Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.get angewiesen war und daher die äußere Erscheinung mit ihrer republi¬ Die literarische Ausstellung war in der That eine zu professorcnhaste Idee Auch die Kunstausstellung blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Eine Ein besseres Aussehen hatte die Industrieausstellung. Bei aller Einfach¬ get angewiesen war und daher die äußere Erscheinung mit ihrer republi¬ Die literarische Ausstellung war in der That eine zu professorcnhaste Idee Auch die Kunstausstellung blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Eine Ein besseres Aussehen hatte die Industrieausstellung. Bei aller Einfach¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0413" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105690"/> <p xml:id="ID_1070" prev="#ID_1069"> get angewiesen war und daher die äußere Erscheinung mit ihrer republi¬<lb/> kanischen Einfachheit weit hinter ähnlichen Unternehmungen monarchischer<lb/> Staaten zurückstehn mußte. Die Ausstellung konnte sich in dieser Beziehung<lb/> trösten mit jenen Mädchen , welche, mit den Vorzügen der sterblichen Men¬<lb/> schen nicht überreichlich ausgestattet, dafür um so mehr sich auf ihren<lb/> „innern Werth" zu Gute thun. Und auch diesen innern Werth wollten die<lb/> Kritiker nur bei der industriellen und der landwirtschaftlichen Ausstellung. Ab¬<lb/> theilung Hornvieh, gelten lassen, gar nicht sonderlich bei den übrigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1071"> Die literarische Ausstellung war in der That eine zu professorcnhaste Idee<lb/> und hat denn auch völlig Fiasco gemacht. Der Volkswitz cipplicirte auf sie<lb/> das Wort jenes Bauers aus Guggisberg, der, wegen einer moralisch nicht ganz<lb/> richtigen Affaire vor den Pfarrer citirt und zur Rede gestellt, antwortete: „Herr! d'<lb/> Sach isch nit sufer, mir wei d'rvo so wenig rede — n — as mugli." (Herr Pfarrer!<lb/> die Sache ist nicht sauber, wir wollen davon so wenig reden als möglich).<lb/> Die literarische Ausstellung hatte nur dann Verstand, wenn der geheime Hin¬<lb/> tergedanke der Gründung einer Nationalbibliothek offen ausgesprochen und<lb/> die ebenso offene Antwort der Schriftsteller und Verleger abgewartet worden<lb/> wäre. Fand der Gedanke Anklang, desto besser; fand er keinen oder nur ge¬<lb/> ringen, dann hätte man die Sache bleiben lassen sollen. So wie sie ange¬<lb/> griffen worden, witterte mancher Verleger den Brüten und wollte sich nicht<lb/> in die Gefahr begeben, seinen Verlag unter dem Deckmantel des Patriotis¬<lb/> mus wegschnappen zu lassen; so wurde andrerseits unendlich viel Maculatur<lb/> hin und hergeschleppt, mit artigen Kosten, ohne allen Nutzen für die Wissen¬<lb/> schaft und den wissenschaftlichen Ruf der Schweiz, und endlich auch zum Ge-<lb/> spötte, derer, die sich mit dem Ding abquälen mußten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1072"> Auch die Kunstausstellung blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Eine<lb/> bedeutende Zahl der ersten schweizerischen Künstler hatte nichts eingeschickt, und<lb/> das Comite dieser Abtheilung der Ausstellung war viel zu nachsichtig gegen<lb/> die Mittelmäßigkeit, der es die Ausnahme hätte verweigern sollen. Man konnte<lb/> daher trotz einiger vortrefflicher Werke — wobei .in der Historienmalerei der<lb/> Tessiner Ciseri und der Züricher Boßhard, im Genre der Neuenburger von Meu-<lb/> ron, in der Landschaft der Züricher Steffan, in der Thiermalerei der Züricher<lb/> Koller, in der Bildhauerei der Urner Jmhof und die Tessiner Vela und Kossi<lb/> die Palme davontrugen — man konnte, sage ich, die auswärtigen Besucher<lb/> nur bitten, aus dieser Ausstellung ja keinen Schluß aus den Stand der schweize¬<lb/> rischen Kunst ziehen zu wollen. Man thäte ihr sehr Unrecht, denn sie ist gott¬<lb/> lob weiter vorgeschritten und reicher entwickelt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1073" next="#ID_1074"> Ein besseres Aussehen hatte die Industrieausstellung. Bei aller Einfach¬<lb/> heit und bei aller Kleinheit der Proportionen boten einige Säle einen Anblick,<lb/> von welchem Franzosen gestanden, daß das Arrangement der Waaren geschmack-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0413]
get angewiesen war und daher die äußere Erscheinung mit ihrer republi¬
kanischen Einfachheit weit hinter ähnlichen Unternehmungen monarchischer
Staaten zurückstehn mußte. Die Ausstellung konnte sich in dieser Beziehung
trösten mit jenen Mädchen , welche, mit den Vorzügen der sterblichen Men¬
schen nicht überreichlich ausgestattet, dafür um so mehr sich auf ihren
„innern Werth" zu Gute thun. Und auch diesen innern Werth wollten die
Kritiker nur bei der industriellen und der landwirtschaftlichen Ausstellung. Ab¬
theilung Hornvieh, gelten lassen, gar nicht sonderlich bei den übrigen.
Die literarische Ausstellung war in der That eine zu professorcnhaste Idee
und hat denn auch völlig Fiasco gemacht. Der Volkswitz cipplicirte auf sie
das Wort jenes Bauers aus Guggisberg, der, wegen einer moralisch nicht ganz
richtigen Affaire vor den Pfarrer citirt und zur Rede gestellt, antwortete: „Herr! d'
Sach isch nit sufer, mir wei d'rvo so wenig rede — n — as mugli." (Herr Pfarrer!
die Sache ist nicht sauber, wir wollen davon so wenig reden als möglich).
Die literarische Ausstellung hatte nur dann Verstand, wenn der geheime Hin¬
tergedanke der Gründung einer Nationalbibliothek offen ausgesprochen und
die ebenso offene Antwort der Schriftsteller und Verleger abgewartet worden
wäre. Fand der Gedanke Anklang, desto besser; fand er keinen oder nur ge¬
ringen, dann hätte man die Sache bleiben lassen sollen. So wie sie ange¬
griffen worden, witterte mancher Verleger den Brüten und wollte sich nicht
in die Gefahr begeben, seinen Verlag unter dem Deckmantel des Patriotis¬
mus wegschnappen zu lassen; so wurde andrerseits unendlich viel Maculatur
hin und hergeschleppt, mit artigen Kosten, ohne allen Nutzen für die Wissen¬
schaft und den wissenschaftlichen Ruf der Schweiz, und endlich auch zum Ge-
spötte, derer, die sich mit dem Ding abquälen mußten.
Auch die Kunstausstellung blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Eine
bedeutende Zahl der ersten schweizerischen Künstler hatte nichts eingeschickt, und
das Comite dieser Abtheilung der Ausstellung war viel zu nachsichtig gegen
die Mittelmäßigkeit, der es die Ausnahme hätte verweigern sollen. Man konnte
daher trotz einiger vortrefflicher Werke — wobei .in der Historienmalerei der
Tessiner Ciseri und der Züricher Boßhard, im Genre der Neuenburger von Meu-
ron, in der Landschaft der Züricher Steffan, in der Thiermalerei der Züricher
Koller, in der Bildhauerei der Urner Jmhof und die Tessiner Vela und Kossi
die Palme davontrugen — man konnte, sage ich, die auswärtigen Besucher
nur bitten, aus dieser Ausstellung ja keinen Schluß aus den Stand der schweize¬
rischen Kunst ziehen zu wollen. Man thäte ihr sehr Unrecht, denn sie ist gott¬
lob weiter vorgeschritten und reicher entwickelt.
Ein besseres Aussehen hatte die Industrieausstellung. Bei aller Einfach¬
heit und bei aller Kleinheit der Proportionen boten einige Säle einen Anblick,
von welchem Franzosen gestanden, daß das Arrangement der Waaren geschmack-
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