Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.der Auswanderer ganz fertig mit dem Staate sein, wenn er mit dem Agenten der Auswanderer ganz fertig mit dem Staate sein, wenn er mit dem Agenten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/106082"/> <p xml:id="ID_757" prev="#ID_756" next="#ID_758"> der Auswanderer ganz fertig mit dem Staate sein, wenn er mit dem Agenten<lb/> zu verkehren beginnt; dann kann der Staat, oder noch besser der Bund, dem<lb/> Auswanderer erst wieder seinen Rath und seine Unterstützung nach der Ankunft<lb/> im Einwanderungshafen bieten, wenn jener ihn wünscht. Und so lange<lb/> Deutschland keine Flotte hat, wird jenseits des Weltmeers diese Berathung<lb/> und Förderung der Interessen der Heimatsangehörigcn stets mehr oder minder<lb/> einen Privatcharakter tragen. Oder aber der Staat, und wiederum noch besser<lb/> der Bund, muß auch die Agenturen in die Hand nehmen — in der Art. wie<lb/> es das Gesetz der Centralgewalt vom 15. März 1849 wollte. Geschieht letz¬<lb/> teres, und zwar in humaner Liberalität, dann bedarf es sicherlich keiner offi-<lb/> ciellen Einwirkungen, um die Auswanderungsströmung nach den für das ma¬<lb/> terielle und politische Interesse passendsten Zielen zu lenken. Das deutsche<lb/> Volk ist. Gott sei Dank, im Großen und Ganzen gebildet genug, um nicht<lb/> bei einem immerhin so bedeutsamen Schritte, wie die Auswanderung ist, ge¬<lb/> dankenlos — um einen vulgären Ausdruck zu brauchen — in den Tag hinein¬<lb/> zulaufen. Auch wird auf diese Weise, wenn die officielle Unterstützung<lb/> und Förderung dem Auswanderer nicht seine neue Heimath octroyiren will,<lb/> sondern den sich entwickelnden Strömungen mit sorgfältiger Beobachtung folgt<lb/> und sie mit ihren Hilfleistungen begleitet, jedenfalls der Wahrung der Natio¬<lb/> nalität in der neuen Heimath und dem Zusammenhang der Colonien mit dem<lb/> Mutterlande am besten gedient. Die Vielregiererei und die polizeiliche Bevor¬<lb/> mundung auch auf dieses Gebiet übertragen wollen, heißt dagegen, dem Un-<lb/> jufriednen die heimischen Verhältnisse nur immer unerträglicher machen. „Die<lb/> Auswanderer wollen frei sein und ohne alle Einwirkung des alten Heimath¬<lb/> landes auf ihre Geschicke" — sagt freilich der bundestägliche Ausschußbencht.<lb/> Allein es liegt wol blos daran, daß diese Frage in jenem Material, welches<lb/> die Regierungen geliefert haben, entweder gar nicht, oder vom rein bureau¬<lb/> kratischen Standpunkte berührt wurde, wenn ein solcher Satz in einem offi-<lb/> ciellen Actenstück in solcher Allgemeinheit, gleich einem Dogma aufgestellt wird.<lb/> Wir wollen hier nicht fragen, an wem die Schuld einer solchen Erscheinung —<lb/> wo sie beobachtet wurde — gelegen ist: ob an den Ausgewanderten, ob an<lb/> der Art der beabsichtigten Einwirkung des Heimathlandes auf ihre Geschicke?<lb/> Aber in den Fällen, wo diese Einwirkung von Seiten des Heimathlandes,<lb/> resp, der Heimnthgemcinden. mit Liebe geschah (wie z.B. bei den früher er¬<lb/> wähnten Auswanderungen aus der Schweiz und verschiedenen Punkten des,<lb/> deutschen Südwestens) erbaten sich die Ausgewanderten fortdauernd mancher¬<lb/> lei Rathschläge. Sachwalter. Aerzte, selbst Gemeindebeamte und Prediger aus<lb/> der verlassenen Heimath. Und wenn wirklich unter den Auswanderern sehr<lb/> viele sind, welche jede Einwirkung des Heimathlandes abschütteln, welche ab¬<lb/> solut ungebunden sein wollen, so würde die Häufung von Polizeimaßrcgcln</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0271]
der Auswanderer ganz fertig mit dem Staate sein, wenn er mit dem Agenten
zu verkehren beginnt; dann kann der Staat, oder noch besser der Bund, dem
Auswanderer erst wieder seinen Rath und seine Unterstützung nach der Ankunft
im Einwanderungshafen bieten, wenn jener ihn wünscht. Und so lange
Deutschland keine Flotte hat, wird jenseits des Weltmeers diese Berathung
und Förderung der Interessen der Heimatsangehörigcn stets mehr oder minder
einen Privatcharakter tragen. Oder aber der Staat, und wiederum noch besser
der Bund, muß auch die Agenturen in die Hand nehmen — in der Art. wie
es das Gesetz der Centralgewalt vom 15. März 1849 wollte. Geschieht letz¬
teres, und zwar in humaner Liberalität, dann bedarf es sicherlich keiner offi-
ciellen Einwirkungen, um die Auswanderungsströmung nach den für das ma¬
terielle und politische Interesse passendsten Zielen zu lenken. Das deutsche
Volk ist. Gott sei Dank, im Großen und Ganzen gebildet genug, um nicht
bei einem immerhin so bedeutsamen Schritte, wie die Auswanderung ist, ge¬
dankenlos — um einen vulgären Ausdruck zu brauchen — in den Tag hinein¬
zulaufen. Auch wird auf diese Weise, wenn die officielle Unterstützung
und Förderung dem Auswanderer nicht seine neue Heimath octroyiren will,
sondern den sich entwickelnden Strömungen mit sorgfältiger Beobachtung folgt
und sie mit ihren Hilfleistungen begleitet, jedenfalls der Wahrung der Natio¬
nalität in der neuen Heimath und dem Zusammenhang der Colonien mit dem
Mutterlande am besten gedient. Die Vielregiererei und die polizeiliche Bevor¬
mundung auch auf dieses Gebiet übertragen wollen, heißt dagegen, dem Un-
jufriednen die heimischen Verhältnisse nur immer unerträglicher machen. „Die
Auswanderer wollen frei sein und ohne alle Einwirkung des alten Heimath¬
landes auf ihre Geschicke" — sagt freilich der bundestägliche Ausschußbencht.
Allein es liegt wol blos daran, daß diese Frage in jenem Material, welches
die Regierungen geliefert haben, entweder gar nicht, oder vom rein bureau¬
kratischen Standpunkte berührt wurde, wenn ein solcher Satz in einem offi-
ciellen Actenstück in solcher Allgemeinheit, gleich einem Dogma aufgestellt wird.
Wir wollen hier nicht fragen, an wem die Schuld einer solchen Erscheinung —
wo sie beobachtet wurde — gelegen ist: ob an den Ausgewanderten, ob an
der Art der beabsichtigten Einwirkung des Heimathlandes auf ihre Geschicke?
Aber in den Fällen, wo diese Einwirkung von Seiten des Heimathlandes,
resp, der Heimnthgemcinden. mit Liebe geschah (wie z.B. bei den früher er¬
wähnten Auswanderungen aus der Schweiz und verschiedenen Punkten des,
deutschen Südwestens) erbaten sich die Ausgewanderten fortdauernd mancher¬
lei Rathschläge. Sachwalter. Aerzte, selbst Gemeindebeamte und Prediger aus
der verlassenen Heimath. Und wenn wirklich unter den Auswanderern sehr
viele sind, welche jede Einwirkung des Heimathlandes abschütteln, welche ab¬
solut ungebunden sein wollen, so würde die Häufung von Polizeimaßrcgcln
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