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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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nicht den Namen Naubburgen verdienten. Aber auch nur wenige, aus denen
immer und gegen jeden räuberisch ausgefallen, wurde.

Den größten Nachtheil von solchem Leben hatte aber der Adel selbst.
Seine Beutelust und Freude am Rauhe" kehrte sich ebenso sehr gegen Standes-
genossen und gegen größere Despoten, als gegen die Städter. In der
Form der Fehde fanden beide Neigungen einen im ganzen Mittelalter gil-
tigen Ausdruck. Wenn die Fehde durch einen Brief einige Tage vor Beginn
der Feindseligkeiten angezeigt war, so galt sie nach Herkommen für ehrlich.
Eine Kleinigkeit reichte hin. solche Fehde zu veranlassen. Die nie endenden
Grenzstreitigkeiten, Uebergriffe bei Jagden, das Durchprügeln eines Knechtes,
konnten auch alte Gesellen und befreundete Nachbarn entzweien. Dann stärk¬
ten sich beide Parteien durch ihre Verwandtschaft und ihren Anhang, sie war¬
ben reisige Leute und suchten durch Kundschafter zu erfahren, wie sie über
Gut, Haus und Person des Gegners einen Bortheil erlangen könnten. Der
Reichthum der Städte und der Groll , welchen der Adel gegen das aufschießende
Selbstgefühl des Bürgers empfand, machten Fehden mit Städten zu einer be¬
sonders angenehmen Aufregung. Der geringste Borwand wurde benutzt.
Jeder Fremde, der eine Beschwerde gegen eine Stadt hatte, mochte er Baue".
Bürger oder Ausländer sein, war dem beutelustigen Junker willkommen.
Unter dem Vorwand, ihn in Schutz zu nehmen, raubte, brannte und entführte
die Partei, welche die Fehde angesagt hatte, bis sich irgend ein Mittler fand,
der nach vielem Verhandeln einen Vergleich zu Stande brachte. Wer nicht
selbst eine gewinnreiche Fehde durchsetzen konnte, der schloß sich einem andern
als Gehilfe an, und oft wurden alte Kameraden und Verwandte durch die
wechselnden Zufälle auf die entgegengesehen Seiten gezogen, dann stachen
und schlugen sie, im Bewußtsein ihre Pflicht zu thun, wohl auch aufeinander
los. Solch wüstes Leben, bald auf der Landstraße, bald im Waldversteck,
bald in schlechten Spelunken, bald in wüster Trinkgesellschaft konnte weder
dem Familienleben, noch irgend welchen höheren Interessen günstig sein. Es
war aber auch uicht einmal geeignet, kriegerische Anlagen, mit Ausnahme
der untergeordneten, zu entwickeln. Im besten Fall bildete es zur Führung
eines kleinen Reitertrupps für Ueberfälle und Fouragezüge; weder Berlichingen
noch selbst Sickingen, die tüchtigsten Iuntergestalten im Anfange des ete. Jahr¬
hunderts, haben besonderes Kricgötalent zu erweisen den Trieb gehabt, und in
militärischer Hinsicht steht die Tüchtigkeit des Götz nicht höher als etwa jetzt
die eines erfahrenen Hnsarenwachtmeisters. So wild, frevelhaft und gemein¬
schädlich war das Treiben grade der Rührigsten vom niedern Adel, daß der
Stand in aller Ruchlosigkeit des Näuberhandwerks zu Grunde gegangen wäre,
wenn nicht dieselbe Schwäche, welche sie verhinderte, nützliche Mitglieder der
Gesellschaft zu werden, auch das letzte Verderben von ihnen fern gehalten


nicht den Namen Naubburgen verdienten. Aber auch nur wenige, aus denen
immer und gegen jeden räuberisch ausgefallen, wurde.

Den größten Nachtheil von solchem Leben hatte aber der Adel selbst.
Seine Beutelust und Freude am Rauhe» kehrte sich ebenso sehr gegen Standes-
genossen und gegen größere Despoten, als gegen die Städter. In der
Form der Fehde fanden beide Neigungen einen im ganzen Mittelalter gil-
tigen Ausdruck. Wenn die Fehde durch einen Brief einige Tage vor Beginn
der Feindseligkeiten angezeigt war, so galt sie nach Herkommen für ehrlich.
Eine Kleinigkeit reichte hin. solche Fehde zu veranlassen. Die nie endenden
Grenzstreitigkeiten, Uebergriffe bei Jagden, das Durchprügeln eines Knechtes,
konnten auch alte Gesellen und befreundete Nachbarn entzweien. Dann stärk¬
ten sich beide Parteien durch ihre Verwandtschaft und ihren Anhang, sie war¬
ben reisige Leute und suchten durch Kundschafter zu erfahren, wie sie über
Gut, Haus und Person des Gegners einen Bortheil erlangen könnten. Der
Reichthum der Städte und der Groll , welchen der Adel gegen das aufschießende
Selbstgefühl des Bürgers empfand, machten Fehden mit Städten zu einer be¬
sonders angenehmen Aufregung. Der geringste Borwand wurde benutzt.
Jeder Fremde, der eine Beschwerde gegen eine Stadt hatte, mochte er Baue».
Bürger oder Ausländer sein, war dem beutelustigen Junker willkommen.
Unter dem Vorwand, ihn in Schutz zu nehmen, raubte, brannte und entführte
die Partei, welche die Fehde angesagt hatte, bis sich irgend ein Mittler fand,
der nach vielem Verhandeln einen Vergleich zu Stande brachte. Wer nicht
selbst eine gewinnreiche Fehde durchsetzen konnte, der schloß sich einem andern
als Gehilfe an, und oft wurden alte Kameraden und Verwandte durch die
wechselnden Zufälle auf die entgegengesehen Seiten gezogen, dann stachen
und schlugen sie, im Bewußtsein ihre Pflicht zu thun, wohl auch aufeinander
los. Solch wüstes Leben, bald auf der Landstraße, bald im Waldversteck,
bald in schlechten Spelunken, bald in wüster Trinkgesellschaft konnte weder
dem Familienleben, noch irgend welchen höheren Interessen günstig sein. Es
war aber auch uicht einmal geeignet, kriegerische Anlagen, mit Ausnahme
der untergeordneten, zu entwickeln. Im besten Fall bildete es zur Führung
eines kleinen Reitertrupps für Ueberfälle und Fouragezüge; weder Berlichingen
noch selbst Sickingen, die tüchtigsten Iuntergestalten im Anfange des ete. Jahr¬
hunderts, haben besonderes Kricgötalent zu erweisen den Trieb gehabt, und in
militärischer Hinsicht steht die Tüchtigkeit des Götz nicht höher als etwa jetzt
die eines erfahrenen Hnsarenwachtmeisters. So wild, frevelhaft und gemein¬
schädlich war das Treiben grade der Rührigsten vom niedern Adel, daß der
Stand in aller Ruchlosigkeit des Näuberhandwerks zu Grunde gegangen wäre,
wenn nicht dieselbe Schwäche, welche sie verhinderte, nützliche Mitglieder der
Gesellschaft zu werden, auch das letzte Verderben von ihnen fern gehalten


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[0391] nicht den Namen Naubburgen verdienten. Aber auch nur wenige, aus denen immer und gegen jeden räuberisch ausgefallen, wurde. Den größten Nachtheil von solchem Leben hatte aber der Adel selbst. Seine Beutelust und Freude am Rauhe» kehrte sich ebenso sehr gegen Standes- genossen und gegen größere Despoten, als gegen die Städter. In der Form der Fehde fanden beide Neigungen einen im ganzen Mittelalter gil- tigen Ausdruck. Wenn die Fehde durch einen Brief einige Tage vor Beginn der Feindseligkeiten angezeigt war, so galt sie nach Herkommen für ehrlich. Eine Kleinigkeit reichte hin. solche Fehde zu veranlassen. Die nie endenden Grenzstreitigkeiten, Uebergriffe bei Jagden, das Durchprügeln eines Knechtes, konnten auch alte Gesellen und befreundete Nachbarn entzweien. Dann stärk¬ ten sich beide Parteien durch ihre Verwandtschaft und ihren Anhang, sie war¬ ben reisige Leute und suchten durch Kundschafter zu erfahren, wie sie über Gut, Haus und Person des Gegners einen Bortheil erlangen könnten. Der Reichthum der Städte und der Groll , welchen der Adel gegen das aufschießende Selbstgefühl des Bürgers empfand, machten Fehden mit Städten zu einer be¬ sonders angenehmen Aufregung. Der geringste Borwand wurde benutzt. Jeder Fremde, der eine Beschwerde gegen eine Stadt hatte, mochte er Baue». Bürger oder Ausländer sein, war dem beutelustigen Junker willkommen. Unter dem Vorwand, ihn in Schutz zu nehmen, raubte, brannte und entführte die Partei, welche die Fehde angesagt hatte, bis sich irgend ein Mittler fand, der nach vielem Verhandeln einen Vergleich zu Stande brachte. Wer nicht selbst eine gewinnreiche Fehde durchsetzen konnte, der schloß sich einem andern als Gehilfe an, und oft wurden alte Kameraden und Verwandte durch die wechselnden Zufälle auf die entgegengesehen Seiten gezogen, dann stachen und schlugen sie, im Bewußtsein ihre Pflicht zu thun, wohl auch aufeinander los. Solch wüstes Leben, bald auf der Landstraße, bald im Waldversteck, bald in schlechten Spelunken, bald in wüster Trinkgesellschaft konnte weder dem Familienleben, noch irgend welchen höheren Interessen günstig sein. Es war aber auch uicht einmal geeignet, kriegerische Anlagen, mit Ausnahme der untergeordneten, zu entwickeln. Im besten Fall bildete es zur Führung eines kleinen Reitertrupps für Ueberfälle und Fouragezüge; weder Berlichingen noch selbst Sickingen, die tüchtigsten Iuntergestalten im Anfange des ete. Jahr¬ hunderts, haben besonderes Kricgötalent zu erweisen den Trieb gehabt, und in militärischer Hinsicht steht die Tüchtigkeit des Götz nicht höher als etwa jetzt die eines erfahrenen Hnsarenwachtmeisters. So wild, frevelhaft und gemein¬ schädlich war das Treiben grade der Rührigsten vom niedern Adel, daß der Stand in aller Ruchlosigkeit des Näuberhandwerks zu Grunde gegangen wäre, wenn nicht dieselbe Schwäche, welche sie verhinderte, nützliche Mitglieder der Gesellschaft zu werden, auch das letzte Verderben von ihnen fern gehalten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/391>, abgerufen am 28.07.2024.