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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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voller gewesen sei, als bei der Ausstellung in Paris, Und was den "inneren
Werth" betrifft, um wieder auf diesen zu kommen, so haben sich in- und aus¬
ländische Kenner höchst befriedigt ausgesprochen, trotzdem daß die spärlich zu¬
gemessene Zeit zwischen der Ankündigung und der Eröffnung der Ausstellung,
die außerdem durch den Kriegslärm des Winters um ein paar weitere Monate
verkürzt worden war, manche empfindliche Lücke spüren ließ. Die sehr wich¬
tigen Industrien der Seidentücher von Zürich und der Bijouterien von Genf
waren weniger als knapp vertreten. Am vollständigsten und reichsten glänzten
die Cantone Se. Gallen und Appenzell mit Baumwollfabrikatcn aller Art,
voraus mit den weltberühmten Stickereien, und Basel mit den Seidenbändern,
deren Concurrenz Lyon und Se. Etienne spüren. Gut vertreten waren die
neueuburger Berge .sammt ihren Filialen im berner- und wnadtländer Jura
mit Uhren und Spieldosen, Glarus durch seiue orientalischen Artikel, das ber¬
ner Emmenthal durch seine Linnen, der berncr Jura durch seine Eisenindustrie,
Zürich und Winterthur durch ihre vorzüglichen Maschinen, Aargau durch
seine Strvhflechtercien, ferner die übrigen Baumwolldistricte in Garnen und
Tüchern, die neuentstandenen und in verschiedenen Cantonen hübsch hervor-
blühenden Jaqueterien. zu welchen Jnterlaken den Anstoß gegeben hat. Auch
die Pianofortefabrikation gedeiht in Zürich vortrefflich und versieht nicht nur
das Inland, sondern in stets wachsender Menge auch das Ausland mit preis¬
würdigen Instrumenten.

Auffallend war die verhältnißmäßig geringe Betheiligung des Hnndwerks-
standcs, obschon der Impuls zur ganzen Unternehmung gerade aus diesen
Kreisen hervorgegangen. Die guten Leute rechneten auf eine Berlosung der
Ausstcllungsgegcnstäude, wie es zuweilen bei partiellen Ausstellungen vor¬
gekommen ist; als aber die große Industrie erklärt hatte, unter solchen Um¬
ständen nicht mitmachen zu wollen, und aus anvern triftigen Gründen die
Lotterie ausgeschlossen worden war, zog sich das niedere Handwerk grollend
in seine Boutiqucu zurück. Und doch konnte grade für dieses die Ausstellung
am meisten von Nutzen Seil^. Die große Industrie hatte in London und Paris
Lorbeern genug geholt, um sich auf dem Weltmarkt zu acereditiren; wenn sie
sich herabließ, auch in Bern noch aufzutreten, so rechnete man es ihr als reinen
Patriotismus an. Das Handwerk hingegen hat nöthig, besser gekannt zu
sein, und -- sich selber zu keimen, um aus der theilweise gedrückten Lage
herauszukommen. Der unbenutzte Anlaß kehrt nicht so bald wieder, unter¬
dessen wird man neuerdings allerlei socialistisch angelaufene Lamentarien
und halblaute Sehnsuchtsseufzer nach der Wohlthat des Schutzzolls zu hören
bekommen. Daß doch die Menschen sich so gut auf die Fehler der Welt ver¬
stehen, nur nicht auf ihre eigenen! Haben Sie das in Deutschland auch so?

Die landwirthschaftliche Ausstellung zerfiel in zwei Theile. Die Erzeugnisse


voller gewesen sei, als bei der Ausstellung in Paris, Und was den „inneren
Werth" betrifft, um wieder auf diesen zu kommen, so haben sich in- und aus¬
ländische Kenner höchst befriedigt ausgesprochen, trotzdem daß die spärlich zu¬
gemessene Zeit zwischen der Ankündigung und der Eröffnung der Ausstellung,
die außerdem durch den Kriegslärm des Winters um ein paar weitere Monate
verkürzt worden war, manche empfindliche Lücke spüren ließ. Die sehr wich¬
tigen Industrien der Seidentücher von Zürich und der Bijouterien von Genf
waren weniger als knapp vertreten. Am vollständigsten und reichsten glänzten
die Cantone Se. Gallen und Appenzell mit Baumwollfabrikatcn aller Art,
voraus mit den weltberühmten Stickereien, und Basel mit den Seidenbändern,
deren Concurrenz Lyon und Se. Etienne spüren. Gut vertreten waren die
neueuburger Berge .sammt ihren Filialen im berner- und wnadtländer Jura
mit Uhren und Spieldosen, Glarus durch seiue orientalischen Artikel, das ber¬
ner Emmenthal durch seine Linnen, der berncr Jura durch seine Eisenindustrie,
Zürich und Winterthur durch ihre vorzüglichen Maschinen, Aargau durch
seine Strvhflechtercien, ferner die übrigen Baumwolldistricte in Garnen und
Tüchern, die neuentstandenen und in verschiedenen Cantonen hübsch hervor-
blühenden Jaqueterien. zu welchen Jnterlaken den Anstoß gegeben hat. Auch
die Pianofortefabrikation gedeiht in Zürich vortrefflich und versieht nicht nur
das Inland, sondern in stets wachsender Menge auch das Ausland mit preis¬
würdigen Instrumenten.

Auffallend war die verhältnißmäßig geringe Betheiligung des Hnndwerks-
standcs, obschon der Impuls zur ganzen Unternehmung gerade aus diesen
Kreisen hervorgegangen. Die guten Leute rechneten auf eine Berlosung der
Ausstcllungsgegcnstäude, wie es zuweilen bei partiellen Ausstellungen vor¬
gekommen ist; als aber die große Industrie erklärt hatte, unter solchen Um¬
ständen nicht mitmachen zu wollen, und aus anvern triftigen Gründen die
Lotterie ausgeschlossen worden war, zog sich das niedere Handwerk grollend
in seine Boutiqucu zurück. Und doch konnte grade für dieses die Ausstellung
am meisten von Nutzen Seil^. Die große Industrie hatte in London und Paris
Lorbeern genug geholt, um sich auf dem Weltmarkt zu acereditiren; wenn sie
sich herabließ, auch in Bern noch aufzutreten, so rechnete man es ihr als reinen
Patriotismus an. Das Handwerk hingegen hat nöthig, besser gekannt zu
sein, und — sich selber zu keimen, um aus der theilweise gedrückten Lage
herauszukommen. Der unbenutzte Anlaß kehrt nicht so bald wieder, unter¬
dessen wird man neuerdings allerlei socialistisch angelaufene Lamentarien
und halblaute Sehnsuchtsseufzer nach der Wohlthat des Schutzzolls zu hören
bekommen. Daß doch die Menschen sich so gut auf die Fehler der Welt ver¬
stehen, nur nicht auf ihre eigenen! Haben Sie das in Deutschland auch so?

Die landwirthschaftliche Ausstellung zerfiel in zwei Theile. Die Erzeugnisse


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[0414] voller gewesen sei, als bei der Ausstellung in Paris, Und was den „inneren Werth" betrifft, um wieder auf diesen zu kommen, so haben sich in- und aus¬ ländische Kenner höchst befriedigt ausgesprochen, trotzdem daß die spärlich zu¬ gemessene Zeit zwischen der Ankündigung und der Eröffnung der Ausstellung, die außerdem durch den Kriegslärm des Winters um ein paar weitere Monate verkürzt worden war, manche empfindliche Lücke spüren ließ. Die sehr wich¬ tigen Industrien der Seidentücher von Zürich und der Bijouterien von Genf waren weniger als knapp vertreten. Am vollständigsten und reichsten glänzten die Cantone Se. Gallen und Appenzell mit Baumwollfabrikatcn aller Art, voraus mit den weltberühmten Stickereien, und Basel mit den Seidenbändern, deren Concurrenz Lyon und Se. Etienne spüren. Gut vertreten waren die neueuburger Berge .sammt ihren Filialen im berner- und wnadtländer Jura mit Uhren und Spieldosen, Glarus durch seiue orientalischen Artikel, das ber¬ ner Emmenthal durch seine Linnen, der berncr Jura durch seine Eisenindustrie, Zürich und Winterthur durch ihre vorzüglichen Maschinen, Aargau durch seine Strvhflechtercien, ferner die übrigen Baumwolldistricte in Garnen und Tüchern, die neuentstandenen und in verschiedenen Cantonen hübsch hervor- blühenden Jaqueterien. zu welchen Jnterlaken den Anstoß gegeben hat. Auch die Pianofortefabrikation gedeiht in Zürich vortrefflich und versieht nicht nur das Inland, sondern in stets wachsender Menge auch das Ausland mit preis¬ würdigen Instrumenten. Auffallend war die verhältnißmäßig geringe Betheiligung des Hnndwerks- standcs, obschon der Impuls zur ganzen Unternehmung gerade aus diesen Kreisen hervorgegangen. Die guten Leute rechneten auf eine Berlosung der Ausstcllungsgegcnstäude, wie es zuweilen bei partiellen Ausstellungen vor¬ gekommen ist; als aber die große Industrie erklärt hatte, unter solchen Um¬ ständen nicht mitmachen zu wollen, und aus anvern triftigen Gründen die Lotterie ausgeschlossen worden war, zog sich das niedere Handwerk grollend in seine Boutiqucu zurück. Und doch konnte grade für dieses die Ausstellung am meisten von Nutzen Seil^. Die große Industrie hatte in London und Paris Lorbeern genug geholt, um sich auf dem Weltmarkt zu acereditiren; wenn sie sich herabließ, auch in Bern noch aufzutreten, so rechnete man es ihr als reinen Patriotismus an. Das Handwerk hingegen hat nöthig, besser gekannt zu sein, und — sich selber zu keimen, um aus der theilweise gedrückten Lage herauszukommen. Der unbenutzte Anlaß kehrt nicht so bald wieder, unter¬ dessen wird man neuerdings allerlei socialistisch angelaufene Lamentarien und halblaute Sehnsuchtsseufzer nach der Wohlthat des Schutzzolls zu hören bekommen. Daß doch die Menschen sich so gut auf die Fehler der Welt ver¬ stehen, nur nicht auf ihre eigenen! Haben Sie das in Deutschland auch so? Die landwirthschaftliche Ausstellung zerfiel in zwei Theile. Die Erzeugnisse

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/414>, abgerufen am 28.07.2024.