trägt sogar Dogmatik nach Schleiermacher vor. die sich seltsam neben der orthodoxen Lehre aufnehmen muß. welche die Herren Studiosen aus der Schule mitbringe!?. Ferner gehört hierher das kurz vor meiner An¬ kunft eröffnete Polytechnicum, die nautische Schule, ein Waisenhaus sür Knaben und eines für Mädchen, ein Spital für Blinde, ein Irrenhaus und ein bota¬ nischer Garten. Ein passendes Theater sollte gebaut werden, doch war man aus Geldmangel nicht über die Anfänge hinausgekommen. Den Thaliatempel, den man bis jetzt benutzte, und in welchem einige Tage vor unserm Ein¬ treffen Schillers „Kabale und Liebe" gegcgeben worden war, kann man nur ein Noththcater nennen. Literatur. Pallas Athene. Eine mythologische Abhandlung von H. I. Otto. Nord- hausen. A. Büchting. — Der Verfasser gehört der Schule an, welche in den grie¬ chischen Göttern nichts als Naturerscheinungen sieht. Apollo ist das Sonnenlicht, Vacchos die Wärme, Herakles der Magnetismus, Herc die Lust, Pallas Athene „offenbar ein in den obern Regionen der Atmosphäre schnell aufflackerndes gro߬ artiges feuerstrahlendes Meteor — das Nordlicht".— Parthcnos, Jungfrau, ist sie, „weil sie wie ein schamhaftes Mädchen erröthet. wenn ihr purpurnes Licht den Himmel färbt." — Die Tempelsculpturen aus der Schule des Phidias im britischen Museum. Dargestellt von Dr. Chr. seniler. Hamburg, O. Meißner. — Die Be¬ schreibungen der einzelnen Kunstwerke sind meist gelungen, Einzelnes sogar mit fein¬ ster Anschaulichkeit geschildert. Dagegen erinnert der Versasser, wenn er zu raison- niren anfängt, häufig an die schwülstige Manier Vischers. Man lese unter andernu „Auf dem Echinus liegt die viereckige Deckplatte des Abalus, der mit seinen Ecken weit über die Rundung hervorragt. Man wird beim Anblick der sich entgcgcnstem- mcnden Kraft des Echinus an den helvcnmüthigen Widerstand des Leonidas in den Thermopylen gegen die massenhafte Wucht der hcranstürmcnden Perscrscharcn er¬ innert." Wir sagen hierzu: Man wird daran nicht erinnert, sondern man macht sich dieses Gleichniß später zurecht, wenn man geistreich sein will. Verantwortlicher Nedncteur: D, Moritz Busch — Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/368>, abgerufen am 22.07.2024.