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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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des Ackerbaues, sammt den hierzu gehörigen Instrumenten veranlaßt zu keiner
besondern Bemerkung sür ein auswärtiges Publicum. Die Abtheilung des
Hornviehs war dagegen als ein Ereigniß zu betrachten. Sie hatte auch etwas
Poetisches trotz des landwirtschaftlichen Beigeruchs. Wenn Sie mirs nicht
glauben wollen, so verweise ich Sie aus die Hunderte hübscher Bernermädchen
mit seidenen Mietern und silbernen Kettchen, und auf die Menge vornehmer
Crinolinen, die sich nicht scheuten, inmitten des Genuss, des Schellentlangs und
Gejodels am Arm ihrer Beschützer die Gassen der kollosscilen Stallung zu
durchwandern. Kenner versichern, daß hier mehr preiswürdige Waare versam¬
melt war, als bei den internationalen Ausstellungen in Paris, wo bekannt¬
lich die Schweiz neben England die Concurrenz am glänzendsten bestanden
hat. Bei weitem weniger gut war man dagegen auf die Anordnung zu
sprechen. Wer nicht von vornherein die gehörige Kenntniß mitbrachte,
konnte sich in der Masse unmöglich recht belehren, da jede über Race. Her¬
kunft u. s. w. unterrichtende Tafel fehlte. Als einziges Eintheilungsmoment wurde
die Farbe in Betracht gezogen, indessen den Unterschied zwischen braun und
rothweiß oder schwarzweiß konnte ein geübtes Auge am Ende auch selbst heraus¬
finden. Das Schlimmste aber ist, daß das Preisgericht die Braunen und die
Gefleckter zu besondern Racen crcirte, ohne auf die übrigen, d. h. die aller-
wesentlichsten Charaktermerkmale einer Race Rücksicht zu nehmen. So kam
es, daß sich das unschädliche^ Rindvieh unseres Landes bei dieser Ausstellung
plötzlich auf zwei Racen reducirt sah, während die Naturgeschichte mit aller
Bestimmtheit schon im' gefleckten Vieh wenigstens drei charakteristisch aus¬
geprägte Runen unterscheidet, (roth und weiß gefleckte vom Simmenthal
im barrer Oberland, roth und weiß gefleckte Liefländer ü, In Durham von
Adelbvden im berner Oberland, schwarz und weiß gefleckte von der Gruyöre
frciburgcr Oberland), und dem braunen Vieh mehr als drei Racen zukommen,
von welchen ich z. B. erwähne: die Rigirace (Schwuz), die Brünigrace
(Obwalten und Unterwalden), die Graubündtnerrace, -- wobei zu bemerken,
daß sich sämmtliche Racen erst nach ihren deutlich ausgeprägten Schlagen und
Abarten ausweisen. So hat die Weisheit des Preisgerichts die an Man¬
nigfaltigkeit der Racen und Schläge überreiche Schweiz aus einmal arm ge¬
macht, grade an der Stelle, wo der Reichthum des Laubes recht prägnant
der Welt zur Schau gestellt werden sollte. Und die Repräsentanten dieser
Race'n und Schläge waren alle da; nur das Preisgericht wollte sie nicht
sehen. Hierüber großer Jammer bei vielen Kennern, (zu welchen Sie mich
übrigens bei Leibe nicht zählen mögen!) und eben erst ausbrechender eifriger Kampf
unter den Meistern des Fachs. Unterdessen werden in unsern Eantonen gleich¬
wol Milch und Honig fort fließen, die erstere, um dieWangen unserer algauer Schö¬
nen zu rothen, der letztere, um den Gaumen der sämmtlichen Touristen zu kitzeln.


des Ackerbaues, sammt den hierzu gehörigen Instrumenten veranlaßt zu keiner
besondern Bemerkung sür ein auswärtiges Publicum. Die Abtheilung des
Hornviehs war dagegen als ein Ereigniß zu betrachten. Sie hatte auch etwas
Poetisches trotz des landwirtschaftlichen Beigeruchs. Wenn Sie mirs nicht
glauben wollen, so verweise ich Sie aus die Hunderte hübscher Bernermädchen
mit seidenen Mietern und silbernen Kettchen, und auf die Menge vornehmer
Crinolinen, die sich nicht scheuten, inmitten des Genuss, des Schellentlangs und
Gejodels am Arm ihrer Beschützer die Gassen der kollosscilen Stallung zu
durchwandern. Kenner versichern, daß hier mehr preiswürdige Waare versam¬
melt war, als bei den internationalen Ausstellungen in Paris, wo bekannt¬
lich die Schweiz neben England die Concurrenz am glänzendsten bestanden
hat. Bei weitem weniger gut war man dagegen auf die Anordnung zu
sprechen. Wer nicht von vornherein die gehörige Kenntniß mitbrachte,
konnte sich in der Masse unmöglich recht belehren, da jede über Race. Her¬
kunft u. s. w. unterrichtende Tafel fehlte. Als einziges Eintheilungsmoment wurde
die Farbe in Betracht gezogen, indessen den Unterschied zwischen braun und
rothweiß oder schwarzweiß konnte ein geübtes Auge am Ende auch selbst heraus¬
finden. Das Schlimmste aber ist, daß das Preisgericht die Braunen und die
Gefleckter zu besondern Racen crcirte, ohne auf die übrigen, d. h. die aller-
wesentlichsten Charaktermerkmale einer Race Rücksicht zu nehmen. So kam
es, daß sich das unschädliche^ Rindvieh unseres Landes bei dieser Ausstellung
plötzlich auf zwei Racen reducirt sah, während die Naturgeschichte mit aller
Bestimmtheit schon im' gefleckten Vieh wenigstens drei charakteristisch aus¬
geprägte Runen unterscheidet, (roth und weiß gefleckte vom Simmenthal
im barrer Oberland, roth und weiß gefleckte Liefländer ü, In Durham von
Adelbvden im berner Oberland, schwarz und weiß gefleckte von der Gruyöre
frciburgcr Oberland), und dem braunen Vieh mehr als drei Racen zukommen,
von welchen ich z. B. erwähne: die Rigirace (Schwuz), die Brünigrace
(Obwalten und Unterwalden), die Graubündtnerrace, — wobei zu bemerken,
daß sich sämmtliche Racen erst nach ihren deutlich ausgeprägten Schlagen und
Abarten ausweisen. So hat die Weisheit des Preisgerichts die an Man¬
nigfaltigkeit der Racen und Schläge überreiche Schweiz aus einmal arm ge¬
macht, grade an der Stelle, wo der Reichthum des Laubes recht prägnant
der Welt zur Schau gestellt werden sollte. Und die Repräsentanten dieser
Race'n und Schläge waren alle da; nur das Preisgericht wollte sie nicht
sehen. Hierüber großer Jammer bei vielen Kennern, (zu welchen Sie mich
übrigens bei Leibe nicht zählen mögen!) und eben erst ausbrechender eifriger Kampf
unter den Meistern des Fachs. Unterdessen werden in unsern Eantonen gleich¬
wol Milch und Honig fort fließen, die erstere, um dieWangen unserer algauer Schö¬
nen zu rothen, der letztere, um den Gaumen der sämmtlichen Touristen zu kitzeln.


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[0415] des Ackerbaues, sammt den hierzu gehörigen Instrumenten veranlaßt zu keiner besondern Bemerkung sür ein auswärtiges Publicum. Die Abtheilung des Hornviehs war dagegen als ein Ereigniß zu betrachten. Sie hatte auch etwas Poetisches trotz des landwirtschaftlichen Beigeruchs. Wenn Sie mirs nicht glauben wollen, so verweise ich Sie aus die Hunderte hübscher Bernermädchen mit seidenen Mietern und silbernen Kettchen, und auf die Menge vornehmer Crinolinen, die sich nicht scheuten, inmitten des Genuss, des Schellentlangs und Gejodels am Arm ihrer Beschützer die Gassen der kollosscilen Stallung zu durchwandern. Kenner versichern, daß hier mehr preiswürdige Waare versam¬ melt war, als bei den internationalen Ausstellungen in Paris, wo bekannt¬ lich die Schweiz neben England die Concurrenz am glänzendsten bestanden hat. Bei weitem weniger gut war man dagegen auf die Anordnung zu sprechen. Wer nicht von vornherein die gehörige Kenntniß mitbrachte, konnte sich in der Masse unmöglich recht belehren, da jede über Race. Her¬ kunft u. s. w. unterrichtende Tafel fehlte. Als einziges Eintheilungsmoment wurde die Farbe in Betracht gezogen, indessen den Unterschied zwischen braun und rothweiß oder schwarzweiß konnte ein geübtes Auge am Ende auch selbst heraus¬ finden. Das Schlimmste aber ist, daß das Preisgericht die Braunen und die Gefleckter zu besondern Racen crcirte, ohne auf die übrigen, d. h. die aller- wesentlichsten Charaktermerkmale einer Race Rücksicht zu nehmen. So kam es, daß sich das unschädliche^ Rindvieh unseres Landes bei dieser Ausstellung plötzlich auf zwei Racen reducirt sah, während die Naturgeschichte mit aller Bestimmtheit schon im' gefleckten Vieh wenigstens drei charakteristisch aus¬ geprägte Runen unterscheidet, (roth und weiß gefleckte vom Simmenthal im barrer Oberland, roth und weiß gefleckte Liefländer ü, In Durham von Adelbvden im berner Oberland, schwarz und weiß gefleckte von der Gruyöre frciburgcr Oberland), und dem braunen Vieh mehr als drei Racen zukommen, von welchen ich z. B. erwähne: die Rigirace (Schwuz), die Brünigrace (Obwalten und Unterwalden), die Graubündtnerrace, — wobei zu bemerken, daß sich sämmtliche Racen erst nach ihren deutlich ausgeprägten Schlagen und Abarten ausweisen. So hat die Weisheit des Preisgerichts die an Man¬ nigfaltigkeit der Racen und Schläge überreiche Schweiz aus einmal arm ge¬ macht, grade an der Stelle, wo der Reichthum des Laubes recht prägnant der Welt zur Schau gestellt werden sollte. Und die Repräsentanten dieser Race'n und Schläge waren alle da; nur das Preisgericht wollte sie nicht sehen. Hierüber großer Jammer bei vielen Kennern, (zu welchen Sie mich übrigens bei Leibe nicht zählen mögen!) und eben erst ausbrechender eifriger Kampf unter den Meistern des Fachs. Unterdessen werden in unsern Eantonen gleich¬ wol Milch und Honig fort fließen, die erstere, um dieWangen unserer algauer Schö¬ nen zu rothen, der letztere, um den Gaumen der sämmtlichen Touristen zu kitzeln.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/415>, abgerufen am 22.12.2024.