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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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des römischen Kaisertums. "Es war abermals Nacht geworden in der Ge¬
schichte, abermal hatte die dunkle Gewalt aus den Tiefen sich ergossen, und
hatte des Geistes Federkraft gebrochen und in schmachvolle Fesseln ihn gelegt;
es war das Geschlecht wieder hingesunken und still brüteten die Elemente
über dem neuen Werk und der Wiedergeburt, zu der es erwachen sollte."
Diesmal war es der Religion vorbehalten. "Alle Religion begann mit Natur-
dienst; alle Mythologie erscheint, bis zu ihrer innersten Wurzel verfolgt, un¬
mittelbar erst in den Elementen und dann im Sternreich gegründet, und es
war der allgemeine Glaube des ältesten Alterthums, daß alle göttliche Be¬
geisterung unmittelbar hervorquelle aus dem Schooß der mütterlichen Erde
und den Abgründen der Gestirne, und heraustöne schauerlich und geheimni߬
voll aus den Tiefen der Materie." Das wird in der asiatischen Mythen-
geschichte, die übrigens namentlich über Griechenland viel Schönes und
Treffendes enthält, weiter nachgewiesen. "Aus der Mitte des Juden-
thums war in neuer, höherer Apotheose hinaufgestiegen ein neu göttlich
Leben: Jehovah, ganz ein lebendiger, organischer Gott, leidenschaftlich,
zornmüthig, mordgrimmig, selbstverklürter Moses wie der spätere Allah
ein verklärter Mahomed, herrschte nun in Majestät und Herrlichkeit durch
den neuen Olymp; die Elementenwelt aber war tief unter ihm, der Sternen¬
himmel sein Fußschemel, der Donner seine Stimme und die Blitze seine Boten."
Nun aber trat mit dem Christenthum der Logos in die Welt, "das Wunderkind
der neuen Zeit" u. s. w.: -- es ist merkwürdig, wie mit dem Christenthum
sofort die bunten Bilder aufhören und die dürre Scholastik beginnt. "Durch
das Christenthum war ein großer Fortschritt der menschlichen Natur bezeichnet;
(man höre!) es war eine neue, große Abstraction in das allgemeine Leben
eingetreten, und durch Abstractionen geht aller Fortschritt in der Geschichte,
ohne sie würde alles in Trägheit und in tieser Versunkenheit^befangen bleiben auf
der Stufe, wo es einmal zufällig sich gestaltet hätte. Mit ihr war ein neuer
Organism aus dem Organism des Alterthums erblüht, und es begann ein
neuer thatenvoller Tag. und durch Morgen, Mittag, Abend durchlief die Ge¬
schichte seine Phasen." Im Papstthum vollendete sich dieser Organismus.
"So stand der Titan des Mittelalters da, stolz und hochgemuth; nicht mehr
von unten herauf von der alten Mutter allein gekräftigt, sondern jetzt in der
Gnade des Himmels stark, schritt er daher und bekämpfte nun selbst den feuer¬
sprühenden Typhon des Islam, die letzte Ausgeburt des alten Heidenthums"
u. s. w. "Kläglich ist der Anblick der Zerstörung, in die der schöne Bau.
der in zwei Welten seine Fundamente hatte, zerfallen ist." Mit dem Sckieß-
Pulver begann der Ruin: mit der Reformation war er vollendet. "Ohne
Zweifel waren es die Kräftigeren im Volk, der letzte Rest von wahrhaft alt¬
deutscher Energie und Lebendigkeit, was die Reformation zunächst begründete;


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des römischen Kaisertums. „Es war abermals Nacht geworden in der Ge¬
schichte, abermal hatte die dunkle Gewalt aus den Tiefen sich ergossen, und
hatte des Geistes Federkraft gebrochen und in schmachvolle Fesseln ihn gelegt;
es war das Geschlecht wieder hingesunken und still brüteten die Elemente
über dem neuen Werk und der Wiedergeburt, zu der es erwachen sollte."
Diesmal war es der Religion vorbehalten. „Alle Religion begann mit Natur-
dienst; alle Mythologie erscheint, bis zu ihrer innersten Wurzel verfolgt, un¬
mittelbar erst in den Elementen und dann im Sternreich gegründet, und es
war der allgemeine Glaube des ältesten Alterthums, daß alle göttliche Be¬
geisterung unmittelbar hervorquelle aus dem Schooß der mütterlichen Erde
und den Abgründen der Gestirne, und heraustöne schauerlich und geheimni߬
voll aus den Tiefen der Materie." Das wird in der asiatischen Mythen-
geschichte, die übrigens namentlich über Griechenland viel Schönes und
Treffendes enthält, weiter nachgewiesen. „Aus der Mitte des Juden-
thums war in neuer, höherer Apotheose hinaufgestiegen ein neu göttlich
Leben: Jehovah, ganz ein lebendiger, organischer Gott, leidenschaftlich,
zornmüthig, mordgrimmig, selbstverklürter Moses wie der spätere Allah
ein verklärter Mahomed, herrschte nun in Majestät und Herrlichkeit durch
den neuen Olymp; die Elementenwelt aber war tief unter ihm, der Sternen¬
himmel sein Fußschemel, der Donner seine Stimme und die Blitze seine Boten."
Nun aber trat mit dem Christenthum der Logos in die Welt, „das Wunderkind
der neuen Zeit" u. s. w.: — es ist merkwürdig, wie mit dem Christenthum
sofort die bunten Bilder aufhören und die dürre Scholastik beginnt. „Durch
das Christenthum war ein großer Fortschritt der menschlichen Natur bezeichnet;
(man höre!) es war eine neue, große Abstraction in das allgemeine Leben
eingetreten, und durch Abstractionen geht aller Fortschritt in der Geschichte,
ohne sie würde alles in Trägheit und in tieser Versunkenheit^befangen bleiben auf
der Stufe, wo es einmal zufällig sich gestaltet hätte. Mit ihr war ein neuer
Organism aus dem Organism des Alterthums erblüht, und es begann ein
neuer thatenvoller Tag. und durch Morgen, Mittag, Abend durchlief die Ge¬
schichte seine Phasen." Im Papstthum vollendete sich dieser Organismus.
„So stand der Titan des Mittelalters da, stolz und hochgemuth; nicht mehr
von unten herauf von der alten Mutter allein gekräftigt, sondern jetzt in der
Gnade des Himmels stark, schritt er daher und bekämpfte nun selbst den feuer¬
sprühenden Typhon des Islam, die letzte Ausgeburt des alten Heidenthums"
u. s. w. „Kläglich ist der Anblick der Zerstörung, in die der schöne Bau.
der in zwei Welten seine Fundamente hatte, zerfallen ist." Mit dem Sckieß-
Pulver begann der Ruin: mit der Reformation war er vollendet. „Ohne
Zweifel waren es die Kräftigeren im Volk, der letzte Rest von wahrhaft alt¬
deutscher Energie und Lebendigkeit, was die Reformation zunächst begründete;


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[0259] des römischen Kaisertums. „Es war abermals Nacht geworden in der Ge¬ schichte, abermal hatte die dunkle Gewalt aus den Tiefen sich ergossen, und hatte des Geistes Federkraft gebrochen und in schmachvolle Fesseln ihn gelegt; es war das Geschlecht wieder hingesunken und still brüteten die Elemente über dem neuen Werk und der Wiedergeburt, zu der es erwachen sollte." Diesmal war es der Religion vorbehalten. „Alle Religion begann mit Natur- dienst; alle Mythologie erscheint, bis zu ihrer innersten Wurzel verfolgt, un¬ mittelbar erst in den Elementen und dann im Sternreich gegründet, und es war der allgemeine Glaube des ältesten Alterthums, daß alle göttliche Be¬ geisterung unmittelbar hervorquelle aus dem Schooß der mütterlichen Erde und den Abgründen der Gestirne, und heraustöne schauerlich und geheimni߬ voll aus den Tiefen der Materie." Das wird in der asiatischen Mythen- geschichte, die übrigens namentlich über Griechenland viel Schönes und Treffendes enthält, weiter nachgewiesen. „Aus der Mitte des Juden- thums war in neuer, höherer Apotheose hinaufgestiegen ein neu göttlich Leben: Jehovah, ganz ein lebendiger, organischer Gott, leidenschaftlich, zornmüthig, mordgrimmig, selbstverklürter Moses wie der spätere Allah ein verklärter Mahomed, herrschte nun in Majestät und Herrlichkeit durch den neuen Olymp; die Elementenwelt aber war tief unter ihm, der Sternen¬ himmel sein Fußschemel, der Donner seine Stimme und die Blitze seine Boten." Nun aber trat mit dem Christenthum der Logos in die Welt, „das Wunderkind der neuen Zeit" u. s. w.: — es ist merkwürdig, wie mit dem Christenthum sofort die bunten Bilder aufhören und die dürre Scholastik beginnt. „Durch das Christenthum war ein großer Fortschritt der menschlichen Natur bezeichnet; (man höre!) es war eine neue, große Abstraction in das allgemeine Leben eingetreten, und durch Abstractionen geht aller Fortschritt in der Geschichte, ohne sie würde alles in Trägheit und in tieser Versunkenheit^befangen bleiben auf der Stufe, wo es einmal zufällig sich gestaltet hätte. Mit ihr war ein neuer Organism aus dem Organism des Alterthums erblüht, und es begann ein neuer thatenvoller Tag. und durch Morgen, Mittag, Abend durchlief die Ge¬ schichte seine Phasen." Im Papstthum vollendete sich dieser Organismus. „So stand der Titan des Mittelalters da, stolz und hochgemuth; nicht mehr von unten herauf von der alten Mutter allein gekräftigt, sondern jetzt in der Gnade des Himmels stark, schritt er daher und bekämpfte nun selbst den feuer¬ sprühenden Typhon des Islam, die letzte Ausgeburt des alten Heidenthums" u. s. w. „Kläglich ist der Anblick der Zerstörung, in die der schöne Bau. der in zwei Welten seine Fundamente hatte, zerfallen ist." Mit dem Sckieß- Pulver begann der Ruin: mit der Reformation war er vollendet. „Ohne Zweifel waren es die Kräftigeren im Volk, der letzte Rest von wahrhaft alt¬ deutscher Energie und Lebendigkeit, was die Reformation zunächst begründete; 32*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/259>, abgerufen am 23.07.2024.