Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.schaft begriffen, vorkommen. Welcher ist der rechte Künstlerverein? das ist Wir kommen zu einem andern Uebelstande. Die Localcomites haben schaft begriffen, vorkommen. Welcher ist der rechte Künstlerverein? das ist Wir kommen zu einem andern Uebelstande. Die Localcomites haben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0508" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105785"/> <p xml:id="ID_1328" prev="#ID_1327"> schaft begriffen, vorkommen. Welcher ist der rechte Künstlerverein? das ist<lb/> keine müßige Frage. Düsseldorf zwar hat bei diesem Anlasse in ehrenwerther<lb/> Weise aller innern Parteiung vergessen und ein Localcomit6 zusammengesetzt<lb/> in welchem die Akademie, der Malkasten und der Unterstützungsverein eine<lb/> gleichmäßige Vertretung finden. Aber Wien! Der traurige Hader, der die<lb/> wiener Künstlerwelt seit Jahren zerklüftet und alles gesunde Kunstleben ver¬<lb/> hindert, zeigt sich auch diesmal stärker als die patriotische Gesinnung und das<lb/> artistische Interesse. Man klagt, daß „draußen" die östreichische Kunst verkannt<lb/> und ungebührlich mißachtet werde, man will die Gelegenheit der allgemeinen<lb/> deutschen Ausstellung benutzen, um die Welt von der Tüchtigkeit der wiener<lb/> Kunst zu überzeugen. Und um dies erfolgreich in das Werk zu setzen,<lb/> erheben sich zwei rivalisirende Comites, die sich in derber Weise anfeinden<lb/> und gegenseitig das Recht, die wiener Künstlerschaft zu vertreten, absprechen.<lb/> Zu entscheiden, wo dieses Recht in Wahrheit sei, ist nicht unsere Sache. Wir<lb/> wissen nur, daß der auf das persönliche Gebiet übertragene und einmal schon<lb/> in der Gerichtsstube ausgefochtene Zwist Wien eines köstlichen Kunstschmuckes<lb/> (der Fresken im Arsenal) beraubt hat und fürchten, daß er auch die rege Be¬<lb/> theiligung an der Münchner Ausstellung verhindern wird. Wird dem akade¬<lb/> mischen Comite das Schiedsgericht übertragen, so wird der fruchtbarste Künstler¬<lb/> kreis (Rahl. Gurlitt u. f.- w.) sich in grimmige Entsagung hüllen, verleiht<lb/> man das Recht der Künstlervertretung dem aus dem Verein zur Eintracht (!)<lb/> gebildeten Coaita, so entgeht dem Münchner Unternehmen die officielle Unter¬<lb/> stützung in Oestreich.</p><lb/> <p xml:id="ID_1329" next="#ID_1330"> Wir kommen zu einem andern Uebelstande. Die Localcomites haben<lb/> dahin zu wirken, daß die Künstler das Beste und Gelungenste ihrer Schöpfungen<lb/> zur Ausstellung senden. Die Entscheidung darüber bleibt den betreffenden<lb/> Künstlern selbst vorbehalten. Praktisch ausgelegt lautet die Bestimmung leider<lb/> nur so, daß wir eine ziemlich vollständige Uebersicht dessen, was sich grade in<lb/> diesem Augenblicke auf der Staffelei vorfindet, empfangen werden, hinsichtlich<lb/> der ältern Leistungen aber auf den launischen Zufall angewiesen bleiben.<lb/> Man muß ein großer Stümper in der neuern Kunstgeschichte sein, um nicht zu<lb/> wissen, daß unsere Kunst in den letzten Menschenaltern gar gewaltige Sprünge<lb/> gethan hat. Ob jeder Sprung einen wirklichen Fortschritt bedeute, ist eine<lb/> andere Frage. Genug, daß er allgemein als solcher angesehen wird. Unter<lb/> den ältern Künstlern wird es wenige geben, die nicht mehre dieser Epochen in<lb/> ihrem Leben selbstthätig durchgemacht hätten. Für sie aber sind die ältern<lb/> Weisen vergangen und vergessen. Sie werden sich der Mehrzahl nach hüten,<lb/> die Erinnerung an Irrthümer und Jugendsünden freiwillig aufzufrischen. An¬<lb/> ders für uns; für uns sind selbst Irrthümer lehrreich, wenn sie uns über den<lb/> Zustand der Kunstbildung einer bestimmten Zeit aufklären. Und die Münchner</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0508]
schaft begriffen, vorkommen. Welcher ist der rechte Künstlerverein? das ist
keine müßige Frage. Düsseldorf zwar hat bei diesem Anlasse in ehrenwerther
Weise aller innern Parteiung vergessen und ein Localcomit6 zusammengesetzt
in welchem die Akademie, der Malkasten und der Unterstützungsverein eine
gleichmäßige Vertretung finden. Aber Wien! Der traurige Hader, der die
wiener Künstlerwelt seit Jahren zerklüftet und alles gesunde Kunstleben ver¬
hindert, zeigt sich auch diesmal stärker als die patriotische Gesinnung und das
artistische Interesse. Man klagt, daß „draußen" die östreichische Kunst verkannt
und ungebührlich mißachtet werde, man will die Gelegenheit der allgemeinen
deutschen Ausstellung benutzen, um die Welt von der Tüchtigkeit der wiener
Kunst zu überzeugen. Und um dies erfolgreich in das Werk zu setzen,
erheben sich zwei rivalisirende Comites, die sich in derber Weise anfeinden
und gegenseitig das Recht, die wiener Künstlerschaft zu vertreten, absprechen.
Zu entscheiden, wo dieses Recht in Wahrheit sei, ist nicht unsere Sache. Wir
wissen nur, daß der auf das persönliche Gebiet übertragene und einmal schon
in der Gerichtsstube ausgefochtene Zwist Wien eines köstlichen Kunstschmuckes
(der Fresken im Arsenal) beraubt hat und fürchten, daß er auch die rege Be¬
theiligung an der Münchner Ausstellung verhindern wird. Wird dem akade¬
mischen Comite das Schiedsgericht übertragen, so wird der fruchtbarste Künstler¬
kreis (Rahl. Gurlitt u. f.- w.) sich in grimmige Entsagung hüllen, verleiht
man das Recht der Künstlervertretung dem aus dem Verein zur Eintracht (!)
gebildeten Coaita, so entgeht dem Münchner Unternehmen die officielle Unter¬
stützung in Oestreich.
Wir kommen zu einem andern Uebelstande. Die Localcomites haben
dahin zu wirken, daß die Künstler das Beste und Gelungenste ihrer Schöpfungen
zur Ausstellung senden. Die Entscheidung darüber bleibt den betreffenden
Künstlern selbst vorbehalten. Praktisch ausgelegt lautet die Bestimmung leider
nur so, daß wir eine ziemlich vollständige Uebersicht dessen, was sich grade in
diesem Augenblicke auf der Staffelei vorfindet, empfangen werden, hinsichtlich
der ältern Leistungen aber auf den launischen Zufall angewiesen bleiben.
Man muß ein großer Stümper in der neuern Kunstgeschichte sein, um nicht zu
wissen, daß unsere Kunst in den letzten Menschenaltern gar gewaltige Sprünge
gethan hat. Ob jeder Sprung einen wirklichen Fortschritt bedeute, ist eine
andere Frage. Genug, daß er allgemein als solcher angesehen wird. Unter
den ältern Künstlern wird es wenige geben, die nicht mehre dieser Epochen in
ihrem Leben selbstthätig durchgemacht hätten. Für sie aber sind die ältern
Weisen vergangen und vergessen. Sie werden sich der Mehrzahl nach hüten,
die Erinnerung an Irrthümer und Jugendsünden freiwillig aufzufrischen. An¬
ders für uns; für uns sind selbst Irrthümer lehrreich, wenn sie uns über den
Zustand der Kunstbildung einer bestimmten Zeit aufklären. Und die Münchner
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