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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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bach, dcnRubicon, zu überschreiten, so sieht er sich gegenüber eine kühngezackte
Felsenkuppe aus dem übrigen Gebirgszuge weit in das flachere Land hinaus
vorgeschoben. Drei Zacken sind von alten Schlössern und Thürmen gekrönt,
von der vierten ragt eine Kirche, und längs des Bergrandes sieht man eine
Reihe von Häusergiebeln.

Dieser Berg ist der Titano und die Felszacken sind die Spitzen, oder,
wie sie mit einem keltisch abzuleitenden Worte heißen, die ?crus von San
Marino.

An dieser Ecke des Gebirgszuges, wo der Apennin die Richtung von
Ostnordost nach Westsüdwest verläßt, in welcher er bis dahin die Halbinsel
quer von einem zum anderen Meere durchschnitt, um sich nun das adriatische
Meer entlang von Nordwesten nach Südosten zu wenden, sind die Schichten
des weichen, tuffartiger Kalkgesteines so gegen das innere gebirgige Land hin
geneigt und gegen Meer und Flachland ausgerichtet, daß die Kopfe der Schich¬
ten, als steile Klippen, nach außen fast senkrecht abfallen, während sie gegen
das innere Land sich allmälig abdachen und für Häuser und menschliche
Wohnstätten tauglichen Raum geben.

Den Knotenpunkt jener Wendung des Apennins bildet in der Centralkette
ein Gebirgsstock, der am Falterona und dem Monte Coronaro einen Doppel¬
gipfel hat. und von dem nach Abend und Mittag die beiden größten Flüsse
Mitteliwiiens, Arno und Tiber, dem mittelländischen Meere zueilen, während
gegen Westen und Nordwesten eine Anzahl kleinerer Bergströme das mürbe
Gestein durchfurchen. Das Hochland zwischen diesen Strömen heißt das Ge¬
biet von Monte Falero und als dessen Hauptstadt gilt die nur wenig weiter
landeinwärts, womöglich noch kühner gelegene, Bergfestung San Leo, die
im Mittelalter selbst mit dem allgemeinen Namen Monte Feltro genannt ward.

Der Küstensaum, der sich gegen Morgen an dem Apenninenfuß hinzieht,
heißt die Mark, oder specieller die Mark Ancona. Die fruchtbare Ebene, die
nach Mitternacht sich bis zu den Marschländern der Poniederung erstreckt, führt
den Namen Romagna. Eben wo nun diese drei Bezirke zusammenstoßen,
weder dem Monte Feltro, noch der Mark oder der Romagna angehörend,
ragt als ein Grenzpfeiler die Felsenkuppe von San Marino.

Die Höhe dieser Bergspitze wird zu 2444 pariser Fuß angegeben, sie
kommt also den Gipfelpunkten des thüringer Waldes ohngefähr gleich. Auch
unter dem 43. Breitegrad ist dies eine Höhe, die sich der Vegetation erheblich
fühlbar macht. So günstig gelegen aber lehnt sich das Städtchen an den
sanften Südabhang des Berges, so sicheren Schutz gegen Norden gewährt die
steil abgebrochene Felsenwand, daß nicht nur die Rebe auf dem dürren Stein¬
boden ein Gewächs von seltener Würzigkeit beut, sondern auch der Lorbeer
in den höchstgelegenen Gärten des Ortes üppig gedeiht und zwischen dem


bach, dcnRubicon, zu überschreiten, so sieht er sich gegenüber eine kühngezackte
Felsenkuppe aus dem übrigen Gebirgszuge weit in das flachere Land hinaus
vorgeschoben. Drei Zacken sind von alten Schlössern und Thürmen gekrönt,
von der vierten ragt eine Kirche, und längs des Bergrandes sieht man eine
Reihe von Häusergiebeln.

Dieser Berg ist der Titano und die Felszacken sind die Spitzen, oder,
wie sie mit einem keltisch abzuleitenden Worte heißen, die ?crus von San
Marino.

An dieser Ecke des Gebirgszuges, wo der Apennin die Richtung von
Ostnordost nach Westsüdwest verläßt, in welcher er bis dahin die Halbinsel
quer von einem zum anderen Meere durchschnitt, um sich nun das adriatische
Meer entlang von Nordwesten nach Südosten zu wenden, sind die Schichten
des weichen, tuffartiger Kalkgesteines so gegen das innere gebirgige Land hin
geneigt und gegen Meer und Flachland ausgerichtet, daß die Kopfe der Schich¬
ten, als steile Klippen, nach außen fast senkrecht abfallen, während sie gegen
das innere Land sich allmälig abdachen und für Häuser und menschliche
Wohnstätten tauglichen Raum geben.

Den Knotenpunkt jener Wendung des Apennins bildet in der Centralkette
ein Gebirgsstock, der am Falterona und dem Monte Coronaro einen Doppel¬
gipfel hat. und von dem nach Abend und Mittag die beiden größten Flüsse
Mitteliwiiens, Arno und Tiber, dem mittelländischen Meere zueilen, während
gegen Westen und Nordwesten eine Anzahl kleinerer Bergströme das mürbe
Gestein durchfurchen. Das Hochland zwischen diesen Strömen heißt das Ge¬
biet von Monte Falero und als dessen Hauptstadt gilt die nur wenig weiter
landeinwärts, womöglich noch kühner gelegene, Bergfestung San Leo, die
im Mittelalter selbst mit dem allgemeinen Namen Monte Feltro genannt ward.

Der Küstensaum, der sich gegen Morgen an dem Apenninenfuß hinzieht,
heißt die Mark, oder specieller die Mark Ancona. Die fruchtbare Ebene, die
nach Mitternacht sich bis zu den Marschländern der Poniederung erstreckt, führt
den Namen Romagna. Eben wo nun diese drei Bezirke zusammenstoßen,
weder dem Monte Feltro, noch der Mark oder der Romagna angehörend,
ragt als ein Grenzpfeiler die Felsenkuppe von San Marino.

Die Höhe dieser Bergspitze wird zu 2444 pariser Fuß angegeben, sie
kommt also den Gipfelpunkten des thüringer Waldes ohngefähr gleich. Auch
unter dem 43. Breitegrad ist dies eine Höhe, die sich der Vegetation erheblich
fühlbar macht. So günstig gelegen aber lehnt sich das Städtchen an den
sanften Südabhang des Berges, so sicheren Schutz gegen Norden gewährt die
steil abgebrochene Felsenwand, daß nicht nur die Rebe auf dem dürren Stein¬
boden ein Gewächs von seltener Würzigkeit beut, sondern auch der Lorbeer
in den höchstgelegenen Gärten des Ortes üppig gedeiht und zwischen dem


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[0152] bach, dcnRubicon, zu überschreiten, so sieht er sich gegenüber eine kühngezackte Felsenkuppe aus dem übrigen Gebirgszuge weit in das flachere Land hinaus vorgeschoben. Drei Zacken sind von alten Schlössern und Thürmen gekrönt, von der vierten ragt eine Kirche, und längs des Bergrandes sieht man eine Reihe von Häusergiebeln. Dieser Berg ist der Titano und die Felszacken sind die Spitzen, oder, wie sie mit einem keltisch abzuleitenden Worte heißen, die ?crus von San Marino. An dieser Ecke des Gebirgszuges, wo der Apennin die Richtung von Ostnordost nach Westsüdwest verläßt, in welcher er bis dahin die Halbinsel quer von einem zum anderen Meere durchschnitt, um sich nun das adriatische Meer entlang von Nordwesten nach Südosten zu wenden, sind die Schichten des weichen, tuffartiger Kalkgesteines so gegen das innere gebirgige Land hin geneigt und gegen Meer und Flachland ausgerichtet, daß die Kopfe der Schich¬ ten, als steile Klippen, nach außen fast senkrecht abfallen, während sie gegen das innere Land sich allmälig abdachen und für Häuser und menschliche Wohnstätten tauglichen Raum geben. Den Knotenpunkt jener Wendung des Apennins bildet in der Centralkette ein Gebirgsstock, der am Falterona und dem Monte Coronaro einen Doppel¬ gipfel hat. und von dem nach Abend und Mittag die beiden größten Flüsse Mitteliwiiens, Arno und Tiber, dem mittelländischen Meere zueilen, während gegen Westen und Nordwesten eine Anzahl kleinerer Bergströme das mürbe Gestein durchfurchen. Das Hochland zwischen diesen Strömen heißt das Ge¬ biet von Monte Falero und als dessen Hauptstadt gilt die nur wenig weiter landeinwärts, womöglich noch kühner gelegene, Bergfestung San Leo, die im Mittelalter selbst mit dem allgemeinen Namen Monte Feltro genannt ward. Der Küstensaum, der sich gegen Morgen an dem Apenninenfuß hinzieht, heißt die Mark, oder specieller die Mark Ancona. Die fruchtbare Ebene, die nach Mitternacht sich bis zu den Marschländern der Poniederung erstreckt, führt den Namen Romagna. Eben wo nun diese drei Bezirke zusammenstoßen, weder dem Monte Feltro, noch der Mark oder der Romagna angehörend, ragt als ein Grenzpfeiler die Felsenkuppe von San Marino. Die Höhe dieser Bergspitze wird zu 2444 pariser Fuß angegeben, sie kommt also den Gipfelpunkten des thüringer Waldes ohngefähr gleich. Auch unter dem 43. Breitegrad ist dies eine Höhe, die sich der Vegetation erheblich fühlbar macht. So günstig gelegen aber lehnt sich das Städtchen an den sanften Südabhang des Berges, so sicheren Schutz gegen Norden gewährt die steil abgebrochene Felsenwand, daß nicht nur die Rebe auf dem dürren Stein¬ boden ein Gewächs von seltener Würzigkeit beut, sondern auch der Lorbeer in den höchstgelegenen Gärten des Ortes üppig gedeiht und zwischen dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/152>, abgerufen am 22.07.2024.