Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Herzog genauer bezeichnet. Wagners Dedication mit ihrem Motto berührt
einen Punkt in Karls Leben, der jedem mit seiner Biographie Vertrauten ge¬
läufig genug ist. Wie heilet war für die Akademie das tägliche Erscheinen
Karl Eugens an der Seite der Gräfin von Hohenheim, die sein guter Ge¬
nius war, aber erst im Jahr 1786 seine Gemahlin wurde! Intendant von
Seeger war bei aller Devotion vor dem Herzog ein streng sittlicher Charakter,
und seiner Haltung dürfen wir es vorzüglich zuschreiben, daß nie auch nur
eine Spur von Gefahr aus jener Stellung des Herzogs zu Franziska für die
Akademie erwuchs. Der Intendantin kam einmal ein Billet des Herzogs an
eine Schülerin der 6co1" zu Gesicht. Die alsbaldige Einreichung ihrer Ent¬
lassung, die Karl ehrend zurückstellte, schnitt jeden weitem Versuch ab.

"Obrist von Seeger war ein durch sein Aeußeres ganz für seine Stelle
geschaffener Offizier von stattlicher Größe, regelmäßiger, angenehmer Gesichts-
bildung, dunkeln Augen, mit richtigem Blick und einem immer gleichförmigen,
gemessenen, verschlossenen, ernsten Wesen, das ganz geeignet war, den Zög¬
lingen jedes Alters zu imponiren, dabei der devoteste Diener seines Herrn."
So spricht sich Chr. H. Pfaff über ihn aus. Depot war Seeger, das kann
nicht in Abrede gestellt werden, devot in Worten und Manieren, wie es die
Sitte der damaligen Zeit gebot. Aber wir wissen aus unserm Buche, daß
er zugleich ein Mann von unbeugsamer Unparteilichkeit war, dessen Thätigkeit
unermüdlich, dessen Zuverlässigkeit in allen Obliegenheiten für den Herzog un¬
bestritten war 1. B. S. 307; und der den Muth hatte, die Freilassung und An¬
stellung Schubarts an der Karlsakademie unermüdlich Jahre lang zu befür¬
worten 1. B. S. 308.

Einige Hauptaffaircn jedoch, die der soldatische Intendant nach Wagners
Urtheil schlecht bestand, dürfen wir nicht übergehen. Es ist die schlimme Ge¬
schichte mit dem polnischen Bankier, die B. 1. S. 311 in ihren Details
entwickelt und in der Beilage No. 14. mit authentischen Belegen verificirt ist.
In seinem ersten Briefe vom 10. März 1782, einer nach Herrn Wagners Aus¬
druck "Ciceronisch oder Gellertisch schön gehaltenen Danksagung" sür die löb¬
lichen Zeugnisse der Söhne drückt der Bankier den bescheidenen Wunsch aus,
nun nach 22 Wochen wenigstens von einem seiner drei Söhne alle drei Wo¬
chen Briefe zu erhalten. Ein zweiter Brief vom 10. April enthält dieselbe
Klage und theilt Beschwerden über einzelne, der Akademie gerüchtweise zum
Vorwurf gemachte Punkte mit: das sklavische Loos der Zöglinge. Schwä¬
chung des moralischen Charakters, übertriebene Stachelung des Ehrgeizes,
stumme Sünden, schlechte Verköstigung, barbarische Strafen. Beide Briefe
sind den 29. April beantwortet von dem Intendanten. Ein dritter Brief des
Bankier vom 30. Nov. desselben Jahres erkennt die Zuschrift des Intendan¬
ten dankbar an; sie wäre jedoch noch schätzbarer, wenn sie begleitet gewesen


Herzog genauer bezeichnet. Wagners Dedication mit ihrem Motto berührt
einen Punkt in Karls Leben, der jedem mit seiner Biographie Vertrauten ge¬
läufig genug ist. Wie heilet war für die Akademie das tägliche Erscheinen
Karl Eugens an der Seite der Gräfin von Hohenheim, die sein guter Ge¬
nius war, aber erst im Jahr 1786 seine Gemahlin wurde! Intendant von
Seeger war bei aller Devotion vor dem Herzog ein streng sittlicher Charakter,
und seiner Haltung dürfen wir es vorzüglich zuschreiben, daß nie auch nur
eine Spur von Gefahr aus jener Stellung des Herzogs zu Franziska für die
Akademie erwuchs. Der Intendantin kam einmal ein Billet des Herzogs an
eine Schülerin der 6co1« zu Gesicht. Die alsbaldige Einreichung ihrer Ent¬
lassung, die Karl ehrend zurückstellte, schnitt jeden weitem Versuch ab.

„Obrist von Seeger war ein durch sein Aeußeres ganz für seine Stelle
geschaffener Offizier von stattlicher Größe, regelmäßiger, angenehmer Gesichts-
bildung, dunkeln Augen, mit richtigem Blick und einem immer gleichförmigen,
gemessenen, verschlossenen, ernsten Wesen, das ganz geeignet war, den Zög¬
lingen jedes Alters zu imponiren, dabei der devoteste Diener seines Herrn."
So spricht sich Chr. H. Pfaff über ihn aus. Depot war Seeger, das kann
nicht in Abrede gestellt werden, devot in Worten und Manieren, wie es die
Sitte der damaligen Zeit gebot. Aber wir wissen aus unserm Buche, daß
er zugleich ein Mann von unbeugsamer Unparteilichkeit war, dessen Thätigkeit
unermüdlich, dessen Zuverlässigkeit in allen Obliegenheiten für den Herzog un¬
bestritten war 1. B. S. 307; und der den Muth hatte, die Freilassung und An¬
stellung Schubarts an der Karlsakademie unermüdlich Jahre lang zu befür¬
worten 1. B. S. 308.

Einige Hauptaffaircn jedoch, die der soldatische Intendant nach Wagners
Urtheil schlecht bestand, dürfen wir nicht übergehen. Es ist die schlimme Ge¬
schichte mit dem polnischen Bankier, die B. 1. S. 311 in ihren Details
entwickelt und in der Beilage No. 14. mit authentischen Belegen verificirt ist.
In seinem ersten Briefe vom 10. März 1782, einer nach Herrn Wagners Aus¬
druck „Ciceronisch oder Gellertisch schön gehaltenen Danksagung" sür die löb¬
lichen Zeugnisse der Söhne drückt der Bankier den bescheidenen Wunsch aus,
nun nach 22 Wochen wenigstens von einem seiner drei Söhne alle drei Wo¬
chen Briefe zu erhalten. Ein zweiter Brief vom 10. April enthält dieselbe
Klage und theilt Beschwerden über einzelne, der Akademie gerüchtweise zum
Vorwurf gemachte Punkte mit: das sklavische Loos der Zöglinge. Schwä¬
chung des moralischen Charakters, übertriebene Stachelung des Ehrgeizes,
stumme Sünden, schlechte Verköstigung, barbarische Strafen. Beide Briefe
sind den 29. April beantwortet von dem Intendanten. Ein dritter Brief des
Bankier vom 30. Nov. desselben Jahres erkennt die Zuschrift des Intendan¬
ten dankbar an; sie wäre jedoch noch schätzbarer, wenn sie begleitet gewesen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0336" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/106147"/>
          <p xml:id="ID_922" prev="#ID_921"> Herzog genauer bezeichnet. Wagners Dedication mit ihrem Motto berührt<lb/>
einen Punkt in Karls Leben, der jedem mit seiner Biographie Vertrauten ge¬<lb/>
läufig genug ist. Wie heilet war für die Akademie das tägliche Erscheinen<lb/>
Karl Eugens an der Seite der Gräfin von Hohenheim, die sein guter Ge¬<lb/>
nius war, aber erst im Jahr 1786 seine Gemahlin wurde! Intendant von<lb/>
Seeger war bei aller Devotion vor dem Herzog ein streng sittlicher Charakter,<lb/>
und seiner Haltung dürfen wir es vorzüglich zuschreiben, daß nie auch nur<lb/>
eine Spur von Gefahr aus jener Stellung des Herzogs zu Franziska für die<lb/>
Akademie erwuchs. Der Intendantin kam einmal ein Billet des Herzogs an<lb/>
eine Schülerin der 6co1« zu Gesicht. Die alsbaldige Einreichung ihrer Ent¬<lb/>
lassung, die Karl ehrend zurückstellte, schnitt jeden weitem Versuch ab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_923"> &#x201E;Obrist von Seeger war ein durch sein Aeußeres ganz für seine Stelle<lb/>
geschaffener Offizier von stattlicher Größe, regelmäßiger, angenehmer Gesichts-<lb/>
bildung, dunkeln Augen, mit richtigem Blick und einem immer gleichförmigen,<lb/>
gemessenen, verschlossenen, ernsten Wesen, das ganz geeignet war, den Zög¬<lb/>
lingen jedes Alters zu imponiren, dabei der devoteste Diener seines Herrn."<lb/>
So spricht sich Chr. H. Pfaff über ihn aus. Depot war Seeger, das kann<lb/>
nicht in Abrede gestellt werden, devot in Worten und Manieren, wie es die<lb/>
Sitte der damaligen Zeit gebot. Aber wir wissen aus unserm Buche, daß<lb/>
er zugleich ein Mann von unbeugsamer Unparteilichkeit war, dessen Thätigkeit<lb/>
unermüdlich, dessen Zuverlässigkeit in allen Obliegenheiten für den Herzog un¬<lb/>
bestritten war 1. B. S. 307; und der den Muth hatte, die Freilassung und An¬<lb/>
stellung Schubarts an der Karlsakademie unermüdlich Jahre lang zu befür¬<lb/>
worten 1. B. S. 308.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_924" next="#ID_925"> Einige Hauptaffaircn jedoch, die der soldatische Intendant nach Wagners<lb/>
Urtheil schlecht bestand, dürfen wir nicht übergehen. Es ist die schlimme Ge¬<lb/>
schichte mit dem polnischen Bankier, die B. 1. S. 311 in ihren Details<lb/>
entwickelt und in der Beilage No. 14. mit authentischen Belegen verificirt ist.<lb/>
In seinem ersten Briefe vom 10. März 1782, einer nach Herrn Wagners Aus¬<lb/>
druck &#x201E;Ciceronisch oder Gellertisch schön gehaltenen Danksagung" sür die löb¬<lb/>
lichen Zeugnisse der Söhne drückt der Bankier den bescheidenen Wunsch aus,<lb/>
nun nach 22 Wochen wenigstens von einem seiner drei Söhne alle drei Wo¬<lb/>
chen Briefe zu erhalten. Ein zweiter Brief vom 10. April enthält dieselbe<lb/>
Klage und theilt Beschwerden über einzelne, der Akademie gerüchtweise zum<lb/>
Vorwurf gemachte Punkte mit: das sklavische Loos der Zöglinge. Schwä¬<lb/>
chung des moralischen Charakters, übertriebene Stachelung des Ehrgeizes,<lb/>
stumme Sünden, schlechte Verköstigung, barbarische Strafen. Beide Briefe<lb/>
sind den 29. April beantwortet von dem Intendanten. Ein dritter Brief des<lb/>
Bankier vom 30. Nov. desselben Jahres erkennt die Zuschrift des Intendan¬<lb/>
ten dankbar an; sie wäre jedoch noch schätzbarer, wenn sie begleitet gewesen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0336] Herzog genauer bezeichnet. Wagners Dedication mit ihrem Motto berührt einen Punkt in Karls Leben, der jedem mit seiner Biographie Vertrauten ge¬ läufig genug ist. Wie heilet war für die Akademie das tägliche Erscheinen Karl Eugens an der Seite der Gräfin von Hohenheim, die sein guter Ge¬ nius war, aber erst im Jahr 1786 seine Gemahlin wurde! Intendant von Seeger war bei aller Devotion vor dem Herzog ein streng sittlicher Charakter, und seiner Haltung dürfen wir es vorzüglich zuschreiben, daß nie auch nur eine Spur von Gefahr aus jener Stellung des Herzogs zu Franziska für die Akademie erwuchs. Der Intendantin kam einmal ein Billet des Herzogs an eine Schülerin der 6co1« zu Gesicht. Die alsbaldige Einreichung ihrer Ent¬ lassung, die Karl ehrend zurückstellte, schnitt jeden weitem Versuch ab. „Obrist von Seeger war ein durch sein Aeußeres ganz für seine Stelle geschaffener Offizier von stattlicher Größe, regelmäßiger, angenehmer Gesichts- bildung, dunkeln Augen, mit richtigem Blick und einem immer gleichförmigen, gemessenen, verschlossenen, ernsten Wesen, das ganz geeignet war, den Zög¬ lingen jedes Alters zu imponiren, dabei der devoteste Diener seines Herrn." So spricht sich Chr. H. Pfaff über ihn aus. Depot war Seeger, das kann nicht in Abrede gestellt werden, devot in Worten und Manieren, wie es die Sitte der damaligen Zeit gebot. Aber wir wissen aus unserm Buche, daß er zugleich ein Mann von unbeugsamer Unparteilichkeit war, dessen Thätigkeit unermüdlich, dessen Zuverlässigkeit in allen Obliegenheiten für den Herzog un¬ bestritten war 1. B. S. 307; und der den Muth hatte, die Freilassung und An¬ stellung Schubarts an der Karlsakademie unermüdlich Jahre lang zu befür¬ worten 1. B. S. 308. Einige Hauptaffaircn jedoch, die der soldatische Intendant nach Wagners Urtheil schlecht bestand, dürfen wir nicht übergehen. Es ist die schlimme Ge¬ schichte mit dem polnischen Bankier, die B. 1. S. 311 in ihren Details entwickelt und in der Beilage No. 14. mit authentischen Belegen verificirt ist. In seinem ersten Briefe vom 10. März 1782, einer nach Herrn Wagners Aus¬ druck „Ciceronisch oder Gellertisch schön gehaltenen Danksagung" sür die löb¬ lichen Zeugnisse der Söhne drückt der Bankier den bescheidenen Wunsch aus, nun nach 22 Wochen wenigstens von einem seiner drei Söhne alle drei Wo¬ chen Briefe zu erhalten. Ein zweiter Brief vom 10. April enthält dieselbe Klage und theilt Beschwerden über einzelne, der Akademie gerüchtweise zum Vorwurf gemachte Punkte mit: das sklavische Loos der Zöglinge. Schwä¬ chung des moralischen Charakters, übertriebene Stachelung des Ehrgeizes, stumme Sünden, schlechte Verköstigung, barbarische Strafen. Beide Briefe sind den 29. April beantwortet von dem Intendanten. Ein dritter Brief des Bankier vom 30. Nov. desselben Jahres erkennt die Zuschrift des Intendan¬ ten dankbar an; sie wäre jedoch noch schätzbarer, wenn sie begleitet gewesen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/336
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/336>, abgerufen am 23.07.2024.