Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Interesse für den Kunsthistoriker. Zu den letzteren gehören vorzüglich die bei¬
den Apollobildcr in der Nordwestecke. Das eine wurde auf der Insel Thera.
das andere auf Naxos gefunden. Jenes ist von gewöhnlicher Mannesgröße
und bis auf die fehlenden Füße wohl erhalten. Es gehört der Kunstperiode
an. wo das Geheimniß, Bewegung und Leben in die Ruhe der Steinbilder
zu bringen, noch nicht entdeckt war und erinnert lebhaft an ägyptische Sculp-
turen. In steifer Regelmäßigkeit ringeln sich die Locken um Stirn und Nacken,
steif ist das Lächeln, das um die scharfgcschnittcnen Lippen schwebt, steif sind
die am Körper anliegenden Arme und nur sehr wenig tritt das eine Bein
vor das andere heraus. Aehnlich ist die andere Statue, welche kleiner und
weniger sorgfältig ausgeführt ist. Aus späterer, schon mehr künstlerisch gebil¬
deter Zeit stammt der über 6 Fuß hohe Grabpfeiler mit dem Reliefbild eines
gepanzerten Mannes, den die Inschrift an der Basis Aristion nennt. Dieser
Pfeiler wurde in der Nähe von Marathon gefunden, weshalb man die Figur
als den marathonischen Kämpfer bezeichnet hat. Besonders interessant sind die
Spuren von Bemalung auf dem Marmor: die "Grundfläche war dunkelroth
gefärbt, auf dem Harnisch zeigen sich gelbe und röthliche Verzierungen, ein
Blitz. Sterne, ein Löwenkopf. Mäanderlinicn u. a. in. Das Museum ist
überhaupt ziemlich reich an Resten von Grabdenkmälern, unter denen sich vor¬
züglich mehre größere mit Hautreliefsiguren. die Stelen mit prächtigem Blätter¬
schmuck und die sogenannten marathonischen Marmorvasen auszeichnen. Eine
vortreffliche Arbeit ist die große guterhaltene Hermesstatue, die von Tatarei
in der Nähe von Lamia hierher geliefert worden ist. Ein leichter zusammen¬
gefalteter Mantel fällt von der linken Schulter herab über den Arm. In
meisterhafter Weise ist das Ebenmaß des muskulösen Körpers dargestellt.
Eine ähnliche Statue, die indeß nicht so gut conservirt ist, steht an der Thür.
Sehr schön ist ferner ein kolossaler weiblicher Torso, den man nach dem schmerz¬
lichen Zug um den Mund für eine Niobe halten möchte. Sodann mag die
kleine Pansstatue an der südlichen Wand erwähnt werden. Auf derselben
Seite befinden sich auch die im Pirüus gefundenen Inschriften, die Böckh An¬
laß zu seinerv berühmten Abhandlung über das Seewesen der alten Athener
gaben. Endlich sei noch der im Opisthodomos aufgestellte große schwarze
Marmorblock von Thera genannt, dessen Inschrift die ältesten Buchstaben
Zeigt, deren sich Griechenland bediente. Vor dem Tempel liegen ebenfalls
noch mehre Jnschriftsteine. von denen einer den Kaiser Hndricm den olympi¬
schen nennt. Ferner trifft man hier einen großen Sarkophag aus römischer
Zeit und daneben eine Statue des Zeus mit dem Adler von guter Arbeit.
Auf dem Postamente vor den Marmorsitzen endlich steht eine überlebensgroße
Siegesgöttin, die in Megara gefunden worden sein soll, und ebenfalls meister¬
haft ausgeführt, aber leider sehr beschädigt ist.


Grenzboten III. iZgg. - 45

Interesse für den Kunsthistoriker. Zu den letzteren gehören vorzüglich die bei¬
den Apollobildcr in der Nordwestecke. Das eine wurde auf der Insel Thera.
das andere auf Naxos gefunden. Jenes ist von gewöhnlicher Mannesgröße
und bis auf die fehlenden Füße wohl erhalten. Es gehört der Kunstperiode
an. wo das Geheimniß, Bewegung und Leben in die Ruhe der Steinbilder
zu bringen, noch nicht entdeckt war und erinnert lebhaft an ägyptische Sculp-
turen. In steifer Regelmäßigkeit ringeln sich die Locken um Stirn und Nacken,
steif ist das Lächeln, das um die scharfgcschnittcnen Lippen schwebt, steif sind
die am Körper anliegenden Arme und nur sehr wenig tritt das eine Bein
vor das andere heraus. Aehnlich ist die andere Statue, welche kleiner und
weniger sorgfältig ausgeführt ist. Aus späterer, schon mehr künstlerisch gebil¬
deter Zeit stammt der über 6 Fuß hohe Grabpfeiler mit dem Reliefbild eines
gepanzerten Mannes, den die Inschrift an der Basis Aristion nennt. Dieser
Pfeiler wurde in der Nähe von Marathon gefunden, weshalb man die Figur
als den marathonischen Kämpfer bezeichnet hat. Besonders interessant sind die
Spuren von Bemalung auf dem Marmor: die "Grundfläche war dunkelroth
gefärbt, auf dem Harnisch zeigen sich gelbe und röthliche Verzierungen, ein
Blitz. Sterne, ein Löwenkopf. Mäanderlinicn u. a. in. Das Museum ist
überhaupt ziemlich reich an Resten von Grabdenkmälern, unter denen sich vor¬
züglich mehre größere mit Hautreliefsiguren. die Stelen mit prächtigem Blätter¬
schmuck und die sogenannten marathonischen Marmorvasen auszeichnen. Eine
vortreffliche Arbeit ist die große guterhaltene Hermesstatue, die von Tatarei
in der Nähe von Lamia hierher geliefert worden ist. Ein leichter zusammen¬
gefalteter Mantel fällt von der linken Schulter herab über den Arm. In
meisterhafter Weise ist das Ebenmaß des muskulösen Körpers dargestellt.
Eine ähnliche Statue, die indeß nicht so gut conservirt ist, steht an der Thür.
Sehr schön ist ferner ein kolossaler weiblicher Torso, den man nach dem schmerz¬
lichen Zug um den Mund für eine Niobe halten möchte. Sodann mag die
kleine Pansstatue an der südlichen Wand erwähnt werden. Auf derselben
Seite befinden sich auch die im Pirüus gefundenen Inschriften, die Böckh An¬
laß zu seinerv berühmten Abhandlung über das Seewesen der alten Athener
gaben. Endlich sei noch der im Opisthodomos aufgestellte große schwarze
Marmorblock von Thera genannt, dessen Inschrift die ältesten Buchstaben
Zeigt, deren sich Griechenland bediente. Vor dem Tempel liegen ebenfalls
noch mehre Jnschriftsteine. von denen einer den Kaiser Hndricm den olympi¬
schen nennt. Ferner trifft man hier einen großen Sarkophag aus römischer
Zeit und daneben eine Statue des Zeus mit dem Adler von guter Arbeit.
Auf dem Postamente vor den Marmorsitzen endlich steht eine überlebensgroße
Siegesgöttin, die in Megara gefunden worden sein soll, und ebenfalls meister¬
haft ausgeführt, aber leider sehr beschädigt ist.


Grenzboten III. iZgg. - 45
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0361" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/106172"/>
            <p xml:id="ID_999" prev="#ID_998"> Interesse für den Kunsthistoriker. Zu den letzteren gehören vorzüglich die bei¬<lb/>
den Apollobildcr in der Nordwestecke. Das eine wurde auf der Insel Thera.<lb/>
das andere auf Naxos gefunden. Jenes ist von gewöhnlicher Mannesgröße<lb/>
und bis auf die fehlenden Füße wohl erhalten. Es gehört der Kunstperiode<lb/>
an. wo das Geheimniß, Bewegung und Leben in die Ruhe der Steinbilder<lb/>
zu bringen, noch nicht entdeckt war und erinnert lebhaft an ägyptische Sculp-<lb/>
turen. In steifer Regelmäßigkeit ringeln sich die Locken um Stirn und Nacken,<lb/>
steif ist das Lächeln, das um die scharfgcschnittcnen Lippen schwebt, steif sind<lb/>
die am Körper anliegenden Arme und nur sehr wenig tritt das eine Bein<lb/>
vor das andere heraus. Aehnlich ist die andere Statue, welche kleiner und<lb/>
weniger sorgfältig ausgeführt ist. Aus späterer, schon mehr künstlerisch gebil¬<lb/>
deter Zeit stammt der über 6 Fuß hohe Grabpfeiler mit dem Reliefbild eines<lb/>
gepanzerten Mannes, den die Inschrift an der Basis Aristion nennt. Dieser<lb/>
Pfeiler wurde in der Nähe von Marathon gefunden, weshalb man die Figur<lb/>
als den marathonischen Kämpfer bezeichnet hat. Besonders interessant sind die<lb/>
Spuren von Bemalung auf dem Marmor: die "Grundfläche war dunkelroth<lb/>
gefärbt, auf dem Harnisch zeigen sich gelbe und röthliche Verzierungen, ein<lb/>
Blitz. Sterne, ein Löwenkopf. Mäanderlinicn u. a. in. Das Museum ist<lb/>
überhaupt ziemlich reich an Resten von Grabdenkmälern, unter denen sich vor¬<lb/>
züglich mehre größere mit Hautreliefsiguren. die Stelen mit prächtigem Blätter¬<lb/>
schmuck und die sogenannten marathonischen Marmorvasen auszeichnen. Eine<lb/>
vortreffliche Arbeit ist die große guterhaltene Hermesstatue, die von Tatarei<lb/>
in der Nähe von Lamia hierher geliefert worden ist. Ein leichter zusammen¬<lb/>
gefalteter Mantel fällt von der linken Schulter herab über den Arm. In<lb/>
meisterhafter Weise ist das Ebenmaß des muskulösen Körpers dargestellt.<lb/>
Eine ähnliche Statue, die indeß nicht so gut conservirt ist, steht an der Thür.<lb/>
Sehr schön ist ferner ein kolossaler weiblicher Torso, den man nach dem schmerz¬<lb/>
lichen Zug um den Mund für eine Niobe halten möchte. Sodann mag die<lb/>
kleine Pansstatue an der südlichen Wand erwähnt werden. Auf derselben<lb/>
Seite befinden sich auch die im Pirüus gefundenen Inschriften, die Böckh An¬<lb/>
laß zu seinerv berühmten Abhandlung über das Seewesen der alten Athener<lb/>
gaben. Endlich sei noch der im Opisthodomos aufgestellte große schwarze<lb/>
Marmorblock von Thera genannt, dessen Inschrift die ältesten Buchstaben<lb/>
Zeigt, deren sich Griechenland bediente. Vor dem Tempel liegen ebenfalls<lb/>
noch mehre Jnschriftsteine. von denen einer den Kaiser Hndricm den olympi¬<lb/>
schen nennt. Ferner trifft man hier einen großen Sarkophag aus römischer<lb/>
Zeit und daneben eine Statue des Zeus mit dem Adler von guter Arbeit.<lb/>
Auf dem Postamente vor den Marmorsitzen endlich steht eine überlebensgroße<lb/>
Siegesgöttin, die in Megara gefunden worden sein soll, und ebenfalls meister¬<lb/>
haft ausgeführt, aber leider sehr beschädigt ist.</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. iZgg. - 45</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0361] Interesse für den Kunsthistoriker. Zu den letzteren gehören vorzüglich die bei¬ den Apollobildcr in der Nordwestecke. Das eine wurde auf der Insel Thera. das andere auf Naxos gefunden. Jenes ist von gewöhnlicher Mannesgröße und bis auf die fehlenden Füße wohl erhalten. Es gehört der Kunstperiode an. wo das Geheimniß, Bewegung und Leben in die Ruhe der Steinbilder zu bringen, noch nicht entdeckt war und erinnert lebhaft an ägyptische Sculp- turen. In steifer Regelmäßigkeit ringeln sich die Locken um Stirn und Nacken, steif ist das Lächeln, das um die scharfgcschnittcnen Lippen schwebt, steif sind die am Körper anliegenden Arme und nur sehr wenig tritt das eine Bein vor das andere heraus. Aehnlich ist die andere Statue, welche kleiner und weniger sorgfältig ausgeführt ist. Aus späterer, schon mehr künstlerisch gebil¬ deter Zeit stammt der über 6 Fuß hohe Grabpfeiler mit dem Reliefbild eines gepanzerten Mannes, den die Inschrift an der Basis Aristion nennt. Dieser Pfeiler wurde in der Nähe von Marathon gefunden, weshalb man die Figur als den marathonischen Kämpfer bezeichnet hat. Besonders interessant sind die Spuren von Bemalung auf dem Marmor: die "Grundfläche war dunkelroth gefärbt, auf dem Harnisch zeigen sich gelbe und röthliche Verzierungen, ein Blitz. Sterne, ein Löwenkopf. Mäanderlinicn u. a. in. Das Museum ist überhaupt ziemlich reich an Resten von Grabdenkmälern, unter denen sich vor¬ züglich mehre größere mit Hautreliefsiguren. die Stelen mit prächtigem Blätter¬ schmuck und die sogenannten marathonischen Marmorvasen auszeichnen. Eine vortreffliche Arbeit ist die große guterhaltene Hermesstatue, die von Tatarei in der Nähe von Lamia hierher geliefert worden ist. Ein leichter zusammen¬ gefalteter Mantel fällt von der linken Schulter herab über den Arm. In meisterhafter Weise ist das Ebenmaß des muskulösen Körpers dargestellt. Eine ähnliche Statue, die indeß nicht so gut conservirt ist, steht an der Thür. Sehr schön ist ferner ein kolossaler weiblicher Torso, den man nach dem schmerz¬ lichen Zug um den Mund für eine Niobe halten möchte. Sodann mag die kleine Pansstatue an der südlichen Wand erwähnt werden. Auf derselben Seite befinden sich auch die im Pirüus gefundenen Inschriften, die Böckh An¬ laß zu seinerv berühmten Abhandlung über das Seewesen der alten Athener gaben. Endlich sei noch der im Opisthodomos aufgestellte große schwarze Marmorblock von Thera genannt, dessen Inschrift die ältesten Buchstaben Zeigt, deren sich Griechenland bediente. Vor dem Tempel liegen ebenfalls noch mehre Jnschriftsteine. von denen einer den Kaiser Hndricm den olympi¬ schen nennt. Ferner trifft man hier einen großen Sarkophag aus römischer Zeit und daneben eine Statue des Zeus mit dem Adler von guter Arbeit. Auf dem Postamente vor den Marmorsitzen endlich steht eine überlebensgroße Siegesgöttin, die in Megara gefunden worden sein soll, und ebenfalls meister¬ haft ausgeführt, aber leider sehr beschädigt ist. Grenzboten III. iZgg. - 45

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/361
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/361>, abgerufen am 23.07.2024.