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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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lischen Herzöge den Prachtbau verunzierten. Die Eingangshalle zerfällt in
eine westliche und eine östliche Hälfte, die durch eine Quermauer geschieden
sind. Den Giebel der Westhalle tragen sechs dorische Säulen von 27 Fuß
Höhe, von denen die beiden mittelsten. den Fahrweg einfassend, weiter aus¬
einanderstehen, als die nächsten. Noch geringer ist der Zwischenraum zwischen
diesen und den letzten beiden. Von den Mittelsäulen führten als Ein¬
fassung des Fahrwegs zwei Reihen schlanker jonischcr Säulen zu dem. großen
Portal in der Quermauer, durch welches man in die Osthalle gelangt, die
weniger tief und deshalb am Fahrwege ohne die jonischen Säulen ist. Der
ziemlich gut erhaltene Nordflügel besteht aus einer Vorhalle von drei dorischen
Säulen, aus der man in einen viereckigen Raum, die einst mit Gemälden von
Polygnot und andern Meistern geschmückt Pinakothek tritt. In dieser sowie in
der Mittelhalle ist gegenwärtig eine Anzahl von Sculpturen, Köpfen, Rümpfen,
Händen, Füßen und Inschriftsteinen aufgestellt, unter denen sich einzelne vor¬
treffliche Arbeiten befinden. Ein Rückblick durch die Säulen der Mittclhalle
hindurch auf das Land mit seinen Buchten und das Meer mit seinen Inseln
ist einzig in seiner Art.

Tritt man aus der Osthalle in die innern Räume der Akropolis. so er¬
blickt man eine große Trümmerstätte vor sich, auf der sich alte Ruinen mit
Resten neuerer Gebäude mischen. Hier Vorrathsgewölbe, Cisternen, eingeschossene
Mauern von Kasernen. Stücke von zersprungnen Bomben, dort Haufen von
Säulentrommeln, Deckensteinen, Marmorgebälk, Basen mit Inschriften, byzan¬
tinische Ornamente und die Fortsetzung des Museums von Sculpturen, welches
in den Propyläen angelegt ist. Rechts aber und links erheben sich die herr¬
lichen Reste der beiden schönsten Tempel des perikleischen Athen: hier der
majestätische Parthenon, dort das vielgegliederte aus verschiedenen Stilen ge¬
mischte und doch harmonisch anmuthvolle Erechtheion. Als Staffage des
Bildes, das man sich nicht großartig genug vorstellen kann, mögen sich die
Leser die Ziegenherde denken, die bei unserm Besuch zwischen den Trümmern
umherkletternd nach Kräutern suchte.

Ich beabsichtige keine Topographie der Akropolis zu geben, und so schil¬
dere ich im Folgenden nur das, was die Beobachtungen und Genüsse dieses
unseres ersten Morgens auf der heiligen Stätte umfaßten.

Etwa in der Mitte zwischen den Propyläen und den eben genannten bei¬
den Tempeln zeigen einige Blöcke auf sorgfältig geebneter Stelle den Ort an,
wo einst die eherne Kolossalstntue der Athene Promachos stand, jenes sechzig
Fuß hohe Niescnbild. dessen blitzende Lanze den Schiffern weit draußen auf
hoher See als Leuchtfeuer diente, und dessen ernste Majestät die Gothen Ala-
richs von der Plünderung Athens zurückschreckte.

Etwa zwanzig Schritte von hier lenkt das Erechtheion mit seinen Karya-


lischen Herzöge den Prachtbau verunzierten. Die Eingangshalle zerfällt in
eine westliche und eine östliche Hälfte, die durch eine Quermauer geschieden
sind. Den Giebel der Westhalle tragen sechs dorische Säulen von 27 Fuß
Höhe, von denen die beiden mittelsten. den Fahrweg einfassend, weiter aus¬
einanderstehen, als die nächsten. Noch geringer ist der Zwischenraum zwischen
diesen und den letzten beiden. Von den Mittelsäulen führten als Ein¬
fassung des Fahrwegs zwei Reihen schlanker jonischcr Säulen zu dem. großen
Portal in der Quermauer, durch welches man in die Osthalle gelangt, die
weniger tief und deshalb am Fahrwege ohne die jonischen Säulen ist. Der
ziemlich gut erhaltene Nordflügel besteht aus einer Vorhalle von drei dorischen
Säulen, aus der man in einen viereckigen Raum, die einst mit Gemälden von
Polygnot und andern Meistern geschmückt Pinakothek tritt. In dieser sowie in
der Mittelhalle ist gegenwärtig eine Anzahl von Sculpturen, Köpfen, Rümpfen,
Händen, Füßen und Inschriftsteinen aufgestellt, unter denen sich einzelne vor¬
treffliche Arbeiten befinden. Ein Rückblick durch die Säulen der Mittclhalle
hindurch auf das Land mit seinen Buchten und das Meer mit seinen Inseln
ist einzig in seiner Art.

Tritt man aus der Osthalle in die innern Räume der Akropolis. so er¬
blickt man eine große Trümmerstätte vor sich, auf der sich alte Ruinen mit
Resten neuerer Gebäude mischen. Hier Vorrathsgewölbe, Cisternen, eingeschossene
Mauern von Kasernen. Stücke von zersprungnen Bomben, dort Haufen von
Säulentrommeln, Deckensteinen, Marmorgebälk, Basen mit Inschriften, byzan¬
tinische Ornamente und die Fortsetzung des Museums von Sculpturen, welches
in den Propyläen angelegt ist. Rechts aber und links erheben sich die herr¬
lichen Reste der beiden schönsten Tempel des perikleischen Athen: hier der
majestätische Parthenon, dort das vielgegliederte aus verschiedenen Stilen ge¬
mischte und doch harmonisch anmuthvolle Erechtheion. Als Staffage des
Bildes, das man sich nicht großartig genug vorstellen kann, mögen sich die
Leser die Ziegenherde denken, die bei unserm Besuch zwischen den Trümmern
umherkletternd nach Kräutern suchte.

Ich beabsichtige keine Topographie der Akropolis zu geben, und so schil¬
dere ich im Folgenden nur das, was die Beobachtungen und Genüsse dieses
unseres ersten Morgens auf der heiligen Stätte umfaßten.

Etwa in der Mitte zwischen den Propyläen und den eben genannten bei¬
den Tempeln zeigen einige Blöcke auf sorgfältig geebneter Stelle den Ort an,
wo einst die eherne Kolossalstntue der Athene Promachos stand, jenes sechzig
Fuß hohe Niescnbild. dessen blitzende Lanze den Schiffern weit draußen auf
hoher See als Leuchtfeuer diente, und dessen ernste Majestät die Gothen Ala-
richs von der Plünderung Athens zurückschreckte.

Etwa zwanzig Schritte von hier lenkt das Erechtheion mit seinen Karya-


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[0280] lischen Herzöge den Prachtbau verunzierten. Die Eingangshalle zerfällt in eine westliche und eine östliche Hälfte, die durch eine Quermauer geschieden sind. Den Giebel der Westhalle tragen sechs dorische Säulen von 27 Fuß Höhe, von denen die beiden mittelsten. den Fahrweg einfassend, weiter aus¬ einanderstehen, als die nächsten. Noch geringer ist der Zwischenraum zwischen diesen und den letzten beiden. Von den Mittelsäulen führten als Ein¬ fassung des Fahrwegs zwei Reihen schlanker jonischcr Säulen zu dem. großen Portal in der Quermauer, durch welches man in die Osthalle gelangt, die weniger tief und deshalb am Fahrwege ohne die jonischen Säulen ist. Der ziemlich gut erhaltene Nordflügel besteht aus einer Vorhalle von drei dorischen Säulen, aus der man in einen viereckigen Raum, die einst mit Gemälden von Polygnot und andern Meistern geschmückt Pinakothek tritt. In dieser sowie in der Mittelhalle ist gegenwärtig eine Anzahl von Sculpturen, Köpfen, Rümpfen, Händen, Füßen und Inschriftsteinen aufgestellt, unter denen sich einzelne vor¬ treffliche Arbeiten befinden. Ein Rückblick durch die Säulen der Mittclhalle hindurch auf das Land mit seinen Buchten und das Meer mit seinen Inseln ist einzig in seiner Art. Tritt man aus der Osthalle in die innern Räume der Akropolis. so er¬ blickt man eine große Trümmerstätte vor sich, auf der sich alte Ruinen mit Resten neuerer Gebäude mischen. Hier Vorrathsgewölbe, Cisternen, eingeschossene Mauern von Kasernen. Stücke von zersprungnen Bomben, dort Haufen von Säulentrommeln, Deckensteinen, Marmorgebälk, Basen mit Inschriften, byzan¬ tinische Ornamente und die Fortsetzung des Museums von Sculpturen, welches in den Propyläen angelegt ist. Rechts aber und links erheben sich die herr¬ lichen Reste der beiden schönsten Tempel des perikleischen Athen: hier der majestätische Parthenon, dort das vielgegliederte aus verschiedenen Stilen ge¬ mischte und doch harmonisch anmuthvolle Erechtheion. Als Staffage des Bildes, das man sich nicht großartig genug vorstellen kann, mögen sich die Leser die Ziegenherde denken, die bei unserm Besuch zwischen den Trümmern umherkletternd nach Kräutern suchte. Ich beabsichtige keine Topographie der Akropolis zu geben, und so schil¬ dere ich im Folgenden nur das, was die Beobachtungen und Genüsse dieses unseres ersten Morgens auf der heiligen Stätte umfaßten. Etwa in der Mitte zwischen den Propyläen und den eben genannten bei¬ den Tempeln zeigen einige Blöcke auf sorgfältig geebneter Stelle den Ort an, wo einst die eherne Kolossalstntue der Athene Promachos stand, jenes sechzig Fuß hohe Niescnbild. dessen blitzende Lanze den Schiffern weit draußen auf hoher See als Leuchtfeuer diente, und dessen ernste Majestät die Gothen Ala- richs von der Plünderung Athens zurückschreckte. Etwa zwanzig Schritte von hier lenkt das Erechtheion mit seinen Karya-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/280>, abgerufen am 23.07.2024.