Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.wissen und Billigung ihrer obern Behörde, in deren Dienst sie doch nur treten Die Juden in Gnlizien. Wol in reinem Lande leben die Juden so zahlreich und so dicht bei- wissen und Billigung ihrer obern Behörde, in deren Dienst sie doch nur treten Die Juden in Gnlizien. Wol in reinem Lande leben die Juden so zahlreich und so dicht bei- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0437" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105714"/> <p xml:id="ID_1132" prev="#ID_1131"> wissen und Billigung ihrer obern Behörde, in deren Dienst sie doch nur treten<lb/> werden, wenn sie mit ihr übereinstimmen, Stimmen sie ihr aber nicht mehr<lb/> bei, so haben sie nur die Wahl entweder zu schweigen und sich möglichst<lb/> passiv zu verhalten oder wenn der Drang dagegen zu sprechen und zu schreiben<lb/> unwiderstehlich ist, ihre Stellen auszugeben. Im Amte aber gegen Maßregeln<lb/> seiner Regierung zu schreiben ist nur zu tadeln, es bringt den Untergebenen<lb/> in eine durchaus falsche Stellung und kann von dem Vorgesetzten nnr als.<lb/> Insubordination angesehen werden. Je höher unsre Meinung vou der Auf¬<lb/> gabe der Presse ist, desto weniger dürfen wir wünschen Kräfte für sie zu ge¬<lb/> winnen, welche ihr nicht angehören dürfen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Juden in Gnlizien.</head><lb/> <p xml:id="ID_1133"> Wol in reinem Lande leben die Juden so zahlreich und so dicht bei-<lb/> jammen. als in Polen und namentlich in Galizien; in wenigen Ländern<lb/> haben sie infolge dessen ihre alten Sitten und ihren ursprünglichen Volks-<lb/> charakter so treu bewahrt. Die polnischen Juden sind, so viel uns bekannt',<lb/> die einzigen ihres Stammes in Europa, die noch in allen Punkten an den<lb/> Traditionen ihrer Väter halten und in nichts von den Vorschriften ihres<lb/> Gesehbuchs, des Talmuds, abweichen. Sie sind ohne Ausnahme im hohen<lb/> Grade pünktlich in Erfüllung religiöser Pflichten und verwenden mehre Senn-<lb/> . den des Tages zum Gebet, welches freilich im Grunde nur ein gedanken¬<lb/> loser Ceremoniendienst ist und auf den Fremden, der zum erstenmal Augen¬<lb/> zeuge ist. eher einen komischen, als einen feierlichen Eindruck macht. Das<lb/> Hauptgebct wird des Morgens und zwar gewöhnlich in der Synagoge oder,<lb/> wie die Juden sich ausdrücken,^ in der Schule gesprochen. Hier stellt sich<lb/> jeder für sich an ein Fenster oder in einen Winkel, legt ein hebräisches Buch<lb/> vor sich, hängt, nachdem er ein kleines schwarzes Kästchen aus den Kopf<lb/> gesetzt hat, ein großes weißes Tuch darüber, umwickelt den bloßen Arm mit<lb/> Riemen, die er während des Gebets nach bestimmten Regeln wieder auf-<lb/> und abwindet und beginnt nun unter fortwährenden Beugungen des Körpers<lb/> nach vor- und rückwärts ein Gebet in hebräischer Sprache zu sprechen.<lb/> Anfangs ist es ein leises Gemurmel. dann erhebt der Betende die Stimme,<lb/> um sie gleich darauf wieder fallen zu lassen, so daß das Ganze einem äu¬<lb/> ßerst monotonen Gesänge gleicht. Da dies aber jeder für sich thut und<lb/> durchaus nicht im Einklang mit der Gemeinde, ,so kann man sich denken,<lb/> was bei einer Versammlung von mehren hundert Personen für ein Tumult<lb/> daraus entstehen muß.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0437]
wissen und Billigung ihrer obern Behörde, in deren Dienst sie doch nur treten
werden, wenn sie mit ihr übereinstimmen, Stimmen sie ihr aber nicht mehr
bei, so haben sie nur die Wahl entweder zu schweigen und sich möglichst
passiv zu verhalten oder wenn der Drang dagegen zu sprechen und zu schreiben
unwiderstehlich ist, ihre Stellen auszugeben. Im Amte aber gegen Maßregeln
seiner Regierung zu schreiben ist nur zu tadeln, es bringt den Untergebenen
in eine durchaus falsche Stellung und kann von dem Vorgesetzten nnr als.
Insubordination angesehen werden. Je höher unsre Meinung vou der Auf¬
gabe der Presse ist, desto weniger dürfen wir wünschen Kräfte für sie zu ge¬
winnen, welche ihr nicht angehören dürfen.
Die Juden in Gnlizien.
Wol in reinem Lande leben die Juden so zahlreich und so dicht bei-
jammen. als in Polen und namentlich in Galizien; in wenigen Ländern
haben sie infolge dessen ihre alten Sitten und ihren ursprünglichen Volks-
charakter so treu bewahrt. Die polnischen Juden sind, so viel uns bekannt',
die einzigen ihres Stammes in Europa, die noch in allen Punkten an den
Traditionen ihrer Väter halten und in nichts von den Vorschriften ihres
Gesehbuchs, des Talmuds, abweichen. Sie sind ohne Ausnahme im hohen
Grade pünktlich in Erfüllung religiöser Pflichten und verwenden mehre Senn-
. den des Tages zum Gebet, welches freilich im Grunde nur ein gedanken¬
loser Ceremoniendienst ist und auf den Fremden, der zum erstenmal Augen¬
zeuge ist. eher einen komischen, als einen feierlichen Eindruck macht. Das
Hauptgebct wird des Morgens und zwar gewöhnlich in der Synagoge oder,
wie die Juden sich ausdrücken,^ in der Schule gesprochen. Hier stellt sich
jeder für sich an ein Fenster oder in einen Winkel, legt ein hebräisches Buch
vor sich, hängt, nachdem er ein kleines schwarzes Kästchen aus den Kopf
gesetzt hat, ein großes weißes Tuch darüber, umwickelt den bloßen Arm mit
Riemen, die er während des Gebets nach bestimmten Regeln wieder auf-
und abwindet und beginnt nun unter fortwährenden Beugungen des Körpers
nach vor- und rückwärts ein Gebet in hebräischer Sprache zu sprechen.
Anfangs ist es ein leises Gemurmel. dann erhebt der Betende die Stimme,
um sie gleich darauf wieder fallen zu lassen, so daß das Ganze einem äu¬
ßerst monotonen Gesänge gleicht. Da dies aber jeder für sich thut und
durchaus nicht im Einklang mit der Gemeinde, ,so kann man sich denken,
was bei einer Versammlung von mehren hundert Personen für ein Tumult
daraus entstehen muß.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |