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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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ebenso sehr über die bedeutende Persönlichkeit des Kaisers als über die Un¬
bedeutendheit der Männer, die ihn umgeben, "it u'7 pas mßwe un Komme
in6(Il<)Li'0" sagte er. Der Kaiser täuscht sich selbst am wenigsten über seine
Diener, er hat nur einen Freund, auf den er sich unbedingt verlassen kann,
Persigny, die Anhänglichkeit der andern dauert so lange als sein Stern
scheint, mau legt ihm das Wart in den Mund, "was wollen Sie. die
Heute von Geist kehren mir den Rücken zu, ich muß nehmen, was ich
finde", er hätte lieber Staatsmänner, die nicht blas das Sprachrohr seiner
Geba.ekelt sind, unis que voulö^-vous, c'est plus kort c^ne lui, -die
Konsequenzen des despotischen Princips und deS Staatsstreichs sind stärker,
als selbst seine bedeutende Persönlichkeit. Napoleon I. hat außer seinen Sie¬
gen eine neue Civil- und Militärorganisation Frankreichs, den Code, das
Concordat, die Fiuanzverfassung hinterlassen, was hat Napoleon III. geschaffen,
mit seinen neuen Männern, das seine Regierung überdauern könnte, etwa den
Credit mobilier? -- Der Hauptunterschied des ersten und zweiten Kaiserreichs
liegt in dieser Beziehung wol in Folgendem. Die Revolution von 1789
hatte zum erstenmal den Talenten des dritten Standes freie Bahn eröffnet.
Nachdem sie ihr Werk der Zerstörung vollendet, war alles von Grund wieder
auszubauen, die neuen Männer thaten es, sie verzichteten theilweise auf ihre
politischen Ideale und begründeten den neufranzösischen Staat, der zweiten
kaiserlichen Negierung aber war eine Epoche vorausgegangen, wo jedes Talent
sich auf das freiste geltend macheu konnte. Was man auch sonst gegen die
Iulimonarchie geltend machen kann, ihr bleibt das Verdienst, daß die bedeu¬
tendsten Geister Frankreichs ihr anhingen; alle dieselben, welche ihr Empor¬
kommen der relativ bedeutenden Freiheit verdankten, welche von 1830--1848
herrschte, wandten sich vom Kaiser seit dem Staatsstreich ab, nachdem sie den
Präsidenten Bonaparte unterstützt, ihre Opposition galt nicht der Person,
sondern dem Princip. Vielleicht hätten sich der Kaiser und die bedeutender"
Leute der alten Parteien begegnen können, wenn erstrer statt der glänzenden
Rolle, die er gewählt und für welche der Despotismus nothwendig war, die
Heilung der innern Wunden Frankreichs zu seiner Aufgabe gemacht hätte, '
und wenn auf der andern Seite jene Staatsmänner der frühern Zeiten ein¬
gesehen hätten, daß das Land nicht für die Freiheit reif sei. sondern erst
langsam auf den Weg, der zu ihr leitet, geführt werden müsse. Ihre Talente
wären dann zu praktischen Zwecken verwendet, statt daß sie sich jetzt mit
Apologien ihrer frühern Unfehlbarkeit beschäftigen und in versteckten historischen
Anspielungen mit der kaiserlichen Regierung plänkeln und schmollen, dieselbe
erbittern und auf ihrem verkehrten Wege durch jene Angriffe bestärken. Es
wäre so eine Versöhnung möglich gewesen und Graf Morny hätte sich
seine Diatribe über die französischen Parteien ersparen können, der man zu


Grenzbote" I. 18S8. 47

ebenso sehr über die bedeutende Persönlichkeit des Kaisers als über die Un¬
bedeutendheit der Männer, die ihn umgeben, „it u'7 pas mßwe un Komme
in6(Il<)Li'0" sagte er. Der Kaiser täuscht sich selbst am wenigsten über seine
Diener, er hat nur einen Freund, auf den er sich unbedingt verlassen kann,
Persigny, die Anhänglichkeit der andern dauert so lange als sein Stern
scheint, mau legt ihm das Wart in den Mund, „was wollen Sie. die
Heute von Geist kehren mir den Rücken zu, ich muß nehmen, was ich
finde", er hätte lieber Staatsmänner, die nicht blas das Sprachrohr seiner
Geba.ekelt sind, unis que voulö^-vous, c'est plus kort c^ne lui, -die
Konsequenzen des despotischen Princips und deS Staatsstreichs sind stärker,
als selbst seine bedeutende Persönlichkeit. Napoleon I. hat außer seinen Sie¬
gen eine neue Civil- und Militärorganisation Frankreichs, den Code, das
Concordat, die Fiuanzverfassung hinterlassen, was hat Napoleon III. geschaffen,
mit seinen neuen Männern, das seine Regierung überdauern könnte, etwa den
Credit mobilier? — Der Hauptunterschied des ersten und zweiten Kaiserreichs
liegt in dieser Beziehung wol in Folgendem. Die Revolution von 1789
hatte zum erstenmal den Talenten des dritten Standes freie Bahn eröffnet.
Nachdem sie ihr Werk der Zerstörung vollendet, war alles von Grund wieder
auszubauen, die neuen Männer thaten es, sie verzichteten theilweise auf ihre
politischen Ideale und begründeten den neufranzösischen Staat, der zweiten
kaiserlichen Negierung aber war eine Epoche vorausgegangen, wo jedes Talent
sich auf das freiste geltend macheu konnte. Was man auch sonst gegen die
Iulimonarchie geltend machen kann, ihr bleibt das Verdienst, daß die bedeu¬
tendsten Geister Frankreichs ihr anhingen; alle dieselben, welche ihr Empor¬
kommen der relativ bedeutenden Freiheit verdankten, welche von 1830—1848
herrschte, wandten sich vom Kaiser seit dem Staatsstreich ab, nachdem sie den
Präsidenten Bonaparte unterstützt, ihre Opposition galt nicht der Person,
sondern dem Princip. Vielleicht hätten sich der Kaiser und die bedeutender»
Leute der alten Parteien begegnen können, wenn erstrer statt der glänzenden
Rolle, die er gewählt und für welche der Despotismus nothwendig war, die
Heilung der innern Wunden Frankreichs zu seiner Aufgabe gemacht hätte, '
und wenn auf der andern Seite jene Staatsmänner der frühern Zeiten ein¬
gesehen hätten, daß das Land nicht für die Freiheit reif sei. sondern erst
langsam auf den Weg, der zu ihr leitet, geführt werden müsse. Ihre Talente
wären dann zu praktischen Zwecken verwendet, statt daß sie sich jetzt mit
Apologien ihrer frühern Unfehlbarkeit beschäftigen und in versteckten historischen
Anspielungen mit der kaiserlichen Regierung plänkeln und schmollen, dieselbe
erbittern und auf ihrem verkehrten Wege durch jene Angriffe bestärken. Es
wäre so eine Versöhnung möglich gewesen und Graf Morny hätte sich
seine Diatribe über die französischen Parteien ersparen können, der man zu


Grenzbote» I. 18S8. 47
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[0377] ebenso sehr über die bedeutende Persönlichkeit des Kaisers als über die Un¬ bedeutendheit der Männer, die ihn umgeben, „it u'7 pas mßwe un Komme in6(Il<)Li'0" sagte er. Der Kaiser täuscht sich selbst am wenigsten über seine Diener, er hat nur einen Freund, auf den er sich unbedingt verlassen kann, Persigny, die Anhänglichkeit der andern dauert so lange als sein Stern scheint, mau legt ihm das Wart in den Mund, „was wollen Sie. die Heute von Geist kehren mir den Rücken zu, ich muß nehmen, was ich finde", er hätte lieber Staatsmänner, die nicht blas das Sprachrohr seiner Geba.ekelt sind, unis que voulö^-vous, c'est plus kort c^ne lui, -die Konsequenzen des despotischen Princips und deS Staatsstreichs sind stärker, als selbst seine bedeutende Persönlichkeit. Napoleon I. hat außer seinen Sie¬ gen eine neue Civil- und Militärorganisation Frankreichs, den Code, das Concordat, die Fiuanzverfassung hinterlassen, was hat Napoleon III. geschaffen, mit seinen neuen Männern, das seine Regierung überdauern könnte, etwa den Credit mobilier? — Der Hauptunterschied des ersten und zweiten Kaiserreichs liegt in dieser Beziehung wol in Folgendem. Die Revolution von 1789 hatte zum erstenmal den Talenten des dritten Standes freie Bahn eröffnet. Nachdem sie ihr Werk der Zerstörung vollendet, war alles von Grund wieder auszubauen, die neuen Männer thaten es, sie verzichteten theilweise auf ihre politischen Ideale und begründeten den neufranzösischen Staat, der zweiten kaiserlichen Negierung aber war eine Epoche vorausgegangen, wo jedes Talent sich auf das freiste geltend macheu konnte. Was man auch sonst gegen die Iulimonarchie geltend machen kann, ihr bleibt das Verdienst, daß die bedeu¬ tendsten Geister Frankreichs ihr anhingen; alle dieselben, welche ihr Empor¬ kommen der relativ bedeutenden Freiheit verdankten, welche von 1830—1848 herrschte, wandten sich vom Kaiser seit dem Staatsstreich ab, nachdem sie den Präsidenten Bonaparte unterstützt, ihre Opposition galt nicht der Person, sondern dem Princip. Vielleicht hätten sich der Kaiser und die bedeutender» Leute der alten Parteien begegnen können, wenn erstrer statt der glänzenden Rolle, die er gewählt und für welche der Despotismus nothwendig war, die Heilung der innern Wunden Frankreichs zu seiner Aufgabe gemacht hätte, ' und wenn auf der andern Seite jene Staatsmänner der frühern Zeiten ein¬ gesehen hätten, daß das Land nicht für die Freiheit reif sei. sondern erst langsam auf den Weg, der zu ihr leitet, geführt werden müsse. Ihre Talente wären dann zu praktischen Zwecken verwendet, statt daß sie sich jetzt mit Apologien ihrer frühern Unfehlbarkeit beschäftigen und in versteckten historischen Anspielungen mit der kaiserlichen Regierung plänkeln und schmollen, dieselbe erbittern und auf ihrem verkehrten Wege durch jene Angriffe bestärken. Es wäre so eine Versöhnung möglich gewesen und Graf Morny hätte sich seine Diatribe über die französischen Parteien ersparen können, der man zu Grenzbote» I. 18S8. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/377>, abgerufen am 27.07.2024.