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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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den verschiedenen Stellen, wo von ihm die Rede ist, musivisch zusammensetzen.
Als Arndt ihn das erste Mal sah, erinnerte er ihn lebhaft an Fichte. "Ja,
mein Fichte, mein alter Fichte war es. sast leibhaftig: dieselbe gedrungene Ge¬
stalt, dieselbe Stirn, die auch bei Fichte bisweilen recht hell und freundlich
glänzen konnte, dieselbe mächtige Nase bei beiden, nur mit dem Unterschied,
daß dieser mächtige Schnabel bei Fichte in die Welt hineinstieß als die da
noch suchte, bei Stein aber wie bei einem, der sein Festes, worauf er stoßen
sollte, schon gefunden hatte. Leide konnten.freundlich sein, Stein noch viel
freundlicher als Fichte; in beiden ein tiefer Ernst und zuweilen auch eine schreck¬
liche Furchtbarkeit des Blickes, der bei dem Sohn des deutschen Ritters ge¬
legentlich doch viel schrecklicher war, als bei dem Sohn des armen lausitzer
Webers." Er war, "ein rechter Kurzbold", dem Gedrungemm näher als dem
Schlanken, "der Leib stark und mit breiten deutschen Schultern, Beine und
Schenkel wohl gerundet, die Füße mit scharfer Rist, alles zugleich stark und
fein, wie von altem Geschlecht, dessen er war; seine Stellung wie sein Schritt
fest und gleich. Auf diesem Leibe ruhte ein stattliches Haupt, eine breite, sehr
zurückgeschlagene Eselsstirne, wie die Künstler sagen, daß der große Mann
sie häufig haben solle", darunter trat eine mächtige Adlernase hervor, und
unter dieser sah man einen fein geschlossenen Mund und ein Kinn, das ein
wenig zu lang und zu spitz war. Seine Augen waren braun, wie Goethes
Augen, "nur mit dem Unterschiede, daß das Gocthische Auge breit und offen
meist in mildem Glänze um sich und auf die Menschen herabschaute, das
Steinsche, kleiner und schärfer, mehr funkelte als leuchtete und oft auch sehr
blitzte." Auf seinem Gesicht spiegelten sich auch bei der heftigsten Seelcn-
bcwegung gleichsam zwei verschiedene Menschen ab. "Seine Stirn, meistens
auch sein Blick wurden von dem Nebelgewölk des Verdrusses oder vollends
von den düstern Donnerwolken des Zornes selten überzogen, dort leuchtete
fast immer verkläre heitere Olymp eines herrschenden, bewußten Geistes; unten
aber, um Wangen, Mund und Kinn, zuckten die heftigen, empörten Triebe,
die wol an einen Löwengrimm mahnen konnten. Fast immer trat er die
Menschen, auch die gewöhnlichen, mit sehr freundlichem Ernst an, aber seine
Geberde erfüllte doch die meisten mit Blödigkeit und Verlegenheit. Er war
durch Gott ein Mensch des Sturmwindes, der rein fegen und niederstürzen
sollte, aber es war in ihm auch lieblicher Sonnenschein und fruchtbarer Re¬
gen für die Welt und sein Volk gelegt." Savigny sagte von ihm: "Welch
ein prächtiges, herrliches Sultansbild habe ich in Stein gesehen!" Arndt sagt:
"Ja es war ein imperatorischer, ein königlicher Mann, meinethalben ein
Sultansgebild -- alle Sultane sind doch nicht Menschenwürger gewesen." Es
erschien ihm oft. daß er schwer werde dienen können, daß er immer in erster
Stelle stehen niüsse. "Seiner Sturmwindsnatur und daß es in ihm oft zu


den verschiedenen Stellen, wo von ihm die Rede ist, musivisch zusammensetzen.
Als Arndt ihn das erste Mal sah, erinnerte er ihn lebhaft an Fichte. „Ja,
mein Fichte, mein alter Fichte war es. sast leibhaftig: dieselbe gedrungene Ge¬
stalt, dieselbe Stirn, die auch bei Fichte bisweilen recht hell und freundlich
glänzen konnte, dieselbe mächtige Nase bei beiden, nur mit dem Unterschied,
daß dieser mächtige Schnabel bei Fichte in die Welt hineinstieß als die da
noch suchte, bei Stein aber wie bei einem, der sein Festes, worauf er stoßen
sollte, schon gefunden hatte. Leide konnten.freundlich sein, Stein noch viel
freundlicher als Fichte; in beiden ein tiefer Ernst und zuweilen auch eine schreck¬
liche Furchtbarkeit des Blickes, der bei dem Sohn des deutschen Ritters ge¬
legentlich doch viel schrecklicher war, als bei dem Sohn des armen lausitzer
Webers." Er war, „ein rechter Kurzbold", dem Gedrungemm näher als dem
Schlanken, „der Leib stark und mit breiten deutschen Schultern, Beine und
Schenkel wohl gerundet, die Füße mit scharfer Rist, alles zugleich stark und
fein, wie von altem Geschlecht, dessen er war; seine Stellung wie sein Schritt
fest und gleich. Auf diesem Leibe ruhte ein stattliches Haupt, eine breite, sehr
zurückgeschlagene Eselsstirne, wie die Künstler sagen, daß der große Mann
sie häufig haben solle", darunter trat eine mächtige Adlernase hervor, und
unter dieser sah man einen fein geschlossenen Mund und ein Kinn, das ein
wenig zu lang und zu spitz war. Seine Augen waren braun, wie Goethes
Augen, „nur mit dem Unterschiede, daß das Gocthische Auge breit und offen
meist in mildem Glänze um sich und auf die Menschen herabschaute, das
Steinsche, kleiner und schärfer, mehr funkelte als leuchtete und oft auch sehr
blitzte." Auf seinem Gesicht spiegelten sich auch bei der heftigsten Seelcn-
bcwegung gleichsam zwei verschiedene Menschen ab. „Seine Stirn, meistens
auch sein Blick wurden von dem Nebelgewölk des Verdrusses oder vollends
von den düstern Donnerwolken des Zornes selten überzogen, dort leuchtete
fast immer verkläre heitere Olymp eines herrschenden, bewußten Geistes; unten
aber, um Wangen, Mund und Kinn, zuckten die heftigen, empörten Triebe,
die wol an einen Löwengrimm mahnen konnten. Fast immer trat er die
Menschen, auch die gewöhnlichen, mit sehr freundlichem Ernst an, aber seine
Geberde erfüllte doch die meisten mit Blödigkeit und Verlegenheit. Er war
durch Gott ein Mensch des Sturmwindes, der rein fegen und niederstürzen
sollte, aber es war in ihm auch lieblicher Sonnenschein und fruchtbarer Re¬
gen für die Welt und sein Volk gelegt." Savigny sagte von ihm: „Welch
ein prächtiges, herrliches Sultansbild habe ich in Stein gesehen!" Arndt sagt:
„Ja es war ein imperatorischer, ein königlicher Mann, meinethalben ein
Sultansgebild — alle Sultane sind doch nicht Menschenwürger gewesen." Es
erschien ihm oft. daß er schwer werde dienen können, daß er immer in erster
Stelle stehen niüsse. „Seiner Sturmwindsnatur und daß es in ihm oft zu


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[0349] den verschiedenen Stellen, wo von ihm die Rede ist, musivisch zusammensetzen. Als Arndt ihn das erste Mal sah, erinnerte er ihn lebhaft an Fichte. „Ja, mein Fichte, mein alter Fichte war es. sast leibhaftig: dieselbe gedrungene Ge¬ stalt, dieselbe Stirn, die auch bei Fichte bisweilen recht hell und freundlich glänzen konnte, dieselbe mächtige Nase bei beiden, nur mit dem Unterschied, daß dieser mächtige Schnabel bei Fichte in die Welt hineinstieß als die da noch suchte, bei Stein aber wie bei einem, der sein Festes, worauf er stoßen sollte, schon gefunden hatte. Leide konnten.freundlich sein, Stein noch viel freundlicher als Fichte; in beiden ein tiefer Ernst und zuweilen auch eine schreck¬ liche Furchtbarkeit des Blickes, der bei dem Sohn des deutschen Ritters ge¬ legentlich doch viel schrecklicher war, als bei dem Sohn des armen lausitzer Webers." Er war, „ein rechter Kurzbold", dem Gedrungemm näher als dem Schlanken, „der Leib stark und mit breiten deutschen Schultern, Beine und Schenkel wohl gerundet, die Füße mit scharfer Rist, alles zugleich stark und fein, wie von altem Geschlecht, dessen er war; seine Stellung wie sein Schritt fest und gleich. Auf diesem Leibe ruhte ein stattliches Haupt, eine breite, sehr zurückgeschlagene Eselsstirne, wie die Künstler sagen, daß der große Mann sie häufig haben solle", darunter trat eine mächtige Adlernase hervor, und unter dieser sah man einen fein geschlossenen Mund und ein Kinn, das ein wenig zu lang und zu spitz war. Seine Augen waren braun, wie Goethes Augen, „nur mit dem Unterschiede, daß das Gocthische Auge breit und offen meist in mildem Glänze um sich und auf die Menschen herabschaute, das Steinsche, kleiner und schärfer, mehr funkelte als leuchtete und oft auch sehr blitzte." Auf seinem Gesicht spiegelten sich auch bei der heftigsten Seelcn- bcwegung gleichsam zwei verschiedene Menschen ab. „Seine Stirn, meistens auch sein Blick wurden von dem Nebelgewölk des Verdrusses oder vollends von den düstern Donnerwolken des Zornes selten überzogen, dort leuchtete fast immer verkläre heitere Olymp eines herrschenden, bewußten Geistes; unten aber, um Wangen, Mund und Kinn, zuckten die heftigen, empörten Triebe, die wol an einen Löwengrimm mahnen konnten. Fast immer trat er die Menschen, auch die gewöhnlichen, mit sehr freundlichem Ernst an, aber seine Geberde erfüllte doch die meisten mit Blödigkeit und Verlegenheit. Er war durch Gott ein Mensch des Sturmwindes, der rein fegen und niederstürzen sollte, aber es war in ihm auch lieblicher Sonnenschein und fruchtbarer Re¬ gen für die Welt und sein Volk gelegt." Savigny sagte von ihm: „Welch ein prächtiges, herrliches Sultansbild habe ich in Stein gesehen!" Arndt sagt: „Ja es war ein imperatorischer, ein königlicher Mann, meinethalben ein Sultansgebild — alle Sultane sind doch nicht Menschenwürger gewesen." Es erschien ihm oft. daß er schwer werde dienen können, daß er immer in erster Stelle stehen niüsse. „Seiner Sturmwindsnatur und daß es in ihm oft zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/349>, abgerufen am 23.07.2024.