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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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benutzt, um dem Publicum die Costüme und Bewaffnung der verschiedenen
asiatischen Völker vorzuführen, die Pompejus auf seinen Zügen kennen ge¬
lernt hatte; ganze Scharen zu Pferde und zu Fuß paradirtcn hier und drei¬
tausend kunstreich gearbeitete Gefäße wurden vorübergetragen. In Horazens
Zeit verlangte der He.use oft während des Stücks eine Bärenhetze oder einen
Faustkampf, und selbst die Gebildeten fanden mehr Vergnügen an der Aus¬
stattung als am Inhalt der Dramen. Vier Stunden und noch länger dauerten
die Aufführungen. Reitergeschwader und Fußtruppen mcmövrirten, lange
Triumphzüge mit gefangenen Kömgen und reicher Kriegsbeute, Wagen
in allen Formen, Schiffe, Giraffen, weiße Elephanten unterhielten das
unruhige Publicum; und wenn ein Schauspieler in prachtvoller, kostbarer
Tracht erschien, wurde er beklatscht, noch ehe er den Mund aufgethan hatte.
Nichts desto weniger erhielt sich das eigentliche Drama immer noch auf der
Bühne. Da in der Kaiserzeit die dramatische Dichtung so gut wie ganz
aufgehört hatte, wurden vermutlich modernistrte Bearbeitungen der ältern
Tragödien- und Komödiendichter gespielt.

An die Stelle der Tragödie trat unter August eine neue Gattung, die dem
Geschmack der Gebildeten mehr zusagte. Wie in allen Zeiten, wo das Drama
im Verfall ist, interessirte man sich nur noch für die Virtuosität der Darstellung;
man kam ins Theater, um den Schauspieler, nicht um den Dichter zu bewun¬
dern. Von jeher waren Geberden und Gesticulation auf der Bühne als ein
bedeutenderes, oder mindestens ebenso bedeutendes Moment der Darstellung
betrachtet worden wie der Vortrag. Erstens mußte die Action das Mienen¬
spiel ersetzen helfen, das der Gebrauch der Masken aufhob, sodann ist es ja
bekannt, wie viel reicher und ausgebildeter die Geberdensprache der Südländer
noch heute ist als die unsre. Im Dialog vermochte der Schauspieler Vortrag
und Gesticulation zu vereinigen; im lyrischen Monolog verlangte man aber
eine solche Steigerung des Ausdrucks, daß die Recitation sich in Gesang, die
Gesticulation in Tanz verwandelte. Beides zu vereinigen war namentlich
in leidenschaftlichen Scenen für einen Schauspieler nicht möglich; in der Alter¬
native auf ein Darstellungsmittel ganz oder theilweise zu verzichten, oder die
Ausführung verschiedenen Darstellern zu übertragen, entschied man sich für das
Letztere. Der Schauspieler drückte seine pathetische Scene in pantomimischen
stummen Tanz aus, und ein Sänger sang ruhig dastehend den dazu gehörigen
Text. Diese sonderbare Trennung, die allein schon zeigt, daß das römische
Publicum auf der Bühne keine Illusion verlangte wie das moderne, war im
römischen Drama seit alter Zeit eingeführt. Sie kam auch außerhalb der
Bühne vor. Dichter ließen ihre Gedichte einem geladenen Publicum von
andern vortragen, die ein gefälligeres Organ hatten und begleiteten den Vor¬
trag mit "Gemurmel, Mienenspiel und Gesticulation." Das Publicum gewöhnte


benutzt, um dem Publicum die Costüme und Bewaffnung der verschiedenen
asiatischen Völker vorzuführen, die Pompejus auf seinen Zügen kennen ge¬
lernt hatte; ganze Scharen zu Pferde und zu Fuß paradirtcn hier und drei¬
tausend kunstreich gearbeitete Gefäße wurden vorübergetragen. In Horazens
Zeit verlangte der He.use oft während des Stücks eine Bärenhetze oder einen
Faustkampf, und selbst die Gebildeten fanden mehr Vergnügen an der Aus¬
stattung als am Inhalt der Dramen. Vier Stunden und noch länger dauerten
die Aufführungen. Reitergeschwader und Fußtruppen mcmövrirten, lange
Triumphzüge mit gefangenen Kömgen und reicher Kriegsbeute, Wagen
in allen Formen, Schiffe, Giraffen, weiße Elephanten unterhielten das
unruhige Publicum; und wenn ein Schauspieler in prachtvoller, kostbarer
Tracht erschien, wurde er beklatscht, noch ehe er den Mund aufgethan hatte.
Nichts desto weniger erhielt sich das eigentliche Drama immer noch auf der
Bühne. Da in der Kaiserzeit die dramatische Dichtung so gut wie ganz
aufgehört hatte, wurden vermutlich modernistrte Bearbeitungen der ältern
Tragödien- und Komödiendichter gespielt.

An die Stelle der Tragödie trat unter August eine neue Gattung, die dem
Geschmack der Gebildeten mehr zusagte. Wie in allen Zeiten, wo das Drama
im Verfall ist, interessirte man sich nur noch für die Virtuosität der Darstellung;
man kam ins Theater, um den Schauspieler, nicht um den Dichter zu bewun¬
dern. Von jeher waren Geberden und Gesticulation auf der Bühne als ein
bedeutenderes, oder mindestens ebenso bedeutendes Moment der Darstellung
betrachtet worden wie der Vortrag. Erstens mußte die Action das Mienen¬
spiel ersetzen helfen, das der Gebrauch der Masken aufhob, sodann ist es ja
bekannt, wie viel reicher und ausgebildeter die Geberdensprache der Südländer
noch heute ist als die unsre. Im Dialog vermochte der Schauspieler Vortrag
und Gesticulation zu vereinigen; im lyrischen Monolog verlangte man aber
eine solche Steigerung des Ausdrucks, daß die Recitation sich in Gesang, die
Gesticulation in Tanz verwandelte. Beides zu vereinigen war namentlich
in leidenschaftlichen Scenen für einen Schauspieler nicht möglich; in der Alter¬
native auf ein Darstellungsmittel ganz oder theilweise zu verzichten, oder die
Ausführung verschiedenen Darstellern zu übertragen, entschied man sich für das
Letztere. Der Schauspieler drückte seine pathetische Scene in pantomimischen
stummen Tanz aus, und ein Sänger sang ruhig dastehend den dazu gehörigen
Text. Diese sonderbare Trennung, die allein schon zeigt, daß das römische
Publicum auf der Bühne keine Illusion verlangte wie das moderne, war im
römischen Drama seit alter Zeit eingeführt. Sie kam auch außerhalb der
Bühne vor. Dichter ließen ihre Gedichte einem geladenen Publicum von
andern vortragen, die ein gefälligeres Organ hatten und begleiteten den Vor¬
trag mit „Gemurmel, Mienenspiel und Gesticulation." Das Publicum gewöhnte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/292>, abgerufen am 23.07.2024.