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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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einer ein Stück Leinwand bringet, solls zerschneiden, spricht er zu seinem
Kameraden: Gehe hin. mache den Bauer., (meinen Schwäher meinend)
vollends todt. Dieser geht hin. kommt bald wieder und hat in sei¬
nen Armen meines Schwähers Hosen und Wamms, und spricht zu
meiner Frau: "dein Vater ist fertig". O Grausamkeit! Als die Mauser
genug aus der Kirche gemauset hatten an Kleidern, und weißem Zeug,
zogen sie aus der Stadt, und mußte mein Weib mit ihnen, es wäre ihr
lieb oder leid. -- ' -

Nicht lange darnach bekamen sie vor Leipzig und Lützen ihren
Lohn dafür, wie ,an andern Orten zu lesen. Nach diesem zog man
allenthalben wieder nach Haus, und fanden sich die Leute wieder. Aber das
Schaf- und Rindvieh war alles weg. Ich erhielt mehr nicht als 3 Kälber
von 8 Stück, ohne die 48 Schafe, die mit der ganzen Herde wegkamen.

Im tönten Jahre starb und ward begraben Herzog Johann Casimir eben
an dem Tage, da dem Gustav. König in Schweden in diesem Land seine Leichen¬
predigt gethan ward. War solche Zeit ein sehr großes Rauben und Plündsrn.
auch von Herzog Bernhards Völkern, deren 9 Regimenter im Jtzgrund lagen,
damit man in Sicherheit den fürstlichen Leichnam begraben konnte.

^.no "4 war es noch viel arger; und man merkte wohl, daß in kurzem
alles über und untergehen würde. Darum that ich aus dem Weg. was ich
konnte, gen Stelzen, zum Pfarrer, meine Betten. 2 Kühe und Kleider u. s. w..
aber es ging im Herbst, nachdem Lamboy sich eingelagert, alles an allen
Orten daraus, und kostete mich das Winterquartier in 35 Wochen mehr als
si.. wie ichs dem Hauptmann Krebs Uguidiren mußte. Hatte in
meinem Hause 1 > Personen, ohne Troß und Mägde. Es ist nicht zu beschreiben,
was ich, mein Weib und Kinder die Zeit über habe leiden und ausstehen
müssen. Konnte endlich nicht länger vor ihnen sicher sein, machte mich krank
aus dem Staube, kam nach Mitwitz und Mupperg. da ich ja so wenig Ruhe
hatte, als zu Heldburg. Sonderlich quälete mich meine Stiefmutter, (sie ist
vom Donner erschlagen worden.) sie konnte mich nicht sehen in meinem Exil bei
meinem alten Vater. Mußte mich nach Neustadt machen zu Herrn Rector M. Val.
Hoffmann, jetzigem Superintendent. Aberich warnicht alleinschrarm. sondern auch
täglich kränker, deswegen ich nur gedachte, wie ich wider gen Poppenhausen oder
Heldburg käme, und da stürbe. Denn ich war meines Lebens ganz müde. Wunder-
lich kam ich in Finsterniß und Nacht durch die Wege und Dörfer, da es noch
allenthalben unsicher war. und endlich naH Poppenhausen. Da waren meine
armen Pfarrkinder und Schulmeister ja so froh, als wenn unser Herrgott
gekommen wäre. Es war aber solch große Mattigkeit und Mangel, daß wir
den todten Leuten ähnlicher sahen, als den lebendigen. Viele lagen schon
aus Hunger darnieder, und mußten gleichwol alle Tage etliche Male Fersen-


einer ein Stück Leinwand bringet, solls zerschneiden, spricht er zu seinem
Kameraden: Gehe hin. mache den Bauer., (meinen Schwäher meinend)
vollends todt. Dieser geht hin. kommt bald wieder und hat in sei¬
nen Armen meines Schwähers Hosen und Wamms, und spricht zu
meiner Frau: „dein Vater ist fertig". O Grausamkeit! Als die Mauser
genug aus der Kirche gemauset hatten an Kleidern, und weißem Zeug,
zogen sie aus der Stadt, und mußte mein Weib mit ihnen, es wäre ihr
lieb oder leid. — ' -

Nicht lange darnach bekamen sie vor Leipzig und Lützen ihren
Lohn dafür, wie ,an andern Orten zu lesen. Nach diesem zog man
allenthalben wieder nach Haus, und fanden sich die Leute wieder. Aber das
Schaf- und Rindvieh war alles weg. Ich erhielt mehr nicht als 3 Kälber
von 8 Stück, ohne die 48 Schafe, die mit der ganzen Herde wegkamen.

Im tönten Jahre starb und ward begraben Herzog Johann Casimir eben
an dem Tage, da dem Gustav. König in Schweden in diesem Land seine Leichen¬
predigt gethan ward. War solche Zeit ein sehr großes Rauben und Plündsrn.
auch von Herzog Bernhards Völkern, deren 9 Regimenter im Jtzgrund lagen,
damit man in Sicherheit den fürstlichen Leichnam begraben konnte.

^.no »4 war es noch viel arger; und man merkte wohl, daß in kurzem
alles über und untergehen würde. Darum that ich aus dem Weg. was ich
konnte, gen Stelzen, zum Pfarrer, meine Betten. 2 Kühe und Kleider u. s. w..
aber es ging im Herbst, nachdem Lamboy sich eingelagert, alles an allen
Orten daraus, und kostete mich das Winterquartier in 35 Wochen mehr als
si.. wie ichs dem Hauptmann Krebs Uguidiren mußte. Hatte in
meinem Hause 1 > Personen, ohne Troß und Mägde. Es ist nicht zu beschreiben,
was ich, mein Weib und Kinder die Zeit über habe leiden und ausstehen
müssen. Konnte endlich nicht länger vor ihnen sicher sein, machte mich krank
aus dem Staube, kam nach Mitwitz und Mupperg. da ich ja so wenig Ruhe
hatte, als zu Heldburg. Sonderlich quälete mich meine Stiefmutter, (sie ist
vom Donner erschlagen worden.) sie konnte mich nicht sehen in meinem Exil bei
meinem alten Vater. Mußte mich nach Neustadt machen zu Herrn Rector M. Val.
Hoffmann, jetzigem Superintendent. Aberich warnicht alleinschrarm. sondern auch
täglich kränker, deswegen ich nur gedachte, wie ich wider gen Poppenhausen oder
Heldburg käme, und da stürbe. Denn ich war meines Lebens ganz müde. Wunder-
lich kam ich in Finsterniß und Nacht durch die Wege und Dörfer, da es noch
allenthalben unsicher war. und endlich naH Poppenhausen. Da waren meine
armen Pfarrkinder und Schulmeister ja so froh, als wenn unser Herrgott
gekommen wäre. Es war aber solch große Mattigkeit und Mangel, daß wir
den todten Leuten ähnlicher sahen, als den lebendigen. Viele lagen schon
aus Hunger darnieder, und mußten gleichwol alle Tage etliche Male Fersen-


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[0067] einer ein Stück Leinwand bringet, solls zerschneiden, spricht er zu seinem Kameraden: Gehe hin. mache den Bauer., (meinen Schwäher meinend) vollends todt. Dieser geht hin. kommt bald wieder und hat in sei¬ nen Armen meines Schwähers Hosen und Wamms, und spricht zu meiner Frau: „dein Vater ist fertig". O Grausamkeit! Als die Mauser genug aus der Kirche gemauset hatten an Kleidern, und weißem Zeug, zogen sie aus der Stadt, und mußte mein Weib mit ihnen, es wäre ihr lieb oder leid. — ' - Nicht lange darnach bekamen sie vor Leipzig und Lützen ihren Lohn dafür, wie ,an andern Orten zu lesen. Nach diesem zog man allenthalben wieder nach Haus, und fanden sich die Leute wieder. Aber das Schaf- und Rindvieh war alles weg. Ich erhielt mehr nicht als 3 Kälber von 8 Stück, ohne die 48 Schafe, die mit der ganzen Herde wegkamen. Im tönten Jahre starb und ward begraben Herzog Johann Casimir eben an dem Tage, da dem Gustav. König in Schweden in diesem Land seine Leichen¬ predigt gethan ward. War solche Zeit ein sehr großes Rauben und Plündsrn. auch von Herzog Bernhards Völkern, deren 9 Regimenter im Jtzgrund lagen, damit man in Sicherheit den fürstlichen Leichnam begraben konnte. ^.no »4 war es noch viel arger; und man merkte wohl, daß in kurzem alles über und untergehen würde. Darum that ich aus dem Weg. was ich konnte, gen Stelzen, zum Pfarrer, meine Betten. 2 Kühe und Kleider u. s. w.. aber es ging im Herbst, nachdem Lamboy sich eingelagert, alles an allen Orten daraus, und kostete mich das Winterquartier in 35 Wochen mehr als si.. wie ichs dem Hauptmann Krebs Uguidiren mußte. Hatte in meinem Hause 1 > Personen, ohne Troß und Mägde. Es ist nicht zu beschreiben, was ich, mein Weib und Kinder die Zeit über habe leiden und ausstehen müssen. Konnte endlich nicht länger vor ihnen sicher sein, machte mich krank aus dem Staube, kam nach Mitwitz und Mupperg. da ich ja so wenig Ruhe hatte, als zu Heldburg. Sonderlich quälete mich meine Stiefmutter, (sie ist vom Donner erschlagen worden.) sie konnte mich nicht sehen in meinem Exil bei meinem alten Vater. Mußte mich nach Neustadt machen zu Herrn Rector M. Val. Hoffmann, jetzigem Superintendent. Aberich warnicht alleinschrarm. sondern auch täglich kränker, deswegen ich nur gedachte, wie ich wider gen Poppenhausen oder Heldburg käme, und da stürbe. Denn ich war meines Lebens ganz müde. Wunder- lich kam ich in Finsterniß und Nacht durch die Wege und Dörfer, da es noch allenthalben unsicher war. und endlich naH Poppenhausen. Da waren meine armen Pfarrkinder und Schulmeister ja so froh, als wenn unser Herrgott gekommen wäre. Es war aber solch große Mattigkeit und Mangel, daß wir den todten Leuten ähnlicher sahen, als den lebendigen. Viele lagen schon aus Hunger darnieder, und mußten gleichwol alle Tage etliche Male Fersen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/67>, abgerufen am 22.12.2024.