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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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auf gründlichen Studien beruhende Formenwahl, die Meisterschaft seiner Zeich¬
nung sind allgemein bekannt, auch das Eolorit. wenn auch nicht blendender
Art und unter den Ausdrucksmitteln nicht un Vordergründe, zeigt mit ältern
Werken verglichen die Spuren der mühevollen Arbeit großentheils verwischt.

Die deutsche Kunst der Gegenwart ist durch Lessings Gemälde um ein
schönes Blatt reicher geworden. Leider ,se dies nicht die einzige Bedeutung
des Werkes. Es bildet Lessings Abschiedsgruß an Düsseldorf. In wenigen
Tagen verläßt der Meister die Stätte dreißigjährigen Wirkens, um in Karls¬
ruhe eine neue Heimath aufzuschlagen. Lessing stand der Akademie fern, sein
ernstes, nach innen gekehrtes, anspruchsloses Wesen ließen seinen Einfluß nicht
grade ausgreifend erscheinen, er hat keine eigentliche Schule gegründet und
dennoch bleibt sein Fortgang der herbste Verlust, den Düsseldorf bis jetzt
erlitten.

Wir kennen alle die Mängel der düsseldorser Schule, die Gebrechen des
Kunstlebens daselbst und sind namentlich in den letzten Jahren mit Tadel und
Vorwürfen nicht karg gewesen. Dennoch können wir uns nicht helfen, nicht
ableugnen die große Popularität, welche die düsseldorser Schule weit und breit
genießt. Sei es die Freude an dem muntern Völkchen, das seinen Wahl¬
spruch: "Erst mach deine Sach, dann Scherz und lach" in vollem Ernste nimmt
und wo alle Welt den Kopf hängen läßt, den Humor nicht ganz verlernt hat.
sei es der Stolz darüber, daß eine seit Jahren vom Staate stiefmütterlich
behandelte Kunstschule, ausschließlich auf die Betriebsamkeit ihrer Mitglieder
und die Theilnahme gebildeter Privaten angewiesen, nicht verzagte, im Wir-
ken und Wetteifern nicht nachließ, wir fühlen ein warmes Interesse für
Düsseldorf und werden durch jeden Verlust, den es erleidet, in unsern Sym¬
pathien empfindlich verletzt. Was ist aber Düsseldorf ohne Lessing? Seit
dreißig Jahren ein Mittelpunkt der Schule, hat er alle Entwicklungsphasen
derselben persönlich durchgemacht, der einzige von den Alten ist er jung ge¬
blieben und aus den Krisen, dle er selbst theilweise eingeleitet, ungebrochen
in seiner Kraft hervorgegangen. Mit ihm verliert die Schule ihren berühm¬
testen Vertreter, ihre glänzendste Schöpfung, so zu sagen ihren Inhalt. Was
schon seit längerer Zeit gefahrbnngend drohte, wird, fürchten wir. in Erfüllung
gehen und Düsseldorf nur noch als äußerer Tummelplatz für die verschieden¬
artigsten Kräfte aus aller Herren Ländern in Geltung bleiben. Zu den Skan¬
dinaviern mögen noch Oestreicher und Russen. Engländer und Amerikaner sich
gesellen und hier für einige Jahr ihre Werkstätte gründen, aber das alte
Düsseldorf, das harmlos gemüthliche. Walddust liebende, das noch mit einem
wenn auch dünn gewordnen Faden an der Romantik festhielt, wird bald nur
noch in historischen Schilderungen leben. Nicht minder fühlbar wird Lessings
Fortgang in einer andern Beziehung werden. Man braucht nicht mehr scheu.


auf gründlichen Studien beruhende Formenwahl, die Meisterschaft seiner Zeich¬
nung sind allgemein bekannt, auch das Eolorit. wenn auch nicht blendender
Art und unter den Ausdrucksmitteln nicht un Vordergründe, zeigt mit ältern
Werken verglichen die Spuren der mühevollen Arbeit großentheils verwischt.

Die deutsche Kunst der Gegenwart ist durch Lessings Gemälde um ein
schönes Blatt reicher geworden. Leider ,se dies nicht die einzige Bedeutung
des Werkes. Es bildet Lessings Abschiedsgruß an Düsseldorf. In wenigen
Tagen verläßt der Meister die Stätte dreißigjährigen Wirkens, um in Karls¬
ruhe eine neue Heimath aufzuschlagen. Lessing stand der Akademie fern, sein
ernstes, nach innen gekehrtes, anspruchsloses Wesen ließen seinen Einfluß nicht
grade ausgreifend erscheinen, er hat keine eigentliche Schule gegründet und
dennoch bleibt sein Fortgang der herbste Verlust, den Düsseldorf bis jetzt
erlitten.

Wir kennen alle die Mängel der düsseldorser Schule, die Gebrechen des
Kunstlebens daselbst und sind namentlich in den letzten Jahren mit Tadel und
Vorwürfen nicht karg gewesen. Dennoch können wir uns nicht helfen, nicht
ableugnen die große Popularität, welche die düsseldorser Schule weit und breit
genießt. Sei es die Freude an dem muntern Völkchen, das seinen Wahl¬
spruch: „Erst mach deine Sach, dann Scherz und lach" in vollem Ernste nimmt
und wo alle Welt den Kopf hängen läßt, den Humor nicht ganz verlernt hat.
sei es der Stolz darüber, daß eine seit Jahren vom Staate stiefmütterlich
behandelte Kunstschule, ausschließlich auf die Betriebsamkeit ihrer Mitglieder
und die Theilnahme gebildeter Privaten angewiesen, nicht verzagte, im Wir-
ken und Wetteifern nicht nachließ, wir fühlen ein warmes Interesse für
Düsseldorf und werden durch jeden Verlust, den es erleidet, in unsern Sym¬
pathien empfindlich verletzt. Was ist aber Düsseldorf ohne Lessing? Seit
dreißig Jahren ein Mittelpunkt der Schule, hat er alle Entwicklungsphasen
derselben persönlich durchgemacht, der einzige von den Alten ist er jung ge¬
blieben und aus den Krisen, dle er selbst theilweise eingeleitet, ungebrochen
in seiner Kraft hervorgegangen. Mit ihm verliert die Schule ihren berühm¬
testen Vertreter, ihre glänzendste Schöpfung, so zu sagen ihren Inhalt. Was
schon seit längerer Zeit gefahrbnngend drohte, wird, fürchten wir. in Erfüllung
gehen und Düsseldorf nur noch als äußerer Tummelplatz für die verschieden¬
artigsten Kräfte aus aller Herren Ländern in Geltung bleiben. Zu den Skan¬
dinaviern mögen noch Oestreicher und Russen. Engländer und Amerikaner sich
gesellen und hier für einige Jahr ihre Werkstätte gründen, aber das alte
Düsseldorf, das harmlos gemüthliche. Walddust liebende, das noch mit einem
wenn auch dünn gewordnen Faden an der Romantik festhielt, wird bald nur
noch in historischen Schilderungen leben. Nicht minder fühlbar wird Lessings
Fortgang in einer andern Beziehung werden. Man braucht nicht mehr scheu.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/23>, abgerufen am 03.07.2024.