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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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wäre von einer eigenhändigen Zeile seiner drei Söhne. Seit acht Monaten
aber sei er ohne Lebenszeichen seiner Kinder. Ich weiß, schreibt er, daß alle
Briefe, so die Eleven an ihre Eltern schreiben, von den Vorgesetzten gelesen
werden; mithin, da meine Kinder seit so langer Zeit nicht mehr geschrieben,
so läßt sich vermuthen, daß etwas in der Akademie vorgefallen, so man nicht
wissen lassen will. "Da ich vermuthe, daß verschiedene meiner Briefe meinen
Kindern nicht zu Händen gekommen, so nehme ich mir die Freiheit, die Bei¬
lage beizuschließen, um einer Antwort sicher zu sein" ?c. Der Brief kam in
die Hände des Intendanten am 16. Dec. und wurde an demselben Tage
beantwortet.

"Mir konnte nichts unerwarteter sein, als E. W. in einem Ton sprechen
zu hören, zu dem ich gewiß wußte, daß weder ich noch die Herrn Söhne
Anlaß gegeben hatten; indem ich Dero bisheriges Schreiben jederzeit beant¬
wortet -- und deswegen nicht begreifen kann, daß keiner von denen Briefen,
welche die Herrn Söhne nacheinander unterm 8. und 26. Sept., unterm 5.
und 12. Oct. und unterm 19. und 25. Nov. theils durch fremde Durch¬
reisende, theils durch die Post nach Hause geschrieben haben, übergeben wor¬
den wäre. Aus denen äatis dieser Schreiben, von deren Richtigkeit ich
E. W. versichern kann, belieben Sie nun selbst zu ermessen, daß weder
etwas in der Akademie vorgefallen, so man nicht wissen lassen will, noch
viel weniger, daß die Vorgesetzten Hindernisse im Nachhauseschreiben in den
Weg legen." Wie wird man auf den Gedanken Lommen, daß ein Vater
seinem Sohne schädliche Briefe schreibe. In keinem Punkte bin ich mit Ihnen
mehr einverstanden als darin, daß die Hohe Schule ihre Unvollkommenheiten
habe" :c.

Ein vierter Brief vom 8. Febr. 1783 kommt in Stuttgart an den 24. Febr.
"So zufriedenstellend auch der Inhalt hätte für mich sein sollen, so wenig
ward er es in dem fortdauernden Zwang in dem Briefwechsel unserer Kinder
mit uns Eltern ?c. Wir haben darum alles angewendet, um nachzuforschen."
Er äußert sich sofort über Eleven, die sehr mittelmäßigen Anstand haben und
sich besonders durch schlechte Aussprache des Französischen nicht zum Vortheil
auszeichnen; setzt einen Termin von sechs Wochen, innerhalb welcher er Briefe
von seinen Kindern zu erhalten hofft und klagt besonders noch über einen
Vorfall mit seinem dritten Sohne, der gestraft worden, weil er kein Klätscher
werden wolle. Solche Niederträchtigkeiten werde er nie zugeben.

In sehr ausführlicher Erwiederung vom 24. Febr. 1783 sagt der Inten¬
dant: Es war mir sehr auffallend, wie E. W. noch über Zwang im Brief¬
wechsel klagen können, da doch aus dem richtigen Empfang desjenigen Briefs,
worin sich Ihr dritter Sohn über eine wohlverdiente Strafe ganz frei be¬
schwert, das Gegentheil in das Gesicht fallen muß. Es wird sodann der


Grenzboten III. 18S8. 42

wäre von einer eigenhändigen Zeile seiner drei Söhne. Seit acht Monaten
aber sei er ohne Lebenszeichen seiner Kinder. Ich weiß, schreibt er, daß alle
Briefe, so die Eleven an ihre Eltern schreiben, von den Vorgesetzten gelesen
werden; mithin, da meine Kinder seit so langer Zeit nicht mehr geschrieben,
so läßt sich vermuthen, daß etwas in der Akademie vorgefallen, so man nicht
wissen lassen will. „Da ich vermuthe, daß verschiedene meiner Briefe meinen
Kindern nicht zu Händen gekommen, so nehme ich mir die Freiheit, die Bei¬
lage beizuschließen, um einer Antwort sicher zu sein" ?c. Der Brief kam in
die Hände des Intendanten am 16. Dec. und wurde an demselben Tage
beantwortet.

„Mir konnte nichts unerwarteter sein, als E. W. in einem Ton sprechen
zu hören, zu dem ich gewiß wußte, daß weder ich noch die Herrn Söhne
Anlaß gegeben hatten; indem ich Dero bisheriges Schreiben jederzeit beant¬
wortet — und deswegen nicht begreifen kann, daß keiner von denen Briefen,
welche die Herrn Söhne nacheinander unterm 8. und 26. Sept., unterm 5.
und 12. Oct. und unterm 19. und 25. Nov. theils durch fremde Durch¬
reisende, theils durch die Post nach Hause geschrieben haben, übergeben wor¬
den wäre. Aus denen äatis dieser Schreiben, von deren Richtigkeit ich
E. W. versichern kann, belieben Sie nun selbst zu ermessen, daß weder
etwas in der Akademie vorgefallen, so man nicht wissen lassen will, noch
viel weniger, daß die Vorgesetzten Hindernisse im Nachhauseschreiben in den
Weg legen." Wie wird man auf den Gedanken Lommen, daß ein Vater
seinem Sohne schädliche Briefe schreibe. In keinem Punkte bin ich mit Ihnen
mehr einverstanden als darin, daß die Hohe Schule ihre Unvollkommenheiten
habe" :c.

Ein vierter Brief vom 8. Febr. 1783 kommt in Stuttgart an den 24. Febr.
„So zufriedenstellend auch der Inhalt hätte für mich sein sollen, so wenig
ward er es in dem fortdauernden Zwang in dem Briefwechsel unserer Kinder
mit uns Eltern ?c. Wir haben darum alles angewendet, um nachzuforschen."
Er äußert sich sofort über Eleven, die sehr mittelmäßigen Anstand haben und
sich besonders durch schlechte Aussprache des Französischen nicht zum Vortheil
auszeichnen; setzt einen Termin von sechs Wochen, innerhalb welcher er Briefe
von seinen Kindern zu erhalten hofft und klagt besonders noch über einen
Vorfall mit seinem dritten Sohne, der gestraft worden, weil er kein Klätscher
werden wolle. Solche Niederträchtigkeiten werde er nie zugeben.

In sehr ausführlicher Erwiederung vom 24. Febr. 1783 sagt der Inten¬
dant: Es war mir sehr auffallend, wie E. W. noch über Zwang im Brief¬
wechsel klagen können, da doch aus dem richtigen Empfang desjenigen Briefs,
worin sich Ihr dritter Sohn über eine wohlverdiente Strafe ganz frei be¬
schwert, das Gegentheil in das Gesicht fallen muß. Es wird sodann der


Grenzboten III. 18S8. 42
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[0337] wäre von einer eigenhändigen Zeile seiner drei Söhne. Seit acht Monaten aber sei er ohne Lebenszeichen seiner Kinder. Ich weiß, schreibt er, daß alle Briefe, so die Eleven an ihre Eltern schreiben, von den Vorgesetzten gelesen werden; mithin, da meine Kinder seit so langer Zeit nicht mehr geschrieben, so läßt sich vermuthen, daß etwas in der Akademie vorgefallen, so man nicht wissen lassen will. „Da ich vermuthe, daß verschiedene meiner Briefe meinen Kindern nicht zu Händen gekommen, so nehme ich mir die Freiheit, die Bei¬ lage beizuschließen, um einer Antwort sicher zu sein" ?c. Der Brief kam in die Hände des Intendanten am 16. Dec. und wurde an demselben Tage beantwortet. „Mir konnte nichts unerwarteter sein, als E. W. in einem Ton sprechen zu hören, zu dem ich gewiß wußte, daß weder ich noch die Herrn Söhne Anlaß gegeben hatten; indem ich Dero bisheriges Schreiben jederzeit beant¬ wortet — und deswegen nicht begreifen kann, daß keiner von denen Briefen, welche die Herrn Söhne nacheinander unterm 8. und 26. Sept., unterm 5. und 12. Oct. und unterm 19. und 25. Nov. theils durch fremde Durch¬ reisende, theils durch die Post nach Hause geschrieben haben, übergeben wor¬ den wäre. Aus denen äatis dieser Schreiben, von deren Richtigkeit ich E. W. versichern kann, belieben Sie nun selbst zu ermessen, daß weder etwas in der Akademie vorgefallen, so man nicht wissen lassen will, noch viel weniger, daß die Vorgesetzten Hindernisse im Nachhauseschreiben in den Weg legen." Wie wird man auf den Gedanken Lommen, daß ein Vater seinem Sohne schädliche Briefe schreibe. In keinem Punkte bin ich mit Ihnen mehr einverstanden als darin, daß die Hohe Schule ihre Unvollkommenheiten habe" :c. Ein vierter Brief vom 8. Febr. 1783 kommt in Stuttgart an den 24. Febr. „So zufriedenstellend auch der Inhalt hätte für mich sein sollen, so wenig ward er es in dem fortdauernden Zwang in dem Briefwechsel unserer Kinder mit uns Eltern ?c. Wir haben darum alles angewendet, um nachzuforschen." Er äußert sich sofort über Eleven, die sehr mittelmäßigen Anstand haben und sich besonders durch schlechte Aussprache des Französischen nicht zum Vortheil auszeichnen; setzt einen Termin von sechs Wochen, innerhalb welcher er Briefe von seinen Kindern zu erhalten hofft und klagt besonders noch über einen Vorfall mit seinem dritten Sohne, der gestraft worden, weil er kein Klätscher werden wolle. Solche Niederträchtigkeiten werde er nie zugeben. In sehr ausführlicher Erwiederung vom 24. Febr. 1783 sagt der Inten¬ dant: Es war mir sehr auffallend, wie E. W. noch über Zwang im Brief¬ wechsel klagen können, da doch aus dem richtigen Empfang desjenigen Briefs, worin sich Ihr dritter Sohn über eine wohlverdiente Strafe ganz frei be¬ schwert, das Gegentheil in das Gesicht fallen muß. Es wird sodann der Grenzboten III. 18S8. 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/337>, abgerufen am 23.07.2024.