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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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tüchtigsten Vorkämpfer für die Freiheit des Verkehrs, Bastiat. konnte mit vollstem
Rechte die Frage auswerfe", welche Regierungsweisheit wol im Stande gewe¬
sen wäre, auch nur eine Mittelstadt mit^ ihren unzähligen täglichen kleinen Be¬
dürfnissen so zu versorgen, wie es durch das Getriebe eines nimmer rasten¬
den kleinen und großen Verkehrs geschieht -- und nun gar eine Riesenstadt wie
London! Alle die großen, unmittelbar >us Auge fallenden Verkehrsmechanismen
würden ruhen, sobald diese kleine, unscheinbare Thätigkeit irgendwie empfind¬
lich gestört würde. Die lehre große Handelskrisis ist zum großen Theil grade da¬
durch verschuldet worden, daß die, welche den großen Perkehr in Händen hatten,
nun auch meinten, sie könnten dauernd der Konsumtion Gesetze vorschreiben.
Aber diese setzte der steigenden Theuerung den passiven Widerstand des Nicht-
kaufens entgegen, die vielen kleinen Ströme und Bäche des Zmischenverkehrs
trockneten immer mehr aus, aus den reichen Magazinen konnte nichts mehr
abfließen, und so brach die Krisis herein, welche dann noch weitere Erschütte¬
rungen nach sich zog. Der große und der kleine Verkehr bedingen einander,
das kann nur der übersehe", welcher von seinem engen Gesichtskreise aus sich
die Möglichkeit genommen hat, das große Ganze zu übersehen.

Die allgemeinste Bedingung zum Gedeihen des Verkehrs ist die öffentliche
Sicherheit. Der größte Theil der Einrichtungen im Staat ist auf diesen Zweck
gerichtet. Wenn man neuerdings sich gewöhnt hat, die Polizei immer mehr
als die erste Trägerin der öffentlichen Sicherheit anzusehen, so liegt das an
den politischen Wandlungen der Zeit; die öffentliche Sicherheit ward von der
Staatsgewalt ebeu als der Gegensatz der revolutionär erschütterten Zustände
aufgefaßt, und die Verstärkung der Polizeimacht war nur immer der Ausdruck
des allenthalben, auf dein Kontinent mehr oder minder geltenden Kriegs-
zustandes. Wohin man aber bei einem zu einseitigen Vorgehen in dieser Rich¬
tung gelangt, das zeigt jetzt Frankreich. Die Polizei ist indeß nur eins der
Organe der öffentlichen Sicherheit; die Gesetze, die Gerichte, der Gemeinde¬
verband u'. a. gehören auch dazu und erreichen durch ihre Stetigkeit und ihre
Einwirkungen auf deu innern Menschen auf die Dauer ihren Zweck noch besser.
Die wirkliche Sicherheit liegt auch viel weniger in Einrichtungen, als in dem
allgemeinen Vertrauen zu deren ungeschwächten Bestand, und der Mangel
dieses letztern ist eine der größten Schattenseiten unserer Zeit, deren Rückwir¬
kungen auf andere, namentlich auf das wirthschaftliche Gebiet, bereits bedenk¬
lich genug hervorgetreten siud.

Neben dieser durch den Staat und die öffentlichen Zustände gewährten
Sicherheit bedarf der Verkehr noch anderer Vorkehrungen, die er sich indeß meist
selbst verschaffen muß. , Eine der merkwürdigste" hierher gehörigen Veranstal¬
tungen sind die sogenannten Versicherungen, deren Wirken in einer oder
der andern Art den meisten der Leser wol durch eigne Erfahrung bekannt sein '


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tüchtigsten Vorkämpfer für die Freiheit des Verkehrs, Bastiat. konnte mit vollstem
Rechte die Frage auswerfe», welche Regierungsweisheit wol im Stande gewe¬
sen wäre, auch nur eine Mittelstadt mit^ ihren unzähligen täglichen kleinen Be¬
dürfnissen so zu versorgen, wie es durch das Getriebe eines nimmer rasten¬
den kleinen und großen Verkehrs geschieht — und nun gar eine Riesenstadt wie
London! Alle die großen, unmittelbar >us Auge fallenden Verkehrsmechanismen
würden ruhen, sobald diese kleine, unscheinbare Thätigkeit irgendwie empfind¬
lich gestört würde. Die lehre große Handelskrisis ist zum großen Theil grade da¬
durch verschuldet worden, daß die, welche den großen Perkehr in Händen hatten,
nun auch meinten, sie könnten dauernd der Konsumtion Gesetze vorschreiben.
Aber diese setzte der steigenden Theuerung den passiven Widerstand des Nicht-
kaufens entgegen, die vielen kleinen Ströme und Bäche des Zmischenverkehrs
trockneten immer mehr aus, aus den reichen Magazinen konnte nichts mehr
abfließen, und so brach die Krisis herein, welche dann noch weitere Erschütte¬
rungen nach sich zog. Der große und der kleine Verkehr bedingen einander,
das kann nur der übersehe», welcher von seinem engen Gesichtskreise aus sich
die Möglichkeit genommen hat, das große Ganze zu übersehen.

Die allgemeinste Bedingung zum Gedeihen des Verkehrs ist die öffentliche
Sicherheit. Der größte Theil der Einrichtungen im Staat ist auf diesen Zweck
gerichtet. Wenn man neuerdings sich gewöhnt hat, die Polizei immer mehr
als die erste Trägerin der öffentlichen Sicherheit anzusehen, so liegt das an
den politischen Wandlungen der Zeit; die öffentliche Sicherheit ward von der
Staatsgewalt ebeu als der Gegensatz der revolutionär erschütterten Zustände
aufgefaßt, und die Verstärkung der Polizeimacht war nur immer der Ausdruck
des allenthalben, auf dein Kontinent mehr oder minder geltenden Kriegs-
zustandes. Wohin man aber bei einem zu einseitigen Vorgehen in dieser Rich¬
tung gelangt, das zeigt jetzt Frankreich. Die Polizei ist indeß nur eins der
Organe der öffentlichen Sicherheit; die Gesetze, die Gerichte, der Gemeinde¬
verband u'. a. gehören auch dazu und erreichen durch ihre Stetigkeit und ihre
Einwirkungen auf deu innern Menschen auf die Dauer ihren Zweck noch besser.
Die wirkliche Sicherheit liegt auch viel weniger in Einrichtungen, als in dem
allgemeinen Vertrauen zu deren ungeschwächten Bestand, und der Mangel
dieses letztern ist eine der größten Schattenseiten unserer Zeit, deren Rückwir¬
kungen auf andere, namentlich auf das wirthschaftliche Gebiet, bereits bedenk¬
lich genug hervorgetreten siud.

Neben dieser durch den Staat und die öffentlichen Zustände gewährten
Sicherheit bedarf der Verkehr noch anderer Vorkehrungen, die er sich indeß meist
selbst verschaffen muß. , Eine der merkwürdigste» hierher gehörigen Veranstal¬
tungen sind die sogenannten Versicherungen, deren Wirken in einer oder
der andern Art den meisten der Leser wol durch eigne Erfahrung bekannt sein '


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[0379] tüchtigsten Vorkämpfer für die Freiheit des Verkehrs, Bastiat. konnte mit vollstem Rechte die Frage auswerfe», welche Regierungsweisheit wol im Stande gewe¬ sen wäre, auch nur eine Mittelstadt mit^ ihren unzähligen täglichen kleinen Be¬ dürfnissen so zu versorgen, wie es durch das Getriebe eines nimmer rasten¬ den kleinen und großen Verkehrs geschieht — und nun gar eine Riesenstadt wie London! Alle die großen, unmittelbar >us Auge fallenden Verkehrsmechanismen würden ruhen, sobald diese kleine, unscheinbare Thätigkeit irgendwie empfind¬ lich gestört würde. Die lehre große Handelskrisis ist zum großen Theil grade da¬ durch verschuldet worden, daß die, welche den großen Perkehr in Händen hatten, nun auch meinten, sie könnten dauernd der Konsumtion Gesetze vorschreiben. Aber diese setzte der steigenden Theuerung den passiven Widerstand des Nicht- kaufens entgegen, die vielen kleinen Ströme und Bäche des Zmischenverkehrs trockneten immer mehr aus, aus den reichen Magazinen konnte nichts mehr abfließen, und so brach die Krisis herein, welche dann noch weitere Erschütte¬ rungen nach sich zog. Der große und der kleine Verkehr bedingen einander, das kann nur der übersehe», welcher von seinem engen Gesichtskreise aus sich die Möglichkeit genommen hat, das große Ganze zu übersehen. Die allgemeinste Bedingung zum Gedeihen des Verkehrs ist die öffentliche Sicherheit. Der größte Theil der Einrichtungen im Staat ist auf diesen Zweck gerichtet. Wenn man neuerdings sich gewöhnt hat, die Polizei immer mehr als die erste Trägerin der öffentlichen Sicherheit anzusehen, so liegt das an den politischen Wandlungen der Zeit; die öffentliche Sicherheit ward von der Staatsgewalt ebeu als der Gegensatz der revolutionär erschütterten Zustände aufgefaßt, und die Verstärkung der Polizeimacht war nur immer der Ausdruck des allenthalben, auf dein Kontinent mehr oder minder geltenden Kriegs- zustandes. Wohin man aber bei einem zu einseitigen Vorgehen in dieser Rich¬ tung gelangt, das zeigt jetzt Frankreich. Die Polizei ist indeß nur eins der Organe der öffentlichen Sicherheit; die Gesetze, die Gerichte, der Gemeinde¬ verband u'. a. gehören auch dazu und erreichen durch ihre Stetigkeit und ihre Einwirkungen auf deu innern Menschen auf die Dauer ihren Zweck noch besser. Die wirkliche Sicherheit liegt auch viel weniger in Einrichtungen, als in dem allgemeinen Vertrauen zu deren ungeschwächten Bestand, und der Mangel dieses letztern ist eine der größten Schattenseiten unserer Zeit, deren Rückwir¬ kungen auf andere, namentlich auf das wirthschaftliche Gebiet, bereits bedenk¬ lich genug hervorgetreten siud. Neben dieser durch den Staat und die öffentlichen Zustände gewährten Sicherheit bedarf der Verkehr noch anderer Vorkehrungen, die er sich indeß meist selbst verschaffen muß. , Eine der merkwürdigste» hierher gehörigen Veranstal¬ tungen sind die sogenannten Versicherungen, deren Wirken in einer oder der andern Art den meisten der Leser wol durch eigne Erfahrung bekannt sein ' 47«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/379>, abgerufen am 27.07.2024.