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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Reise nach Prenzlau, Mai 1801, lernte Schleiermacher einen jungen Theo¬
logen kennen, Ehrenfricd von Willich, der nun sein vertrautester Freund
wurde, gegen den er ganz offen herausgehn konnte und dessen Leben auch
später seltsam in das seinige verflochten wurde. Das Verhältniß zu Eleo¬
nore wurde immer leidenschaftlicher und bestimmte ihn endlich Juni 1802,
einen Ruf nach Stolpe in Pommern anzunehmen, obgleich er den Verlust des
literarischen Verkehrs schmerzlich empfand und auch in seinen äußern Verhält¬
nissen beschädigt wurde, da ihn Schlegel mit der Uebersetzung des Plato im
Stiche ließ. Die Briefe mit Henriette Herz, die er von jetzt an dutzte, und


aussprechen muß, als ich es für mich selbst ausspreche, damit er es nur nicht anders versteht,
und daß es immer noch Geheimnisse fin ihn in meinem Innern gibt, oder er sich welche macht.
Zwar behauptet er, daß die Monologen ihm zu allen scheinbaren Disharmonien in meinem
Wesen den Schlüssel gegeben haben, aber probehaltig ist mir das auch noch nicht,"---2,Dec. 1801 bis
17, Jan, 1802 wohnte Fr, Schlegel auf einem Besuch in Berlin wieder bei Schleiermacher. "Er ist
über das, was er in der Welt leisten wird und soll, gewisser geworden, und ebenso ist in sei¬
nem Charakter alles, um deswillen ich ihn liebe, und alles, was mir fremd ist und widerstrebt,
noch gewaltiger, kräftiger und deutlicher als zuvor . , , Wie ich ihm vorgekommen bin, weiß
ich nicht genau; aber er hat mich schon immer sür ein in meiner Art ganz fertiges und voll¬
endetes Wesen gehalten. Auch schien er ein sehr bestimmtes und richtiges Gefühl davon zu
haben, wo wir auseinandergehn," Die Freunde befürchteten auch-diesmal eine nachtheilige
Einwirkung auf Schleiermacher. -- 8. Juli 1802: "Henriette weiß, daß Friedrichs Charakter
dem meinigen ganz heterogen ist, und sie glaubt nicht, daß man das Heterogene lieben kann,
Sie weiß, daß seine übermächtige stürmische Sinnlichkeit mir in einigen ihrer Aeußerungen
unangenehm und gleichsam meinem Geschmack zuwider gewesen ist, auch daß ich mit großer
Mißbilligung von der Leichtigkeit gesprochen, mit der er sich bisweilen einem unrechtlichen Ver¬
fahren in seinen Angelegenheiten nähert, und nun erscheint ihr das als das Wesentliche seines
Charakters, weil das Gegentheil davon, Ruhe und Ordnung, das Wesentliche des ihrigen ist-
Sie weiß, daß es ihm an Sinn fehlt für manches, was mir viel werth ist. und nun glaubt
sie, es fehle ihm an Gemüth überhaupt, es wäre eigentlich nur sein Geist, was mich anzöge
und ich wäre mir selbst nicht klar , . , Aber Schlegel ist eine hohe sittliche Natur, ein Mann,
der die ganze Welt, vnd zwar mit Liebe, in seinem Herzen trägt, die Sinnlichkeit ist gereift
in einem unschönen Mißverhältniß zu seinen übrigen Kräften, er ist auch dem Geist nach gar
nicht nnrechtlich, wenn er es gleich dem Buchstaben nach bisweilen wirklich wird." -- spe, 1802
(an Eleonore), "Zeh habe den Mittelpunkt seines ganzen Wesens, seines Dichtens und Trach¬
tens nur als etwas sehr Großes, Seltenes und im eigentlichen Sinne Schönes erkannt. Ich weiß,
wie damit, und mit seiner ohne Zerstörung eines Theils nicht abzuändernden Lage gegen die
Weit, alles was fehlerhaft, widersprechend und unrecht an ihm erscheint, sehr natürlich zu¬
sammenhängt i ich muß und kann also gegen diese Dinge, weil ich sie besser verstehe, weit
duldsamer sein als andere; ich kaun nicht anders, als das Ideal lieben, das in ihm liegt,
ohnerachtet es mir noch sehr zweifelhaft ist, ob es nicht eher zertrümmert wird, als er zu
einer einigermaßen harmonischen Darstellung desselben in seinem Leben oder in seinen Werken
gelangt , , . Mir ist er durch sein Dasein heilsam genug, so daß es mir gar nicht einfallen
kann, ihn noch für mich zu etwas Anderem gebrauchen zu wollen, und inwieweit ich mich ihm
eröffnen kann und soll, das mißt sich von selbst ab nach der Wirkung, die sich davon voraussehn
läßt. Er hat zeitig vieles an mir geahnet, mein eigentliches Wesen aber wol später erkannt;
ich weiß, daß er es im Ganzen liebt und ehrt, und daß es unnöthig ist, und gar nicht in sei¬
nen Gang hineingehört, ihn mit allen einzelnen Ansichten desselben aufzuhalten. Es ist mir
sehr klar, daß er das weise und schöne Wort, es sei in der Freundschaft ewe Hauptsache, ihre
Grenze zu kennen, aus unserm Verhältniß und aus meinem Betragen gegen ihn geschöpft hat;
denn grade hierin hat sich gar oft die Stärke meiner Freundschaft zeigen müssen," --

Reise nach Prenzlau, Mai 1801, lernte Schleiermacher einen jungen Theo¬
logen kennen, Ehrenfricd von Willich, der nun sein vertrautester Freund
wurde, gegen den er ganz offen herausgehn konnte und dessen Leben auch
später seltsam in das seinige verflochten wurde. Das Verhältniß zu Eleo¬
nore wurde immer leidenschaftlicher und bestimmte ihn endlich Juni 1802,
einen Ruf nach Stolpe in Pommern anzunehmen, obgleich er den Verlust des
literarischen Verkehrs schmerzlich empfand und auch in seinen äußern Verhält¬
nissen beschädigt wurde, da ihn Schlegel mit der Uebersetzung des Plato im
Stiche ließ. Die Briefe mit Henriette Herz, die er von jetzt an dutzte, und


aussprechen muß, als ich es für mich selbst ausspreche, damit er es nur nicht anders versteht,
und daß es immer noch Geheimnisse fin ihn in meinem Innern gibt, oder er sich welche macht.
Zwar behauptet er, daß die Monologen ihm zu allen scheinbaren Disharmonien in meinem
Wesen den Schlüssel gegeben haben, aber probehaltig ist mir das auch noch nicht,"—-2,Dec. 1801 bis
17, Jan, 1802 wohnte Fr, Schlegel auf einem Besuch in Berlin wieder bei Schleiermacher. „Er ist
über das, was er in der Welt leisten wird und soll, gewisser geworden, und ebenso ist in sei¬
nem Charakter alles, um deswillen ich ihn liebe, und alles, was mir fremd ist und widerstrebt,
noch gewaltiger, kräftiger und deutlicher als zuvor . , , Wie ich ihm vorgekommen bin, weiß
ich nicht genau; aber er hat mich schon immer sür ein in meiner Art ganz fertiges und voll¬
endetes Wesen gehalten. Auch schien er ein sehr bestimmtes und richtiges Gefühl davon zu
haben, wo wir auseinandergehn," Die Freunde befürchteten auch-diesmal eine nachtheilige
Einwirkung auf Schleiermacher. — 8. Juli 1802: „Henriette weiß, daß Friedrichs Charakter
dem meinigen ganz heterogen ist, und sie glaubt nicht, daß man das Heterogene lieben kann,
Sie weiß, daß seine übermächtige stürmische Sinnlichkeit mir in einigen ihrer Aeußerungen
unangenehm und gleichsam meinem Geschmack zuwider gewesen ist, auch daß ich mit großer
Mißbilligung von der Leichtigkeit gesprochen, mit der er sich bisweilen einem unrechtlichen Ver¬
fahren in seinen Angelegenheiten nähert, und nun erscheint ihr das als das Wesentliche seines
Charakters, weil das Gegentheil davon, Ruhe und Ordnung, das Wesentliche des ihrigen ist-
Sie weiß, daß es ihm an Sinn fehlt für manches, was mir viel werth ist. und nun glaubt
sie, es fehle ihm an Gemüth überhaupt, es wäre eigentlich nur sein Geist, was mich anzöge
und ich wäre mir selbst nicht klar , . , Aber Schlegel ist eine hohe sittliche Natur, ein Mann,
der die ganze Welt, vnd zwar mit Liebe, in seinem Herzen trägt, die Sinnlichkeit ist gereift
in einem unschönen Mißverhältniß zu seinen übrigen Kräften, er ist auch dem Geist nach gar
nicht nnrechtlich, wenn er es gleich dem Buchstaben nach bisweilen wirklich wird." — spe, 1802
(an Eleonore), „Zeh habe den Mittelpunkt seines ganzen Wesens, seines Dichtens und Trach¬
tens nur als etwas sehr Großes, Seltenes und im eigentlichen Sinne Schönes erkannt. Ich weiß,
wie damit, und mit seiner ohne Zerstörung eines Theils nicht abzuändernden Lage gegen die
Weit, alles was fehlerhaft, widersprechend und unrecht an ihm erscheint, sehr natürlich zu¬
sammenhängt i ich muß und kann also gegen diese Dinge, weil ich sie besser verstehe, weit
duldsamer sein als andere; ich kaun nicht anders, als das Ideal lieben, das in ihm liegt,
ohnerachtet es mir noch sehr zweifelhaft ist, ob es nicht eher zertrümmert wird, als er zu
einer einigermaßen harmonischen Darstellung desselben in seinem Leben oder in seinen Werken
gelangt , , . Mir ist er durch sein Dasein heilsam genug, so daß es mir gar nicht einfallen
kann, ihn noch für mich zu etwas Anderem gebrauchen zu wollen, und inwieweit ich mich ihm
eröffnen kann und soll, das mißt sich von selbst ab nach der Wirkung, die sich davon voraussehn
läßt. Er hat zeitig vieles an mir geahnet, mein eigentliches Wesen aber wol später erkannt;
ich weiß, daß er es im Ganzen liebt und ehrt, und daß es unnöthig ist, und gar nicht in sei¬
nen Gang hineingehört, ihn mit allen einzelnen Ansichten desselben aufzuhalten. Es ist mir
sehr klar, daß er das weise und schöne Wort, es sei in der Freundschaft ewe Hauptsache, ihre
Grenze zu kennen, aus unserm Verhältniß und aus meinem Betragen gegen ihn geschöpft hat;
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[0312] Reise nach Prenzlau, Mai 1801, lernte Schleiermacher einen jungen Theo¬ logen kennen, Ehrenfricd von Willich, der nun sein vertrautester Freund wurde, gegen den er ganz offen herausgehn konnte und dessen Leben auch später seltsam in das seinige verflochten wurde. Das Verhältniß zu Eleo¬ nore wurde immer leidenschaftlicher und bestimmte ihn endlich Juni 1802, einen Ruf nach Stolpe in Pommern anzunehmen, obgleich er den Verlust des literarischen Verkehrs schmerzlich empfand und auch in seinen äußern Verhält¬ nissen beschädigt wurde, da ihn Schlegel mit der Uebersetzung des Plato im Stiche ließ. Die Briefe mit Henriette Herz, die er von jetzt an dutzte, und aussprechen muß, als ich es für mich selbst ausspreche, damit er es nur nicht anders versteht, und daß es immer noch Geheimnisse fin ihn in meinem Innern gibt, oder er sich welche macht. Zwar behauptet er, daß die Monologen ihm zu allen scheinbaren Disharmonien in meinem Wesen den Schlüssel gegeben haben, aber probehaltig ist mir das auch noch nicht,"—-2,Dec. 1801 bis 17, Jan, 1802 wohnte Fr, Schlegel auf einem Besuch in Berlin wieder bei Schleiermacher. „Er ist über das, was er in der Welt leisten wird und soll, gewisser geworden, und ebenso ist in sei¬ nem Charakter alles, um deswillen ich ihn liebe, und alles, was mir fremd ist und widerstrebt, noch gewaltiger, kräftiger und deutlicher als zuvor . , , Wie ich ihm vorgekommen bin, weiß ich nicht genau; aber er hat mich schon immer sür ein in meiner Art ganz fertiges und voll¬ endetes Wesen gehalten. Auch schien er ein sehr bestimmtes und richtiges Gefühl davon zu haben, wo wir auseinandergehn," Die Freunde befürchteten auch-diesmal eine nachtheilige Einwirkung auf Schleiermacher. — 8. Juli 1802: „Henriette weiß, daß Friedrichs Charakter dem meinigen ganz heterogen ist, und sie glaubt nicht, daß man das Heterogene lieben kann, Sie weiß, daß seine übermächtige stürmische Sinnlichkeit mir in einigen ihrer Aeußerungen unangenehm und gleichsam meinem Geschmack zuwider gewesen ist, auch daß ich mit großer Mißbilligung von der Leichtigkeit gesprochen, mit der er sich bisweilen einem unrechtlichen Ver¬ fahren in seinen Angelegenheiten nähert, und nun erscheint ihr das als das Wesentliche seines Charakters, weil das Gegentheil davon, Ruhe und Ordnung, das Wesentliche des ihrigen ist- Sie weiß, daß es ihm an Sinn fehlt für manches, was mir viel werth ist. und nun glaubt sie, es fehle ihm an Gemüth überhaupt, es wäre eigentlich nur sein Geist, was mich anzöge und ich wäre mir selbst nicht klar , . , Aber Schlegel ist eine hohe sittliche Natur, ein Mann, der die ganze Welt, vnd zwar mit Liebe, in seinem Herzen trägt, die Sinnlichkeit ist gereift in einem unschönen Mißverhältniß zu seinen übrigen Kräften, er ist auch dem Geist nach gar nicht nnrechtlich, wenn er es gleich dem Buchstaben nach bisweilen wirklich wird." — spe, 1802 (an Eleonore), „Zeh habe den Mittelpunkt seines ganzen Wesens, seines Dichtens und Trach¬ tens nur als etwas sehr Großes, Seltenes und im eigentlichen Sinne Schönes erkannt. Ich weiß, wie damit, und mit seiner ohne Zerstörung eines Theils nicht abzuändernden Lage gegen die Weit, alles was fehlerhaft, widersprechend und unrecht an ihm erscheint, sehr natürlich zu¬ sammenhängt i ich muß und kann also gegen diese Dinge, weil ich sie besser verstehe, weit duldsamer sein als andere; ich kaun nicht anders, als das Ideal lieben, das in ihm liegt, ohnerachtet es mir noch sehr zweifelhaft ist, ob es nicht eher zertrümmert wird, als er zu einer einigermaßen harmonischen Darstellung desselben in seinem Leben oder in seinen Werken gelangt , , . Mir ist er durch sein Dasein heilsam genug, so daß es mir gar nicht einfallen kann, ihn noch für mich zu etwas Anderem gebrauchen zu wollen, und inwieweit ich mich ihm eröffnen kann und soll, das mißt sich von selbst ab nach der Wirkung, die sich davon voraussehn läßt. Er hat zeitig vieles an mir geahnet, mein eigentliches Wesen aber wol später erkannt; ich weiß, daß er es im Ganzen liebt und ehrt, und daß es unnöthig ist, und gar nicht in sei¬ nen Gang hineingehört, ihn mit allen einzelnen Ansichten desselben aufzuhalten. Es ist mir sehr klar, daß er das weise und schöne Wort, es sei in der Freundschaft ewe Hauptsache, ihre Grenze zu kennen, aus unserm Verhältniß und aus meinem Betragen gegen ihn geschöpft hat; denn grade hierin hat sich gar oft die Stärke meiner Freundschaft zeigen müssen," —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/312>, abgerufen am 23.07.2024.