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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Accent zu verleihen wußte, ward bezaubernd, da konnte er von geistreichen
Bemerkungen und Anekdoten sprudeln, aber solche Momentewaren selten, zu
der Zeit, wo die Verfasserin ihn sah, (es war unter der Julimonarchie) lebte
er in Mißmuth über verfehlte Ziele und Selbstvergötterung seines Talentes.

Wir haben nur einige der Salons berührt, welche Madame Ancelot uns
schildert, der Raum fehlt uns ihr weiter zu folgen in alle die Kreise, in welche
sie den Leser führt. Viele der Persönlichkeiten, die sie zeichnet, verdienten noch
nähere Betrachtung, so die Marquise de Talaru. die 1815 noch die Mode
trug, in welcher sie 1789 als junge Frau bewundert war, die Gräfin Cara-
man, einst Madame Tallien, die ihrerseits unter der Restauration in der grie¬
chischen Tracht des Directoriums erschien, der liebenswürdige Bibliothekar
von Se. Genöviiwe Mr. de Lancy, der Vicomte d'Artincourt, dieser Typus
französischer liebenswürdiger Eitelkeit. Charles Robler und andere. Doch wir
überlassen, dies dem Leser des interessanten Büchleins, das mehr als manche
umfangreiche Werke eine Idee von dem geistigen Leben während der Restau¬
ration gibt. Dabei ist die Sprache vorzüglich und die feinen und selbst tiefen
Bemerkungen, mit denen die Verfasserin ihre Salonsbilder begleitet, zeigen,
daß sie selbst zu jenen geistig ausgezeichneten Frauen zu zählen ist, welche sie
so wohl zu schildern weiß.




Napoleon III. und England.

Der Selbstherrscher der Franzosen liebt es, sich von Zeit zu Zeit in Reden
oder officiösen Schriftstücken an die öffentliche Meinung zu wenden, welche,
wie er bei Schluß der großen Ausstellung 1855 erklärte, doch schließlich immer
den Sieg davontrage. Bei diesen Auseinandersetzungen ist nur eine Bedin¬
gung stillschweigend angenommen, daß jene proteische Macht, welche der
Kaiser öffentliche Meinung nennt, niemals antworte, wenigstens niemals Zwei>
fel darüber laut werden lasse, ob jene Adressen ihre wirklichen Gefühle aus¬
drücken. Die Kritik jener Reden und Moniteurartikel ist daher in Frankreich
untersagt und da man trotz des Einschüchterungssystems gegen die Nachbar¬
staaten der belgischen, piemontesischen. deutschen und vor allem der englischen
Presse das Denken noch nicht ganz hat legen können, so werden die mi߬
liebigen auswärtigen Zeitungen nicht zugelassen. Die kaiserlichen Aeußerungen
sind also, um mit H. v. Gerlach zu reden, im eminenten Sinne Monologe.
Es versteht sich nun von selbst, daß dieselben bei der hervorragenden Stellung
Napoleons III. immer von Interesse und oft von großer Bedeutung sind, es
kann auch nicht geleugnet werden, daß sie gewöhnlich mit vielem Geschicke


Accent zu verleihen wußte, ward bezaubernd, da konnte er von geistreichen
Bemerkungen und Anekdoten sprudeln, aber solche Momentewaren selten, zu
der Zeit, wo die Verfasserin ihn sah, (es war unter der Julimonarchie) lebte
er in Mißmuth über verfehlte Ziele und Selbstvergötterung seines Talentes.

Wir haben nur einige der Salons berührt, welche Madame Ancelot uns
schildert, der Raum fehlt uns ihr weiter zu folgen in alle die Kreise, in welche
sie den Leser führt. Viele der Persönlichkeiten, die sie zeichnet, verdienten noch
nähere Betrachtung, so die Marquise de Talaru. die 1815 noch die Mode
trug, in welcher sie 1789 als junge Frau bewundert war, die Gräfin Cara-
man, einst Madame Tallien, die ihrerseits unter der Restauration in der grie¬
chischen Tracht des Directoriums erschien, der liebenswürdige Bibliothekar
von Se. Genöviiwe Mr. de Lancy, der Vicomte d'Artincourt, dieser Typus
französischer liebenswürdiger Eitelkeit. Charles Robler und andere. Doch wir
überlassen, dies dem Leser des interessanten Büchleins, das mehr als manche
umfangreiche Werke eine Idee von dem geistigen Leben während der Restau¬
ration gibt. Dabei ist die Sprache vorzüglich und die feinen und selbst tiefen
Bemerkungen, mit denen die Verfasserin ihre Salonsbilder begleitet, zeigen,
daß sie selbst zu jenen geistig ausgezeichneten Frauen zu zählen ist, welche sie
so wohl zu schildern weiß.




Napoleon III. und England.

Der Selbstherrscher der Franzosen liebt es, sich von Zeit zu Zeit in Reden
oder officiösen Schriftstücken an die öffentliche Meinung zu wenden, welche,
wie er bei Schluß der großen Ausstellung 1855 erklärte, doch schließlich immer
den Sieg davontrage. Bei diesen Auseinandersetzungen ist nur eine Bedin¬
gung stillschweigend angenommen, daß jene proteische Macht, welche der
Kaiser öffentliche Meinung nennt, niemals antworte, wenigstens niemals Zwei>
fel darüber laut werden lasse, ob jene Adressen ihre wirklichen Gefühle aus¬
drücken. Die Kritik jener Reden und Moniteurartikel ist daher in Frankreich
untersagt und da man trotz des Einschüchterungssystems gegen die Nachbar¬
staaten der belgischen, piemontesischen. deutschen und vor allem der englischen
Presse das Denken noch nicht ganz hat legen können, so werden die mi߬
liebigen auswärtigen Zeitungen nicht zugelassen. Die kaiserlichen Aeußerungen
sind also, um mit H. v. Gerlach zu reden, im eminenten Sinne Monologe.
Es versteht sich nun von selbst, daß dieselben bei der hervorragenden Stellung
Napoleons III. immer von Interesse und oft von großer Bedeutung sind, es
kann auch nicht geleugnet werden, daß sie gewöhnlich mit vielem Geschicke


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/462>, abgerufen am 22.12.2024.