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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Bänken des Verdecks lehnten, sogar dem Schwarz vor andern Farben den
Vorrang gegeben. Jetzt wimmelte es zwischen Bugspriet und Hauptmast von
rothen Mützen und weißen Fustanellen, vielfarbigen Leibbinden, Troddeln und Bor¬
ten. Ionische Schiffer fragten nach Passagieren, und in dreißig Montene¬
grinern, die nach Konstantinopel wollten, war ein noch bunteres Stück orien¬
talischen Lebens an Bord gestiegen.

Sobald sichs thun ließ, fuhren wir ans Land. Die Stadt bot im In¬
nern das Bild aller südlichen Städte: enge, schmuzige, von üblen Gerüchen
erfüllte Gassen, elende dunkle Schenken, offne Werkstätten, ungewaschene Fen¬
sterscheiben und vergilbte Vorhänge. Wir eilten daher, nach der sogenannten
Esplanade zu kommen, einer schönen Anlage mit Baumgängen und Blumen¬
beeten, auf welche von der einen Seite elegante Häuser herabsehen, während
aus der andern die Wohnung des Gouverneurs und. durch eine Schlucht ge¬
schieden, die Festungswerke, Kasernen und Magazine der Fortezza Vecchia
liegen. Nach allen Richtungen hin trifft man hier auf überraschende Durch¬
blicke nach dem Meere, nach der Felsenküste von Albanien und nach den be¬
nachbarten kleinen Inseln. Eine ununterbrochene Scala von Genüssen sür
das Auge aber bietet ein Gang nach der Flagstafsbatterie, dem höchsten Punkte
dieses Theils der Festung. Man geht über die Brücke nach den Kasernen,
kommt durch Thor aus Thor und Hof auf Hof hinaus auf einen von Bäumen
beschatteten Abhang, von wo man eine köstliche Aussicht auf die tief unten
sich hinstreckende Rhede hat, schaut, auf schönen Kieswegen nach einem Fels¬
sattel höher steigend, plötzlich wieder in eine prachtvolle tiefblaue Bucht hin¬
ab, und überblickt endlich von der Brüstung der genannten Batterie das
ganze farbenreiche Panorama dieses Theils von Korfu: die Stadt, die zahl¬
reichen Landhäuser und Dörfer im Westen, von denen bei der Klarheit der
Atmosphäre auch die fernsten deutlich zu erkennen sind, die mit allerlei süd¬
lichen Bäumen bewachsenen Hügel am Fuße des halbmondförmigen Gebirgs,
welches das Rückgrat der Insel bildet, den kleinen See in der Mitte des
Vordergrundes , die vielgipfeligen Bergketten des Festlandes mit ihren wei߬
lichen Spitzen und Kanten und ihren hellblauen Schluchten, endlich das in
der Nähe dunkelblaue, weiterhin röthlich schimmernde Meer.

In deutschen und französischen Festungen hätte man uns schwerlich ohne
Erlaubnißschein vom Commandanten sehen lassen, was uns beliebte. Hier
kümmerte sich keine Seele um den Fremden. Nur die letzte Schildwache fragte:
"LeloriAinA to ib." ^lagst-M?" Ich antwortete frisch weg rin "^gg, Sir",
wir gingen weiter, und der Rothrock gab sich damit zufrieden.

Später wurde ein Ausflug in das Innere der Insel unternommen, bei
dem wir unser Ziel, einen Punkt mit vielgerühmter Aussicht, den Murray
als Om-Gun-Battery bezeichnet, zwar nicht auffanden, dafür aber einige


Bänken des Verdecks lehnten, sogar dem Schwarz vor andern Farben den
Vorrang gegeben. Jetzt wimmelte es zwischen Bugspriet und Hauptmast von
rothen Mützen und weißen Fustanellen, vielfarbigen Leibbinden, Troddeln und Bor¬
ten. Ionische Schiffer fragten nach Passagieren, und in dreißig Montene¬
grinern, die nach Konstantinopel wollten, war ein noch bunteres Stück orien¬
talischen Lebens an Bord gestiegen.

Sobald sichs thun ließ, fuhren wir ans Land. Die Stadt bot im In¬
nern das Bild aller südlichen Städte: enge, schmuzige, von üblen Gerüchen
erfüllte Gassen, elende dunkle Schenken, offne Werkstätten, ungewaschene Fen¬
sterscheiben und vergilbte Vorhänge. Wir eilten daher, nach der sogenannten
Esplanade zu kommen, einer schönen Anlage mit Baumgängen und Blumen¬
beeten, auf welche von der einen Seite elegante Häuser herabsehen, während
aus der andern die Wohnung des Gouverneurs und. durch eine Schlucht ge¬
schieden, die Festungswerke, Kasernen und Magazine der Fortezza Vecchia
liegen. Nach allen Richtungen hin trifft man hier auf überraschende Durch¬
blicke nach dem Meere, nach der Felsenküste von Albanien und nach den be¬
nachbarten kleinen Inseln. Eine ununterbrochene Scala von Genüssen sür
das Auge aber bietet ein Gang nach der Flagstafsbatterie, dem höchsten Punkte
dieses Theils der Festung. Man geht über die Brücke nach den Kasernen,
kommt durch Thor aus Thor und Hof auf Hof hinaus auf einen von Bäumen
beschatteten Abhang, von wo man eine köstliche Aussicht auf die tief unten
sich hinstreckende Rhede hat, schaut, auf schönen Kieswegen nach einem Fels¬
sattel höher steigend, plötzlich wieder in eine prachtvolle tiefblaue Bucht hin¬
ab, und überblickt endlich von der Brüstung der genannten Batterie das
ganze farbenreiche Panorama dieses Theils von Korfu: die Stadt, die zahl¬
reichen Landhäuser und Dörfer im Westen, von denen bei der Klarheit der
Atmosphäre auch die fernsten deutlich zu erkennen sind, die mit allerlei süd¬
lichen Bäumen bewachsenen Hügel am Fuße des halbmondförmigen Gebirgs,
welches das Rückgrat der Insel bildet, den kleinen See in der Mitte des
Vordergrundes , die vielgipfeligen Bergketten des Festlandes mit ihren wei߬
lichen Spitzen und Kanten und ihren hellblauen Schluchten, endlich das in
der Nähe dunkelblaue, weiterhin röthlich schimmernde Meer.

In deutschen und französischen Festungen hätte man uns schwerlich ohne
Erlaubnißschein vom Commandanten sehen lassen, was uns beliebte. Hier
kümmerte sich keine Seele um den Fremden. Nur die letzte Schildwache fragte:
„LeloriAinA to ib.« ^lagst-M?" Ich antwortete frisch weg rin „^gg, Sir",
wir gingen weiter, und der Rothrock gab sich damit zufrieden.

Später wurde ein Ausflug in das Innere der Insel unternommen, bei
dem wir unser Ziel, einen Punkt mit vielgerühmter Aussicht, den Murray
als Om-Gun-Battery bezeichnet, zwar nicht auffanden, dafür aber einige


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[0236] Bänken des Verdecks lehnten, sogar dem Schwarz vor andern Farben den Vorrang gegeben. Jetzt wimmelte es zwischen Bugspriet und Hauptmast von rothen Mützen und weißen Fustanellen, vielfarbigen Leibbinden, Troddeln und Bor¬ ten. Ionische Schiffer fragten nach Passagieren, und in dreißig Montene¬ grinern, die nach Konstantinopel wollten, war ein noch bunteres Stück orien¬ talischen Lebens an Bord gestiegen. Sobald sichs thun ließ, fuhren wir ans Land. Die Stadt bot im In¬ nern das Bild aller südlichen Städte: enge, schmuzige, von üblen Gerüchen erfüllte Gassen, elende dunkle Schenken, offne Werkstätten, ungewaschene Fen¬ sterscheiben und vergilbte Vorhänge. Wir eilten daher, nach der sogenannten Esplanade zu kommen, einer schönen Anlage mit Baumgängen und Blumen¬ beeten, auf welche von der einen Seite elegante Häuser herabsehen, während aus der andern die Wohnung des Gouverneurs und. durch eine Schlucht ge¬ schieden, die Festungswerke, Kasernen und Magazine der Fortezza Vecchia liegen. Nach allen Richtungen hin trifft man hier auf überraschende Durch¬ blicke nach dem Meere, nach der Felsenküste von Albanien und nach den be¬ nachbarten kleinen Inseln. Eine ununterbrochene Scala von Genüssen sür das Auge aber bietet ein Gang nach der Flagstafsbatterie, dem höchsten Punkte dieses Theils der Festung. Man geht über die Brücke nach den Kasernen, kommt durch Thor aus Thor und Hof auf Hof hinaus auf einen von Bäumen beschatteten Abhang, von wo man eine köstliche Aussicht auf die tief unten sich hinstreckende Rhede hat, schaut, auf schönen Kieswegen nach einem Fels¬ sattel höher steigend, plötzlich wieder in eine prachtvolle tiefblaue Bucht hin¬ ab, und überblickt endlich von der Brüstung der genannten Batterie das ganze farbenreiche Panorama dieses Theils von Korfu: die Stadt, die zahl¬ reichen Landhäuser und Dörfer im Westen, von denen bei der Klarheit der Atmosphäre auch die fernsten deutlich zu erkennen sind, die mit allerlei süd¬ lichen Bäumen bewachsenen Hügel am Fuße des halbmondförmigen Gebirgs, welches das Rückgrat der Insel bildet, den kleinen See in der Mitte des Vordergrundes , die vielgipfeligen Bergketten des Festlandes mit ihren wei߬ lichen Spitzen und Kanten und ihren hellblauen Schluchten, endlich das in der Nähe dunkelblaue, weiterhin röthlich schimmernde Meer. In deutschen und französischen Festungen hätte man uns schwerlich ohne Erlaubnißschein vom Commandanten sehen lassen, was uns beliebte. Hier kümmerte sich keine Seele um den Fremden. Nur die letzte Schildwache fragte: „LeloriAinA to ib.« ^lagst-M?" Ich antwortete frisch weg rin „^gg, Sir", wir gingen weiter, und der Rothrock gab sich damit zufrieden. Später wurde ein Ausflug in das Innere der Insel unternommen, bei dem wir unser Ziel, einen Punkt mit vielgerühmter Aussicht, den Murray als Om-Gun-Battery bezeichnet, zwar nicht auffanden, dafür aber einige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/236>, abgerufen am 23.07.2024.