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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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mit logischen Kategorien durcheinanderschüttelte, um ein Farbengemisch daraus
hervorgehn zu lassen, das nur in den einschläfernden Geistergesängen des Faust
und dem Hexeneinmaleins sein Gegenbild findet. Creuzer findet doch, daß
er es mit einem Dilettanten zu thun hat, aber die Aufmerksamkeit, mit der
er dies leere Spiel rubricirt, verräth die geheime Sympathie. -- 1809 erschien:
Olor^sus sive Lomment. aos-ä. Zs rvrum Ls.olriea.rum OrxniearumquL ori-
Zinidus et. e-russis. Die Untersuchung, berichtet Creuzer selbst, mußte den Ver¬
fasser dieser dionysischen Memoiren (so möchte er sein Buch betrachtet sehn)
in den Mittelpunkt der gesummten Mythologie führen, da kein Mythus des
Alterthums so beziehungsreich, keiner so fruchtbar gewesen für redende und
bildende Kunst, keiner zu so vielen Schriftwerken, Theorien und Dogmen An¬
laß und Inhalt geliefert hat. . . So wenig dem Versasser die modische Em¬
pfehlung des einen Wegs zu diesem Mittelpunkt entging, auf dem man, von
einigen' Engländern und von dem Bruder Bartholomüus geführt, sofort nach
Indien eilt, um dort an Ort und Stelle mit dem indischen Bacchus Bekannt¬
schaft zu machen, so wählte er ihn doch ebenso wenig, als die Bequemlichkeit
der Ruhe, welche, wie der alte Laertes der Odyssee, lieber gar im Lande bleibt.
Unter den Zeugnissen der Griechen sind diejenigen die sichersten, die so zu
sagen willenlos und ohne Vorsatz reden. Alter heiliger Dienst und was
dieser zu seinem Ausdruck braucht, Bildnerei und Gebet nebst Satzung und
Formel müssen als Quell und Anlaß des spätern Mythus in diesen letzteren
erst den Schlüssel geben. Demzufolge hält sich der Verfasser, mit vorläufiger
Beiseitsetzung aller Streitfragen, z. B. ob die Griechen ihren Dionysos aus
Aegypten und Indien hergeholt oder dorthin gebracht haben, zunächst einzig
und allein an die stummen Zeugnisse erweislich alter Bilder. -- In der That
beginnt die Untersuchung mit den Symbolen des Stiers und Bechers, aber
in demselben Augenblick sind wir auch schon wieder bei den Alexandrinern,
und erfahren, "daß der Begriff des feuchten, schöpferischen und befeuchtenden
Elements mit dem Begriff des Stiers und Bechers zusammengeknüpft war,"
und daß "besonders in der Weltbildung der Becher bedeutend wird." Un¬
mittelbar darauf tritt uns Mithra und die Astronomie entgegen, und "die Er¬
örterung der noch unbeantworteten Cardinalfragen führt den Verfasser nach
Aegypten, denn dorthin versetzt eine orientalische Nachricht den Ursprung des
schöpferischen Weltbechers. Um also über den alten Stier- und Kclchgott
Bacchos das Nöthige auszumitteln, muß der griechische Dionysos auf geraume
Zeit ganz vergessen werden." Eine Stelle des Herodot, verglichen mit der
Bibel und selbst dem Firdusi führt uns auf die unglückseligen Kabiren, "unter
denen man sich Himmel und Erde unter verschiedenen klimatischen und localen
Bestimmungen dachte," bis wir endlich glücklich beim El derLeda d.h. beim
großen Weltei ankommen, und erschrocken mit Heraklit ausrufen: alles fließt!


mit logischen Kategorien durcheinanderschüttelte, um ein Farbengemisch daraus
hervorgehn zu lassen, das nur in den einschläfernden Geistergesängen des Faust
und dem Hexeneinmaleins sein Gegenbild findet. Creuzer findet doch, daß
er es mit einem Dilettanten zu thun hat, aber die Aufmerksamkeit, mit der
er dies leere Spiel rubricirt, verräth die geheime Sympathie. — 1809 erschien:
Olor^sus sive Lomment. aos-ä. Zs rvrum Ls.olriea.rum OrxniearumquL ori-
Zinidus et. e-russis. Die Untersuchung, berichtet Creuzer selbst, mußte den Ver¬
fasser dieser dionysischen Memoiren (so möchte er sein Buch betrachtet sehn)
in den Mittelpunkt der gesummten Mythologie führen, da kein Mythus des
Alterthums so beziehungsreich, keiner so fruchtbar gewesen für redende und
bildende Kunst, keiner zu so vielen Schriftwerken, Theorien und Dogmen An¬
laß und Inhalt geliefert hat. . . So wenig dem Versasser die modische Em¬
pfehlung des einen Wegs zu diesem Mittelpunkt entging, auf dem man, von
einigen' Engländern und von dem Bruder Bartholomüus geführt, sofort nach
Indien eilt, um dort an Ort und Stelle mit dem indischen Bacchus Bekannt¬
schaft zu machen, so wählte er ihn doch ebenso wenig, als die Bequemlichkeit
der Ruhe, welche, wie der alte Laertes der Odyssee, lieber gar im Lande bleibt.
Unter den Zeugnissen der Griechen sind diejenigen die sichersten, die so zu
sagen willenlos und ohne Vorsatz reden. Alter heiliger Dienst und was
dieser zu seinem Ausdruck braucht, Bildnerei und Gebet nebst Satzung und
Formel müssen als Quell und Anlaß des spätern Mythus in diesen letzteren
erst den Schlüssel geben. Demzufolge hält sich der Verfasser, mit vorläufiger
Beiseitsetzung aller Streitfragen, z. B. ob die Griechen ihren Dionysos aus
Aegypten und Indien hergeholt oder dorthin gebracht haben, zunächst einzig
und allein an die stummen Zeugnisse erweislich alter Bilder. — In der That
beginnt die Untersuchung mit den Symbolen des Stiers und Bechers, aber
in demselben Augenblick sind wir auch schon wieder bei den Alexandrinern,
und erfahren, „daß der Begriff des feuchten, schöpferischen und befeuchtenden
Elements mit dem Begriff des Stiers und Bechers zusammengeknüpft war,"
und daß „besonders in der Weltbildung der Becher bedeutend wird." Un¬
mittelbar darauf tritt uns Mithra und die Astronomie entgegen, und „die Er¬
örterung der noch unbeantworteten Cardinalfragen führt den Verfasser nach
Aegypten, denn dorthin versetzt eine orientalische Nachricht den Ursprung des
schöpferischen Weltbechers. Um also über den alten Stier- und Kclchgott
Bacchos das Nöthige auszumitteln, muß der griechische Dionysos auf geraume
Zeit ganz vergessen werden." Eine Stelle des Herodot, verglichen mit der
Bibel und selbst dem Firdusi führt uns auf die unglückseligen Kabiren, „unter
denen man sich Himmel und Erde unter verschiedenen klimatischen und localen
Bestimmungen dachte," bis wir endlich glücklich beim El derLeda d.h. beim
großen Weltei ankommen, und erschrocken mit Heraklit ausrufen: alles fließt!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/261>, abgerufen am 23.07.2024.