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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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könnten wir fast auf jeder Seite ganz erstaunliche Proben mittheilen: "Goethe
ist in der Gesellschaft nicht einer von den Vielen, sondern ihr unbestrittenes
Haupt, der Polarstern in dem nie untergehenden Sternbilde. Ungeachtet
eines freundschaftlich innigen Zusammenlebens ist es weniger das geflügelte
als das durch den Brief gefesselte Wort, durch welches er weit umher und in
nächster Nähe wirkt; ungeachtet der Tiefurter Festlichkeiten, wo keine Gezwun¬
genheit dem Freudenrausch wehrte, ungeachtet des von ihm gestifteten Kränz¬
chens, bedingt seine Selbständigkeit das Gemessene und eine sich nichts ver¬
gehende Gegenüberstellung u. s. w." oder S. 13: "Hübner ist unter den
Deutschen derjenige zuerst, der das Genre in großartiger Entfaltung unsern
Augen vorführt. Seine Bilder sind bedeutsam, vielleicht etwas zu gewaltsam,
der sein Jagdrecht in der Zeit malte, als der bekannte Meyerheim in Berlin
ein friedliches, ländliches Stillleben mit seinem Kätzchen darstellte und in
dieser Weise zu componiren fortfährt u. f. w." Die Satzverbindung in die¬
sen Stellen gibt eine ungefähre, aber nur schwache Vorstellung von der Art
und Weise, wie die Paragraphen und Capitel aneinandergeflickt sind. Und
es ist doch sehr schade, denn in dieser wüsten Formlosigkeit gehn nicht blos
viele lehrreiche Notizen, sondern auch viele gesunde Urtheile zu Grunde.

Ludwig Schwanes alers Reu qui en für alle, die des Meisters Namen
ehren, erzählt von Franz Trautmann (München. Fleischmann) ist eine lie¬
benswürdige Humoreske, die auf wissenschaftlichen Werth keinen Anspruch
macht.




Humor in Häuserinschristell.

Es pflegt jede Zeit ein Inschrifteninventar auf kommende Geschlechter
zu vererben. Zunächst hat es seinen Zweck für die jedesmalige Gegenwart
zu erfüllen, dann erbaut sich das Geschlecht der Kinder, der Enkel an dem
nach und nach veraltenden Schatz. Es wird durch die Wandelbarkeit des
schriftlichen Ausdrucks überholt, wird halb unverständlich, endlich Metapher.
Nun erhält es für das Auge des rückwärts blickenden Forschers Interesse.
Verschollene Zeiten werden bei dem Licht entzifferter Inschriften wieder deut¬
licher erkennbar. Es gilt zu vergleichen, zu verknüpfen, Beziehungen aufzu¬
suchen und endlich die gefundene wissenschaftliche Perle in herkömmlicher
Fassung dem allgemeinen Interesse zugänglich zu machen. Seit die Menschheit
sich des schriftlichen Ausdrucks bemächtigte, hat sie den Nachlebenden Aufgaben
dieser Art hinterlassen und es haben sich immer Forscher gefunden, welche die
verdämmernden Spuren untergegangener Zeiten zu retten suchten, während die


könnten wir fast auf jeder Seite ganz erstaunliche Proben mittheilen: „Goethe
ist in der Gesellschaft nicht einer von den Vielen, sondern ihr unbestrittenes
Haupt, der Polarstern in dem nie untergehenden Sternbilde. Ungeachtet
eines freundschaftlich innigen Zusammenlebens ist es weniger das geflügelte
als das durch den Brief gefesselte Wort, durch welches er weit umher und in
nächster Nähe wirkt; ungeachtet der Tiefurter Festlichkeiten, wo keine Gezwun¬
genheit dem Freudenrausch wehrte, ungeachtet des von ihm gestifteten Kränz¬
chens, bedingt seine Selbständigkeit das Gemessene und eine sich nichts ver¬
gehende Gegenüberstellung u. s. w." oder S. 13: „Hübner ist unter den
Deutschen derjenige zuerst, der das Genre in großartiger Entfaltung unsern
Augen vorführt. Seine Bilder sind bedeutsam, vielleicht etwas zu gewaltsam,
der sein Jagdrecht in der Zeit malte, als der bekannte Meyerheim in Berlin
ein friedliches, ländliches Stillleben mit seinem Kätzchen darstellte und in
dieser Weise zu componiren fortfährt u. f. w." Die Satzverbindung in die¬
sen Stellen gibt eine ungefähre, aber nur schwache Vorstellung von der Art
und Weise, wie die Paragraphen und Capitel aneinandergeflickt sind. Und
es ist doch sehr schade, denn in dieser wüsten Formlosigkeit gehn nicht blos
viele lehrreiche Notizen, sondern auch viele gesunde Urtheile zu Grunde.

Ludwig Schwanes alers Reu qui en für alle, die des Meisters Namen
ehren, erzählt von Franz Trautmann (München. Fleischmann) ist eine lie¬
benswürdige Humoreske, die auf wissenschaftlichen Werth keinen Anspruch
macht.




Humor in Häuserinschristell.

Es pflegt jede Zeit ein Inschrifteninventar auf kommende Geschlechter
zu vererben. Zunächst hat es seinen Zweck für die jedesmalige Gegenwart
zu erfüllen, dann erbaut sich das Geschlecht der Kinder, der Enkel an dem
nach und nach veraltenden Schatz. Es wird durch die Wandelbarkeit des
schriftlichen Ausdrucks überholt, wird halb unverständlich, endlich Metapher.
Nun erhält es für das Auge des rückwärts blickenden Forschers Interesse.
Verschollene Zeiten werden bei dem Licht entzifferter Inschriften wieder deut¬
licher erkennbar. Es gilt zu vergleichen, zu verknüpfen, Beziehungen aufzu¬
suchen und endlich die gefundene wissenschaftliche Perle in herkömmlicher
Fassung dem allgemeinen Interesse zugänglich zu machen. Seit die Menschheit
sich des schriftlichen Ausdrucks bemächtigte, hat sie den Nachlebenden Aufgaben
dieser Art hinterlassen und es haben sich immer Forscher gefunden, welche die
verdämmernden Spuren untergegangener Zeiten zu retten suchten, während die


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[0358] könnten wir fast auf jeder Seite ganz erstaunliche Proben mittheilen: „Goethe ist in der Gesellschaft nicht einer von den Vielen, sondern ihr unbestrittenes Haupt, der Polarstern in dem nie untergehenden Sternbilde. Ungeachtet eines freundschaftlich innigen Zusammenlebens ist es weniger das geflügelte als das durch den Brief gefesselte Wort, durch welches er weit umher und in nächster Nähe wirkt; ungeachtet der Tiefurter Festlichkeiten, wo keine Gezwun¬ genheit dem Freudenrausch wehrte, ungeachtet des von ihm gestifteten Kränz¬ chens, bedingt seine Selbständigkeit das Gemessene und eine sich nichts ver¬ gehende Gegenüberstellung u. s. w." oder S. 13: „Hübner ist unter den Deutschen derjenige zuerst, der das Genre in großartiger Entfaltung unsern Augen vorführt. Seine Bilder sind bedeutsam, vielleicht etwas zu gewaltsam, der sein Jagdrecht in der Zeit malte, als der bekannte Meyerheim in Berlin ein friedliches, ländliches Stillleben mit seinem Kätzchen darstellte und in dieser Weise zu componiren fortfährt u. f. w." Die Satzverbindung in die¬ sen Stellen gibt eine ungefähre, aber nur schwache Vorstellung von der Art und Weise, wie die Paragraphen und Capitel aneinandergeflickt sind. Und es ist doch sehr schade, denn in dieser wüsten Formlosigkeit gehn nicht blos viele lehrreiche Notizen, sondern auch viele gesunde Urtheile zu Grunde. Ludwig Schwanes alers Reu qui en für alle, die des Meisters Namen ehren, erzählt von Franz Trautmann (München. Fleischmann) ist eine lie¬ benswürdige Humoreske, die auf wissenschaftlichen Werth keinen Anspruch macht. Humor in Häuserinschristell. Es pflegt jede Zeit ein Inschrifteninventar auf kommende Geschlechter zu vererben. Zunächst hat es seinen Zweck für die jedesmalige Gegenwart zu erfüllen, dann erbaut sich das Geschlecht der Kinder, der Enkel an dem nach und nach veraltenden Schatz. Es wird durch die Wandelbarkeit des schriftlichen Ausdrucks überholt, wird halb unverständlich, endlich Metapher. Nun erhält es für das Auge des rückwärts blickenden Forschers Interesse. Verschollene Zeiten werden bei dem Licht entzifferter Inschriften wieder deut¬ licher erkennbar. Es gilt zu vergleichen, zu verknüpfen, Beziehungen aufzu¬ suchen und endlich die gefundene wissenschaftliche Perle in herkömmlicher Fassung dem allgemeinen Interesse zugänglich zu machen. Seit die Menschheit sich des schriftlichen Ausdrucks bemächtigte, hat sie den Nachlebenden Aufgaben dieser Art hinterlassen und es haben sich immer Forscher gefunden, welche die verdämmernden Spuren untergegangener Zeiten zu retten suchten, während die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/358>, abgerufen am 22.12.2024.