Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

18 Millionen Thaler kosten würde, bewog die Regierung, den ursprünglichen
Plan zu ändern. Man erweiterte zuerst die Entfernung der Kcgclfässer auf
30. dann auf 200 Faden voneinander, in welcher Weise 18 derselben ver¬
senkt wurden, und gab endlich dieses System ganz auf, indem man von 1788
an nur Steine an der Stelle, wo der Damm sich erheben sollte, .w die See
schüttete.

Auf diese Art war 1808 ein guter Theil des Riesenwerks fertig geworden,
als am 12. Febr. dieses Jahres ein beispiellos heftiger Nordwcststurm die
auf dem Damme errichteten Batterien, Magazine und Werkstätten mit mehr
als zweihundert Menschen hinwegspülte und auch am Damme selbst beträcht¬
lichen Schaden anrichtete. In diesem Zustande verblieb der große Wetten¬
brecher bis 1811, wo Napoleon ihn besuchte. Man sprach von der Unmög¬
lichkeit, ihn zu vollenden. Aber Napoleon kannte das Wort "unmöglich" nicht.
Das Werk wurde von neuem in Angriff genommen und rüstig fortgesetzt.
Auch unter den Bourbonen arbeitete man weiter, aber erst im Jahr 1840,
wo die orientalische Frage an die Möglichkeit eines Krieges zwischen England
und Frankreich denken ließ, war der Damm vollendet. Ludwig Napoleon
hat hier nichts Wesentliches mehr zu thun vorgefunden. Er hat nur noch einige
Lücken gefüllt und das Aeußere mehr geglättet, womit man 1853 zu Stande
kam. So hat dieses staunenswerthe Werk nicht weniger als 68 Jahre zu
seiner Vollendung bedurft, während seine Kosten auf mehr als 18 Millionen
Thaler berechnet werden.

Der Damm oder Wellenbrecher, wie er sich jetzt darstellt, hat, oben mit
behauenen Steinen übermauert, die mit Portlandcement verbunden sind, eine
Länge von mehr als einer halben deutschen Meile. Seine Breite beträgt
200, seine Höhe 50 Fuß. Seiner Formnach zerfüllt er in zwei ungleich lange
gerade Linien, welche gegen die See hin einen stumpfen Winkel von 169 Grad
bilden. Von ihm geschützt können 50 Linienschiffe und ebenso viele Fregatten
auf der Rhede ankern.

Auch in anderer Hinsicht gebührt Napoleon I. das Verdienst, ein
neues Cherbourg geschaffen zu haben. Durch einen Befehl vom 15. April
1803 wurde die Errichtung eines großen Seearsenals, bestehend aus einem
Außenhafen und zwei großen Wasserbocks angeordnet, und 1813 konnte der
erstere, welcher durchaus in den Felsen gehauen werden mußte und eine Tiefe
von 50 Fuß hatte, eingeweiht werden. Nachdem dieses kolossale Wert voll¬
endet war, ging man an die Errichtung des äußern Wasserbocks, welches
unter der Restauration rüstig gefördert und 1829 in Beisein des Herzogs von
Angoulöme eingeweiht wurde. Ihm folgte das zweite innere, mit dessen
Construction man 1836 begann, dessen Vollendung aber Napoleon III. auf¬
behalten war. Dieses neue Becken hat eine geringere Ausdehnung als die


18 Millionen Thaler kosten würde, bewog die Regierung, den ursprünglichen
Plan zu ändern. Man erweiterte zuerst die Entfernung der Kcgclfässer auf
30. dann auf 200 Faden voneinander, in welcher Weise 18 derselben ver¬
senkt wurden, und gab endlich dieses System ganz auf, indem man von 1788
an nur Steine an der Stelle, wo der Damm sich erheben sollte, .w die See
schüttete.

Auf diese Art war 1808 ein guter Theil des Riesenwerks fertig geworden,
als am 12. Febr. dieses Jahres ein beispiellos heftiger Nordwcststurm die
auf dem Damme errichteten Batterien, Magazine und Werkstätten mit mehr
als zweihundert Menschen hinwegspülte und auch am Damme selbst beträcht¬
lichen Schaden anrichtete. In diesem Zustande verblieb der große Wetten¬
brecher bis 1811, wo Napoleon ihn besuchte. Man sprach von der Unmög¬
lichkeit, ihn zu vollenden. Aber Napoleon kannte das Wort „unmöglich" nicht.
Das Werk wurde von neuem in Angriff genommen und rüstig fortgesetzt.
Auch unter den Bourbonen arbeitete man weiter, aber erst im Jahr 1840,
wo die orientalische Frage an die Möglichkeit eines Krieges zwischen England
und Frankreich denken ließ, war der Damm vollendet. Ludwig Napoleon
hat hier nichts Wesentliches mehr zu thun vorgefunden. Er hat nur noch einige
Lücken gefüllt und das Aeußere mehr geglättet, womit man 1853 zu Stande
kam. So hat dieses staunenswerthe Werk nicht weniger als 68 Jahre zu
seiner Vollendung bedurft, während seine Kosten auf mehr als 18 Millionen
Thaler berechnet werden.

Der Damm oder Wellenbrecher, wie er sich jetzt darstellt, hat, oben mit
behauenen Steinen übermauert, die mit Portlandcement verbunden sind, eine
Länge von mehr als einer halben deutschen Meile. Seine Breite beträgt
200, seine Höhe 50 Fuß. Seiner Formnach zerfüllt er in zwei ungleich lange
gerade Linien, welche gegen die See hin einen stumpfen Winkel von 169 Grad
bilden. Von ihm geschützt können 50 Linienschiffe und ebenso viele Fregatten
auf der Rhede ankern.

Auch in anderer Hinsicht gebührt Napoleon I. das Verdienst, ein
neues Cherbourg geschaffen zu haben. Durch einen Befehl vom 15. April
1803 wurde die Errichtung eines großen Seearsenals, bestehend aus einem
Außenhafen und zwei großen Wasserbocks angeordnet, und 1813 konnte der
erstere, welcher durchaus in den Felsen gehauen werden mußte und eine Tiefe
von 50 Fuß hatte, eingeweiht werden. Nachdem dieses kolossale Wert voll¬
endet war, ging man an die Errichtung des äußern Wasserbocks, welches
unter der Restauration rüstig gefördert und 1829 in Beisein des Herzogs von
Angoulöme eingeweiht wurde. Ihm folgte das zweite innere, mit dessen
Construction man 1836 begann, dessen Vollendung aber Napoleon III. auf¬
behalten war. Dieses neue Becken hat eine geringere Ausdehnung als die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/106130"/>
          <p xml:id="ID_865" prev="#ID_864"> 18 Millionen Thaler kosten würde, bewog die Regierung, den ursprünglichen<lb/>
Plan zu ändern. Man erweiterte zuerst die Entfernung der Kcgclfässer auf<lb/>
30. dann auf 200 Faden voneinander, in welcher Weise 18 derselben ver¬<lb/>
senkt wurden, und gab endlich dieses System ganz auf, indem man von 1788<lb/>
an nur Steine an der Stelle, wo der Damm sich erheben sollte, .w die See<lb/>
schüttete.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_866"> Auf diese Art war 1808 ein guter Theil des Riesenwerks fertig geworden,<lb/>
als am 12. Febr. dieses Jahres ein beispiellos heftiger Nordwcststurm die<lb/>
auf dem Damme errichteten Batterien, Magazine und Werkstätten mit mehr<lb/>
als zweihundert Menschen hinwegspülte und auch am Damme selbst beträcht¬<lb/>
lichen Schaden anrichtete. In diesem Zustande verblieb der große Wetten¬<lb/>
brecher bis 1811, wo Napoleon ihn besuchte. Man sprach von der Unmög¬<lb/>
lichkeit, ihn zu vollenden. Aber Napoleon kannte das Wort &#x201E;unmöglich" nicht.<lb/>
Das Werk wurde von neuem in Angriff genommen und rüstig fortgesetzt.<lb/>
Auch unter den Bourbonen arbeitete man weiter, aber erst im Jahr 1840,<lb/>
wo die orientalische Frage an die Möglichkeit eines Krieges zwischen England<lb/>
und Frankreich denken ließ, war der Damm vollendet. Ludwig Napoleon<lb/>
hat hier nichts Wesentliches mehr zu thun vorgefunden. Er hat nur noch einige<lb/>
Lücken gefüllt und das Aeußere mehr geglättet, womit man 1853 zu Stande<lb/>
kam. So hat dieses staunenswerthe Werk nicht weniger als 68 Jahre zu<lb/>
seiner Vollendung bedurft, während seine Kosten auf mehr als 18 Millionen<lb/>
Thaler berechnet werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_867"> Der Damm oder Wellenbrecher, wie er sich jetzt darstellt, hat, oben mit<lb/>
behauenen Steinen übermauert, die mit Portlandcement verbunden sind, eine<lb/>
Länge von mehr als einer halben deutschen Meile. Seine Breite beträgt<lb/>
200, seine Höhe 50 Fuß. Seiner Formnach zerfüllt er in zwei ungleich lange<lb/>
gerade Linien, welche gegen die See hin einen stumpfen Winkel von 169 Grad<lb/>
bilden. Von ihm geschützt können 50 Linienschiffe und ebenso viele Fregatten<lb/>
auf der Rhede ankern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_868" next="#ID_869"> Auch in anderer Hinsicht gebührt Napoleon I. das Verdienst, ein<lb/>
neues Cherbourg geschaffen zu haben. Durch einen Befehl vom 15. April<lb/>
1803 wurde die Errichtung eines großen Seearsenals, bestehend aus einem<lb/>
Außenhafen und zwei großen Wasserbocks angeordnet, und 1813 konnte der<lb/>
erstere, welcher durchaus in den Felsen gehauen werden mußte und eine Tiefe<lb/>
von 50 Fuß hatte, eingeweiht werden. Nachdem dieses kolossale Wert voll¬<lb/>
endet war, ging man an die Errichtung des äußern Wasserbocks, welches<lb/>
unter der Restauration rüstig gefördert und 1829 in Beisein des Herzogs von<lb/>
Angoulöme eingeweiht wurde. Ihm folgte das zweite innere, mit dessen<lb/>
Construction man 1836 begann, dessen Vollendung aber Napoleon III. auf¬<lb/>
behalten war.  Dieses neue Becken hat eine geringere Ausdehnung als die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0319] 18 Millionen Thaler kosten würde, bewog die Regierung, den ursprünglichen Plan zu ändern. Man erweiterte zuerst die Entfernung der Kcgclfässer auf 30. dann auf 200 Faden voneinander, in welcher Weise 18 derselben ver¬ senkt wurden, und gab endlich dieses System ganz auf, indem man von 1788 an nur Steine an der Stelle, wo der Damm sich erheben sollte, .w die See schüttete. Auf diese Art war 1808 ein guter Theil des Riesenwerks fertig geworden, als am 12. Febr. dieses Jahres ein beispiellos heftiger Nordwcststurm die auf dem Damme errichteten Batterien, Magazine und Werkstätten mit mehr als zweihundert Menschen hinwegspülte und auch am Damme selbst beträcht¬ lichen Schaden anrichtete. In diesem Zustande verblieb der große Wetten¬ brecher bis 1811, wo Napoleon ihn besuchte. Man sprach von der Unmög¬ lichkeit, ihn zu vollenden. Aber Napoleon kannte das Wort „unmöglich" nicht. Das Werk wurde von neuem in Angriff genommen und rüstig fortgesetzt. Auch unter den Bourbonen arbeitete man weiter, aber erst im Jahr 1840, wo die orientalische Frage an die Möglichkeit eines Krieges zwischen England und Frankreich denken ließ, war der Damm vollendet. Ludwig Napoleon hat hier nichts Wesentliches mehr zu thun vorgefunden. Er hat nur noch einige Lücken gefüllt und das Aeußere mehr geglättet, womit man 1853 zu Stande kam. So hat dieses staunenswerthe Werk nicht weniger als 68 Jahre zu seiner Vollendung bedurft, während seine Kosten auf mehr als 18 Millionen Thaler berechnet werden. Der Damm oder Wellenbrecher, wie er sich jetzt darstellt, hat, oben mit behauenen Steinen übermauert, die mit Portlandcement verbunden sind, eine Länge von mehr als einer halben deutschen Meile. Seine Breite beträgt 200, seine Höhe 50 Fuß. Seiner Formnach zerfüllt er in zwei ungleich lange gerade Linien, welche gegen die See hin einen stumpfen Winkel von 169 Grad bilden. Von ihm geschützt können 50 Linienschiffe und ebenso viele Fregatten auf der Rhede ankern. Auch in anderer Hinsicht gebührt Napoleon I. das Verdienst, ein neues Cherbourg geschaffen zu haben. Durch einen Befehl vom 15. April 1803 wurde die Errichtung eines großen Seearsenals, bestehend aus einem Außenhafen und zwei großen Wasserbocks angeordnet, und 1813 konnte der erstere, welcher durchaus in den Felsen gehauen werden mußte und eine Tiefe von 50 Fuß hatte, eingeweiht werden. Nachdem dieses kolossale Wert voll¬ endet war, ging man an die Errichtung des äußern Wasserbocks, welches unter der Restauration rüstig gefördert und 1829 in Beisein des Herzogs von Angoulöme eingeweiht wurde. Ihm folgte das zweite innere, mit dessen Construction man 1836 begann, dessen Vollendung aber Napoleon III. auf¬ behalten war. Dieses neue Becken hat eine geringere Ausdehnung als die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/319
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/319>, abgerufen am 23.07.2024.