Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.sobald dieselbe als gemeinsame Angelegenheit, als Bundessache anerkannt Grenzboten III. 185S. 34
sobald dieselbe als gemeinsame Angelegenheit, als Bundessache anerkannt Grenzboten III. 185S. 34
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0273" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/106084"/> <p xml:id="ID_761" prev="#ID_760" next="#ID_762"> sobald dieselbe als gemeinsame Angelegenheit, als Bundessache anerkannt<lb/> ist, die Frage nach den Einwanderungsländern, nach der Erhaltung der Na¬<lb/> tionalität und des Zusammenhanges mit der Heimath ganz natürlich in erster<lb/> Linie steht, so erscheint es doch sicherlich kaum minder richtig, einige Rückfragen<lb/> an die Heimath, an deren sogenannte Auswanderungsherde, so wie an die<lb/> Wandlungen des Auswanderungsproccsses zu richten. Es wird sich dabei<lb/> nicht darum handeln können, die Erklärung bestimmter Veränderungen in dem<lb/> seit Menschenaltern gewohnten Auswanderungsleben zu geben; und es ist<lb/> überdies hier schwerlich der Ort, diesen Wandlungen in ihren Einzelheiten<lb/> nachzufolgen. Ueberdies müßte dabei mancher Punkt berührt werden, dessen<lb/> bloße Erwähnung unter den heutigen Preßzuständen jedenfalls nicht räthlich<lb/> ist. Doch kann es selbst dem oberflächlichsten Privatbeobachter nicht entgangen<lb/> sein — und wie viel weniger dem Ausschusse des deutschen Bundes, welchem<lb/> das Material von 24 Einzelstaaten vorlag — daß das Jahr 1854, welches<lb/> dem Vaterland in runder Summe 300,000 Menschen entführte, auch einen<lb/> kritischen Wendepunkt im Auswanderungsproceß bezeichnet. Jedoch nicht darin,<lb/> daß, wie man gehofft hatte, von da an eine stetige Verminderung der Aus¬<lb/> wanderung eingetreten wäre. Denn die (immerhin höchst unvollständige Sta¬<lb/> tistik der hauptsächlichsten Auswanderungshäfen Deutschlands und die Ein-<lb/> wandcrungslisten von Neuyork bezeugen das Gegentheil; die Auswanderung<lb/> ist von 1855 wieder in stetiger Progression begriffen. Dagegen stellte von<lb/> demselben Jahre an nicht, wie es bis dahin constant gewesen war, der deutsche<lb/> Südwesten und der Unterrhein das zahlreichste Contingent, sondern vorzugs¬<lb/> weise der Norden und Osten. Dieses Verhältniß scheint sich forterhalten zu<lb/> wollen. Von Mecklenburg war man allerdings schon lange das Fortströmen<lb/> der Landleute gewohnt. statistisch drückt es sich in dem Zeitraume von 1851 bis<lb/> mit 1857 durch eine positive Verminderung der ländlichen Bevölkerung um<lb/> 8585 Seelen aus (Domänen 2963, ritterschaftliche Güter 5006, Klostergüter 16).<lb/> welche, wenn man die Geburth- und Sterbelisten desselben Zeitraums vergleicht,<lb/> das entsetzliche Resultat ergiebt, daß Mecklenburg seit sieben Jahren 42,230 Be¬<lb/> wohner weniger besitzt, als es nach Geburten und Sterbefüllen hätte haben müssen.<lb/> (Die Auswanderung selbst wird 1855 zu 2800. 1856 zu 5500 Köpfen ange¬<lb/> geben; 1857 übertraf sie sogar den Jahrgang 1854.) Dagegen verminderte<lb/> sich schon 1855 die Auswanderung aus Würtemberg, Baden, Hessen und Thü¬<lb/> ringen ganz auffallend, obgleich die Auswanderung vom Niederrhein, der Lahn,<lb/> Mosel ze. ziemlich ungeschwächt fortdauerte, während Pommern, Posen und<lb/> gewisse Theile Schlesiens zum ersten Male verhältnißmüßig sehr starke Contin-<lb/> gente zur deutschen Gcsammtauswanderung stellten. Dennoch war das nume¬<lb/> rische Gesammtergebniß, namentlich im Vergleich zu 1854, ein nicht blos uner¬<lb/> wartet, sondern fast unerklürUch geringes, wenn schon die verschärfte Controle</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 185S. 34</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0273]
sobald dieselbe als gemeinsame Angelegenheit, als Bundessache anerkannt
ist, die Frage nach den Einwanderungsländern, nach der Erhaltung der Na¬
tionalität und des Zusammenhanges mit der Heimath ganz natürlich in erster
Linie steht, so erscheint es doch sicherlich kaum minder richtig, einige Rückfragen
an die Heimath, an deren sogenannte Auswanderungsherde, so wie an die
Wandlungen des Auswanderungsproccsses zu richten. Es wird sich dabei
nicht darum handeln können, die Erklärung bestimmter Veränderungen in dem
seit Menschenaltern gewohnten Auswanderungsleben zu geben; und es ist
überdies hier schwerlich der Ort, diesen Wandlungen in ihren Einzelheiten
nachzufolgen. Ueberdies müßte dabei mancher Punkt berührt werden, dessen
bloße Erwähnung unter den heutigen Preßzuständen jedenfalls nicht räthlich
ist. Doch kann es selbst dem oberflächlichsten Privatbeobachter nicht entgangen
sein — und wie viel weniger dem Ausschusse des deutschen Bundes, welchem
das Material von 24 Einzelstaaten vorlag — daß das Jahr 1854, welches
dem Vaterland in runder Summe 300,000 Menschen entführte, auch einen
kritischen Wendepunkt im Auswanderungsproceß bezeichnet. Jedoch nicht darin,
daß, wie man gehofft hatte, von da an eine stetige Verminderung der Aus¬
wanderung eingetreten wäre. Denn die (immerhin höchst unvollständige Sta¬
tistik der hauptsächlichsten Auswanderungshäfen Deutschlands und die Ein-
wandcrungslisten von Neuyork bezeugen das Gegentheil; die Auswanderung
ist von 1855 wieder in stetiger Progression begriffen. Dagegen stellte von
demselben Jahre an nicht, wie es bis dahin constant gewesen war, der deutsche
Südwesten und der Unterrhein das zahlreichste Contingent, sondern vorzugs¬
weise der Norden und Osten. Dieses Verhältniß scheint sich forterhalten zu
wollen. Von Mecklenburg war man allerdings schon lange das Fortströmen
der Landleute gewohnt. statistisch drückt es sich in dem Zeitraume von 1851 bis
mit 1857 durch eine positive Verminderung der ländlichen Bevölkerung um
8585 Seelen aus (Domänen 2963, ritterschaftliche Güter 5006, Klostergüter 16).
welche, wenn man die Geburth- und Sterbelisten desselben Zeitraums vergleicht,
das entsetzliche Resultat ergiebt, daß Mecklenburg seit sieben Jahren 42,230 Be¬
wohner weniger besitzt, als es nach Geburten und Sterbefüllen hätte haben müssen.
(Die Auswanderung selbst wird 1855 zu 2800. 1856 zu 5500 Köpfen ange¬
geben; 1857 übertraf sie sogar den Jahrgang 1854.) Dagegen verminderte
sich schon 1855 die Auswanderung aus Würtemberg, Baden, Hessen und Thü¬
ringen ganz auffallend, obgleich die Auswanderung vom Niederrhein, der Lahn,
Mosel ze. ziemlich ungeschwächt fortdauerte, während Pommern, Posen und
gewisse Theile Schlesiens zum ersten Male verhältnißmüßig sehr starke Contin-
gente zur deutschen Gcsammtauswanderung stellten. Dennoch war das nume¬
rische Gesammtergebniß, namentlich im Vergleich zu 1854, ein nicht blos uner¬
wartet, sondern fast unerklürUch geringes, wenn schon die verschärfte Controle
Grenzboten III. 185S. 34
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |