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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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So begnügten wir uns mit einem Gange nach Norden bis dahin, wo
auf der Stätte des alten Kerameikos die geschlossenen Häuserreihen sich all-
mälig auflösen. Bei den Kaffeeschenken, die hier die Straße nach Patissia
einschließen, kehrten wir um, und wieder blickte uns die Akropolis. jetzt ganz
schwarz geworden, von der Höhe über der Aeolusstraße entgegen; zur Rechten
aber schimmerte in der Ferne zwischen ebenfalls schwarzen Landzungen und
dunkelgrauen Inseln das mondbeglänzte Meer herauf. Ueber diesem ruhigen,
schwermüthig schönen Bilde vergaß ich das ganze moderne Athen, mit ihm
legte ich mich zum Schlafen nieder und von ihm träumte ich halb schlummernd
halb wachend, bis das Schwarz wieder in die köstliche blaurothe Färbung
überging, welche der Berg mit seinen Ruinen in der Dämmerstunde gezeigt
hatte. Mit dieser Farbe prägten sich mir die Linien des verehrten Bildes
für immer ein, sie gab die eigne halb andächtige, halb wehmüthige Stim¬
mung her, die mich später immer überkam, wenn der Name der Burg Pallas
Atheneus genannt wurde.




Literatur.

Geschichte des jcnaischcn S enden ten lebens von der Gründung der
Universität bis zur Gegenwart. (1558--1858). Eine Festgabe zum drcihundert-
jährigen Jubiläum der Universität Jena. Von Dr. Richard Keil und Dr. Robert
Keil. Leipzig, Brockhaus. -- Die Geschichte einer Universität enthält immer ein
bedeutendes Stück deutschen Culturlebens, namentlich wenn sie so tief in die geistige
Entwicklung verflochten ist wie Jena. , Von diesem Standpunkt aus wird wahr¬
scheinlich bei Gelegenheit eines Festes, an dem jeder Deutsche herzlichen Antheil nimmt,
noch manch beachtenswerthes Buch erscheinen; das gegenwärtige beschäftigt sich aus¬
schließlich mit der einen Seite der Universität, mit dem Studentenleben. Die Ver¬
fasser haben zu diesem Zweck viel Material zusammengebracht, sie haben dasselbe gut
gruppirt und den gemüthlichen Ton glücklich gefunden, der sich für ein solches Genre¬
bild eignet. Man hat den Eindruck eines recht bunten, zuweilen auch wol fratzenhaften
Maskcnspiels, in dem sich aber doch die jedesmalige Bildung der Zeit charakteristisch
abspiegelt. Aus der Periode des dreißigjährigen Kriegs sind sehr reichhaltige und
zum Theil interessante Bilder mitgetheilt und die Verfasser haben zugleich verständige
Blicke auf die allgemeinen Culturverhältnisse jener Periode geworfen. Für das 18. Jahr¬
hundert haben sie eine Quelle benutzt, die man bisher noch wenig beachtet hat, die
Stammbuchblätter. Bekanntlich sind die Verse, die man darin zu verzeichnen pflegt,
nur in den seltensten Fällen geistreich, aber was ihnen an Verstand abgeht, ersetzen
sie durch Naturwüchsigkeit, die für den spätern Historiker sehr belehrend ist. So
verdankt das gegenwärtige Werk dem Stammbuch des Fechtmeister Prcußkcr (1737--42)
manche beachtenswerthe Notiz. Es sind nicht blos die Sy/nahe, welche dies Buch
interessant machen, sondern vor allem die darin enthaltenen Bilder. Auf dem einen


So begnügten wir uns mit einem Gange nach Norden bis dahin, wo
auf der Stätte des alten Kerameikos die geschlossenen Häuserreihen sich all-
mälig auflösen. Bei den Kaffeeschenken, die hier die Straße nach Patissia
einschließen, kehrten wir um, und wieder blickte uns die Akropolis. jetzt ganz
schwarz geworden, von der Höhe über der Aeolusstraße entgegen; zur Rechten
aber schimmerte in der Ferne zwischen ebenfalls schwarzen Landzungen und
dunkelgrauen Inseln das mondbeglänzte Meer herauf. Ueber diesem ruhigen,
schwermüthig schönen Bilde vergaß ich das ganze moderne Athen, mit ihm
legte ich mich zum Schlafen nieder und von ihm träumte ich halb schlummernd
halb wachend, bis das Schwarz wieder in die köstliche blaurothe Färbung
überging, welche der Berg mit seinen Ruinen in der Dämmerstunde gezeigt
hatte. Mit dieser Farbe prägten sich mir die Linien des verehrten Bildes
für immer ein, sie gab die eigne halb andächtige, halb wehmüthige Stim¬
mung her, die mich später immer überkam, wenn der Name der Burg Pallas
Atheneus genannt wurde.




Literatur.

Geschichte des jcnaischcn S enden ten lebens von der Gründung der
Universität bis zur Gegenwart. (1558—1858). Eine Festgabe zum drcihundert-
jährigen Jubiläum der Universität Jena. Von Dr. Richard Keil und Dr. Robert
Keil. Leipzig, Brockhaus. — Die Geschichte einer Universität enthält immer ein
bedeutendes Stück deutschen Culturlebens, namentlich wenn sie so tief in die geistige
Entwicklung verflochten ist wie Jena. , Von diesem Standpunkt aus wird wahr¬
scheinlich bei Gelegenheit eines Festes, an dem jeder Deutsche herzlichen Antheil nimmt,
noch manch beachtenswerthes Buch erscheinen; das gegenwärtige beschäftigt sich aus¬
schließlich mit der einen Seite der Universität, mit dem Studentenleben. Die Ver¬
fasser haben zu diesem Zweck viel Material zusammengebracht, sie haben dasselbe gut
gruppirt und den gemüthlichen Ton glücklich gefunden, der sich für ein solches Genre¬
bild eignet. Man hat den Eindruck eines recht bunten, zuweilen auch wol fratzenhaften
Maskcnspiels, in dem sich aber doch die jedesmalige Bildung der Zeit charakteristisch
abspiegelt. Aus der Periode des dreißigjährigen Kriegs sind sehr reichhaltige und
zum Theil interessante Bilder mitgetheilt und die Verfasser haben zugleich verständige
Blicke auf die allgemeinen Culturverhältnisse jener Periode geworfen. Für das 18. Jahr¬
hundert haben sie eine Quelle benutzt, die man bisher noch wenig beachtet hat, die
Stammbuchblätter. Bekanntlich sind die Verse, die man darin zu verzeichnen pflegt,
nur in den seltensten Fällen geistreich, aber was ihnen an Verstand abgeht, ersetzen
sie durch Naturwüchsigkeit, die für den spätern Historiker sehr belehrend ist. So
verdankt das gegenwärtige Werk dem Stammbuch des Fechtmeister Prcußkcr (1737—42)
manche beachtenswerthe Notiz. Es sind nicht blos die Sy/nahe, welche dies Buch
interessant machen, sondern vor allem die darin enthaltenen Bilder. Auf dem einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/246>, abgerufen am 22.07.2024.