Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.der Abb6 gut und immer. Er nahm zuerst das Wort und behielt es ge¬ Eine andere Welt bewegte sich in dem Salon der Herzogin von Abrantes, der Abb6 gut und immer. Er nahm zuerst das Wort und behielt es ge¬ Eine andere Welt bewegte sich in dem Salon der Herzogin von Abrantes, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105737"/> <p xml:id="ID_1201" prev="#ID_1200"> der Abb6 gut und immer. Er nahm zuerst das Wort und behielt es ge¬<lb/> raume Zeit, aber er hatte das Unglück zu husten und sein Zuhörer übernahm<lb/> die Rolle des Redners / er verlor keine Zeit, die Worte und Ideen drängten<lb/> sich, alles hörte still zu, man glaubte schon durch den feinsinnigen Scharfblick<lb/> seiner Bemerkungen und seinen Redefluß werde Preußen siegen, aber er<lb/> mußte sich schneuzen, und diesen Vortheil ließ sich der Abb6 nicht entgehen,<lb/> seine Beredtsamkeit war hinreißend und er wußte seine Meinung so geschickt<lb/> zu vertheidigen, daß man so lange er sprach seiner Ansicht war. H. v. Hum¬<lb/> boldt wollte am Ende eine,s Satzes einfallen, aber de Pratt sprach fort und<lb/> so folgte bald ein vollständiges Duo, beide sprachen zugleich, jeder zu einer<lb/> verschiedenen Gruppe, es war ein Streit wo es keinen Besiegten gab; Humboldt<lb/> sagte hernach lachend, er habe nicht ein Wort des Abb6 verloren und wieder¬<lb/> holte alles, was derselbe gesagt, indem er seine Stimme und Geberden<lb/> täuschend nachahmte." —</p><lb/> <p xml:id="ID_1202" next="#ID_1203"> Eine andere Welt bewegte sich in dem Salon der Herzogin von Abrantes,<lb/> der Witwe Junots, der sich wie Bernadotte vom gemeinen Soldaten empor¬<lb/> geschwungen und nach seinen Ahnen gefragt, antwortete, „ich selbst bin mein<lb/> Vorfahr!" Die Herzogin war eine liebenswürdige und geistreiche Frau, aber<lb/> verstand unglücklicherweise nicht das elende Metall zu schätzen; alle Augenblicke<lb/> war sie in Geldverlegenheit, und konnte sie über eine Summe verfügen, so<lb/> bezahlte sie nicht ihre Schulden, sondern kaufte überflüssige Niedlichkeiten.<lb/> Eines Abends ward der Thee statt um 11 Uhr erst nach Mitternacht servirt,<lb/> die Herzogin wußte ihre Gesellschaft durch hinreißend interessante Unterhaltung<lb/> über diese Verzögerung hinwegzutäuschen, aber der Grund war, daß am<lb/> Morgen das Silberzeug aus Geldmangel ins Pfandhaus gesandt war, erst<lb/> als der Thee genommen werden sollte, bemerkte man, daß noch Löffel zu den<lb/> Tassen gehörten und schickte geschwind zu Bekannten, dieselben zu leihen. Dies<lb/> war die Witwe des Mannes, der 1807 unumschränkter als ein König über<lb/> Portugal verfügte! Aber in wie manchem Salon spielt dieselbe Geschichte, man<lb/> sieht es dein graziösen Lächeln der Dame vom Hause nicht an, welche Mühe<lb/> es ihr erst vor einigen Stunden gekostet, ihre Gläubiger zu beschwichtigen,<lb/> das moderne Leben bewegt sich in Contrasten. Madame Ancelot gibt uns<lb/> einige interessante Silhouetten aus dem abrantesschen Salon: Bouilly, der<lb/> die Manie hatte, rührende Leichenreden zu halten, Fräulein Plessy, die dem<lb/> Theater zu Liebe eine glänzende englische Heirath abwies, und vor allem<lb/> Balzac, mit seinen Widersprüchen, seinem ruhelosen Treiben, mit fabelhaften<lb/> Entwürfen beschäftigt, während ihm alles mißglückte, immer extrem. In seinem<lb/> Zimmer hatte er einen kleinen Altar mit einer Statue Napoleons errichtet,<lb/> unter der man las: ,,Was er mit dem Schwert begonnen, werde ich mit der<lb/> Feder vollenden." Tiefverschuldet träumte er stets von Reichthümern und er--</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0460]
der Abb6 gut und immer. Er nahm zuerst das Wort und behielt es ge¬
raume Zeit, aber er hatte das Unglück zu husten und sein Zuhörer übernahm
die Rolle des Redners / er verlor keine Zeit, die Worte und Ideen drängten
sich, alles hörte still zu, man glaubte schon durch den feinsinnigen Scharfblick
seiner Bemerkungen und seinen Redefluß werde Preußen siegen, aber er
mußte sich schneuzen, und diesen Vortheil ließ sich der Abb6 nicht entgehen,
seine Beredtsamkeit war hinreißend und er wußte seine Meinung so geschickt
zu vertheidigen, daß man so lange er sprach seiner Ansicht war. H. v. Hum¬
boldt wollte am Ende eine,s Satzes einfallen, aber de Pratt sprach fort und
so folgte bald ein vollständiges Duo, beide sprachen zugleich, jeder zu einer
verschiedenen Gruppe, es war ein Streit wo es keinen Besiegten gab; Humboldt
sagte hernach lachend, er habe nicht ein Wort des Abb6 verloren und wieder¬
holte alles, was derselbe gesagt, indem er seine Stimme und Geberden
täuschend nachahmte." —
Eine andere Welt bewegte sich in dem Salon der Herzogin von Abrantes,
der Witwe Junots, der sich wie Bernadotte vom gemeinen Soldaten empor¬
geschwungen und nach seinen Ahnen gefragt, antwortete, „ich selbst bin mein
Vorfahr!" Die Herzogin war eine liebenswürdige und geistreiche Frau, aber
verstand unglücklicherweise nicht das elende Metall zu schätzen; alle Augenblicke
war sie in Geldverlegenheit, und konnte sie über eine Summe verfügen, so
bezahlte sie nicht ihre Schulden, sondern kaufte überflüssige Niedlichkeiten.
Eines Abends ward der Thee statt um 11 Uhr erst nach Mitternacht servirt,
die Herzogin wußte ihre Gesellschaft durch hinreißend interessante Unterhaltung
über diese Verzögerung hinwegzutäuschen, aber der Grund war, daß am
Morgen das Silberzeug aus Geldmangel ins Pfandhaus gesandt war, erst
als der Thee genommen werden sollte, bemerkte man, daß noch Löffel zu den
Tassen gehörten und schickte geschwind zu Bekannten, dieselben zu leihen. Dies
war die Witwe des Mannes, der 1807 unumschränkter als ein König über
Portugal verfügte! Aber in wie manchem Salon spielt dieselbe Geschichte, man
sieht es dein graziösen Lächeln der Dame vom Hause nicht an, welche Mühe
es ihr erst vor einigen Stunden gekostet, ihre Gläubiger zu beschwichtigen,
das moderne Leben bewegt sich in Contrasten. Madame Ancelot gibt uns
einige interessante Silhouetten aus dem abrantesschen Salon: Bouilly, der
die Manie hatte, rührende Leichenreden zu halten, Fräulein Plessy, die dem
Theater zu Liebe eine glänzende englische Heirath abwies, und vor allem
Balzac, mit seinen Widersprüchen, seinem ruhelosen Treiben, mit fabelhaften
Entwürfen beschäftigt, während ihm alles mißglückte, immer extrem. In seinem
Zimmer hatte er einen kleinen Altar mit einer Statue Napoleons errichtet,
unter der man las: ,,Was er mit dem Schwert begonnen, werde ich mit der
Feder vollenden." Tiefverschuldet träumte er stets von Reichthümern und er--
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