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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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mit einem sehr spanischen Gefühl, auch den Fürsten müsse man erst
lehren, wieder deutsch zu gehorchen und nicht zu glauben, daß
Gott allein für sie die Welt geschaffen habe", und bei dieser
Meinungsverschiedenheit kamen der Weserfürst und der Rhcinritter immer
weiter auseinander.

Ganz besonders bezeichnend ist die Art, wie Stein sich in Köln zu dem
Großherzog von Weimar stellte. Der hochgeborne Freiherr schien dem hoher
gebornen Fürsten auch nicht einen Augenblick unterlegen, ja wo von ernsten
Dingen gesprochen wurde, schien Stein immer als Fürst und der andere oft
nicht viel über dem Diener zu stehen, und der Herzog mußte sich wiederholt
Dinge sagen lassen, die eine Zurechtweisung in bester Form enthielten. Eines
Abends begann Karl August, der eben von Stuttgart gekommen und noch
warm von den Eindrücken der nächstverflossencn Wochen war, auf die würtem-
bcrger Stände zu schelten und meinte, daß sein dortiger Herr Vetter Recht
habe, die von ihnen erhobnen Ansprüche nicht zugestehen zu wollen. Er
that dies in den herkömmlichen Ausdrücken von "spitzköpfigen Schreibern und
Advocaten". Da nahm Stein das Wort: "Ew. königliche Hoheit mögen in
einigen Stücken Recht haben, ich will auch alle Künste und Kniffe der Schreiber
und Advocaten in der Welt nicht vertreten. Aber Ew. H. sprechen und em¬
pfinden hier wie ein Fürst; der König von Würtemberg darf aber nicht ver¬
gessen, daß Napoleon ihm nicht schenken konnte, was nicht sein war. Die
Würtenberger, die Städte und ihre Bürgermeister und Schreiber haben den
kleinen Grafen von Teck zum Herzog gemacht, indem sie den Reichsadel und
die Reichsunmittelbaren ausgekauft und weggekauft und das Gebiet erworben
und abgerundet haben. Sie hatten ihre ständischen Rechte und Freiheiten,
und die verlangen und fordern sie wieder."

Eine weit nachdrücklichere Zurechtweisung zog sich der Großherzog be¬
kanntlich von Stein bei einem Gespräch über Zacharias Werner zu, wo die
königliche Hoheit auf die Bemerkung Steins, Werners cynische Ansicht vom
weiblichen Geschlecht sei eine fürstliche, den Freiherrn errinnern zu dürfen
glaubte, daß auch er wol nicht immer wie Joseph gelebt habe.

Ging Stein mit Fürsten so rücksichtslos um, so waren vornehme Privat¬
personen noch weniger vor seinem Freimuth sicher. "Er mag kommen," läßt
er dem in Berlin viel geltenden Fürsten Wittgenstein, der sich ihm anmeldete,
sagen, "aber er wird mirs' nicht übel nehmen, wenn ich ihn die Treppe hinab¬
werfen lasse." Aehnlich ging es jenem Grafen Reisach, und sehr übel wurde
von ihm der bairische Heros Fürst Wrede behandelt. Wir geben die Ge¬
schichte, die sich neben dem Denkmal, welches man dem Herrn später setzte,
eher wie alles Andere als wie eine Ehrensäule ausnimmt, als Beitrag
zum Verständniß des Charakters des Bielgefeierten.


mit einem sehr spanischen Gefühl, auch den Fürsten müsse man erst
lehren, wieder deutsch zu gehorchen und nicht zu glauben, daß
Gott allein für sie die Welt geschaffen habe", und bei dieser
Meinungsverschiedenheit kamen der Weserfürst und der Rhcinritter immer
weiter auseinander.

Ganz besonders bezeichnend ist die Art, wie Stein sich in Köln zu dem
Großherzog von Weimar stellte. Der hochgeborne Freiherr schien dem hoher
gebornen Fürsten auch nicht einen Augenblick unterlegen, ja wo von ernsten
Dingen gesprochen wurde, schien Stein immer als Fürst und der andere oft
nicht viel über dem Diener zu stehen, und der Herzog mußte sich wiederholt
Dinge sagen lassen, die eine Zurechtweisung in bester Form enthielten. Eines
Abends begann Karl August, der eben von Stuttgart gekommen und noch
warm von den Eindrücken der nächstverflossencn Wochen war, auf die würtem-
bcrger Stände zu schelten und meinte, daß sein dortiger Herr Vetter Recht
habe, die von ihnen erhobnen Ansprüche nicht zugestehen zu wollen. Er
that dies in den herkömmlichen Ausdrücken von „spitzköpfigen Schreibern und
Advocaten". Da nahm Stein das Wort: „Ew. königliche Hoheit mögen in
einigen Stücken Recht haben, ich will auch alle Künste und Kniffe der Schreiber
und Advocaten in der Welt nicht vertreten. Aber Ew. H. sprechen und em¬
pfinden hier wie ein Fürst; der König von Würtemberg darf aber nicht ver¬
gessen, daß Napoleon ihm nicht schenken konnte, was nicht sein war. Die
Würtenberger, die Städte und ihre Bürgermeister und Schreiber haben den
kleinen Grafen von Teck zum Herzog gemacht, indem sie den Reichsadel und
die Reichsunmittelbaren ausgekauft und weggekauft und das Gebiet erworben
und abgerundet haben. Sie hatten ihre ständischen Rechte und Freiheiten,
und die verlangen und fordern sie wieder."

Eine weit nachdrücklichere Zurechtweisung zog sich der Großherzog be¬
kanntlich von Stein bei einem Gespräch über Zacharias Werner zu, wo die
königliche Hoheit auf die Bemerkung Steins, Werners cynische Ansicht vom
weiblichen Geschlecht sei eine fürstliche, den Freiherrn errinnern zu dürfen
glaubte, daß auch er wol nicht immer wie Joseph gelebt habe.

Ging Stein mit Fürsten so rücksichtslos um, so waren vornehme Privat¬
personen noch weniger vor seinem Freimuth sicher. „Er mag kommen," läßt
er dem in Berlin viel geltenden Fürsten Wittgenstein, der sich ihm anmeldete,
sagen, „aber er wird mirs' nicht übel nehmen, wenn ich ihn die Treppe hinab¬
werfen lasse." Aehnlich ging es jenem Grafen Reisach, und sehr übel wurde
von ihm der bairische Heros Fürst Wrede behandelt. Wir geben die Ge¬
schichte, die sich neben dem Denkmal, welches man dem Herrn später setzte,
eher wie alles Andere als wie eine Ehrensäule ausnimmt, als Beitrag
zum Verständniß des Charakters des Bielgefeierten.


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[0352] mit einem sehr spanischen Gefühl, auch den Fürsten müsse man erst lehren, wieder deutsch zu gehorchen und nicht zu glauben, daß Gott allein für sie die Welt geschaffen habe", und bei dieser Meinungsverschiedenheit kamen der Weserfürst und der Rhcinritter immer weiter auseinander. Ganz besonders bezeichnend ist die Art, wie Stein sich in Köln zu dem Großherzog von Weimar stellte. Der hochgeborne Freiherr schien dem hoher gebornen Fürsten auch nicht einen Augenblick unterlegen, ja wo von ernsten Dingen gesprochen wurde, schien Stein immer als Fürst und der andere oft nicht viel über dem Diener zu stehen, und der Herzog mußte sich wiederholt Dinge sagen lassen, die eine Zurechtweisung in bester Form enthielten. Eines Abends begann Karl August, der eben von Stuttgart gekommen und noch warm von den Eindrücken der nächstverflossencn Wochen war, auf die würtem- bcrger Stände zu schelten und meinte, daß sein dortiger Herr Vetter Recht habe, die von ihnen erhobnen Ansprüche nicht zugestehen zu wollen. Er that dies in den herkömmlichen Ausdrücken von „spitzköpfigen Schreibern und Advocaten". Da nahm Stein das Wort: „Ew. königliche Hoheit mögen in einigen Stücken Recht haben, ich will auch alle Künste und Kniffe der Schreiber und Advocaten in der Welt nicht vertreten. Aber Ew. H. sprechen und em¬ pfinden hier wie ein Fürst; der König von Würtemberg darf aber nicht ver¬ gessen, daß Napoleon ihm nicht schenken konnte, was nicht sein war. Die Würtenberger, die Städte und ihre Bürgermeister und Schreiber haben den kleinen Grafen von Teck zum Herzog gemacht, indem sie den Reichsadel und die Reichsunmittelbaren ausgekauft und weggekauft und das Gebiet erworben und abgerundet haben. Sie hatten ihre ständischen Rechte und Freiheiten, und die verlangen und fordern sie wieder." Eine weit nachdrücklichere Zurechtweisung zog sich der Großherzog be¬ kanntlich von Stein bei einem Gespräch über Zacharias Werner zu, wo die königliche Hoheit auf die Bemerkung Steins, Werners cynische Ansicht vom weiblichen Geschlecht sei eine fürstliche, den Freiherrn errinnern zu dürfen glaubte, daß auch er wol nicht immer wie Joseph gelebt habe. Ging Stein mit Fürsten so rücksichtslos um, so waren vornehme Privat¬ personen noch weniger vor seinem Freimuth sicher. „Er mag kommen," läßt er dem in Berlin viel geltenden Fürsten Wittgenstein, der sich ihm anmeldete, sagen, „aber er wird mirs' nicht übel nehmen, wenn ich ihn die Treppe hinab¬ werfen lasse." Aehnlich ging es jenem Grafen Reisach, und sehr übel wurde von ihm der bairische Heros Fürst Wrede behandelt. Wir geben die Ge¬ schichte, die sich neben dem Denkmal, welches man dem Herrn später setzte, eher wie alles Andere als wie eine Ehrensäule ausnimmt, als Beitrag zum Verständniß des Charakters des Bielgefeierten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/352>, abgerufen am 23.07.2024.