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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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lindern in das brandenburger Thor einziehen sah. während die Kanonen
donnerten und die Lebehochs ertönten.

Die ältesten Berliner erinnerten sich eines solchen Aufschwunges der Be¬
geisterung seit 1815 nicht mehr, aber allerdings Berlin mußte sich auch anstrengen,
wenn es nach dem Triumphzug, den das junge Paar durch das Land gemacht,
nach den Huldigungen, welche Aachen, Köln, Magdeburg, Potsdam geboten,
würdig den Rang als Residenz behaupten wollte. Die Prinzessin Friedrich Wil¬
helm sagte dem Lord Mayor auf seine Glückwünsche, sie hoffe für den schwe¬
ren Abschied von der Heimath einen Trost in einem freundlichen Empfange in ihrer
neuen Heimath zu finden, sie hat sich nicht getäuscht und wird sich befriedigt fühlen,
denn mehr als Ehrenpforten, Böller, Festgedichte wird ihr der Willkomm des Vol¬
kes zu Herzen gegangen sein. Gestehen wir es auch offen, daß wir den äußern Arran¬
gements der berliner Stadtbehörden keinen rechten Geschmack abgewinnen konnten,
(die Linden bieten ein ausgezeichnetes Feld für Festdecorationen, und hätte man
die Bäume mit grünen Guirlanden verbunden, so wäre ein sehr schöner
Effect erzielt, die Obelisken mit Flaggenstangen dagegen boten einen ziemlich
dürftigen Anblick) so war das bei dem Einzug ganz Nebensache. Die Haupt¬
sache war neben dem Festzug die bunte Volksmasse; die dichtbesevten Tri¬
bunen, Fenster, ja Dächer, müssen für die Einziehenden ein nicht weniger
anziehendes Schauspiel geboten haben, als sie selbst den Berlinern gewährten.
Das Wetter begünstigte die Festlichkeit, ein klarer, kalter Wintertag ging über
der Stadt aus, in die von frühem Morgen an Scharen von Schaulustigen
strömten, die Läden waren geschlossen, von allen Querstraßen der Linden
zogen die Processionen der Gewerke mit flatternden Bannern und klingendem
Spiele auf und reihten sich längs der mittlern großen Ausfahrt. Das Gedränge
ward stärker und stärker, nach 11 Uhr war es schon schwer, von einer Seite
der Linden auf die andere zu kommen, indeß nicht der geringste Exceß kam
vor, geduldig wartete die Menge und belustigte sich an den Sprüngen einiger
Clowns, die ihr Wesen allein in der Mittelallec treiben durften, und an der
Musik, die nicht aufhörte. Mittlerweile war das prinzliche Paar über Schöne¬
berg den Kanal entlang nach Schloß Bellevue gefahren, wo der König und
die Königin dasselbe erwarteten. Der König, der sich in diesen Tagen besser
befand, umarmte die Prinzessin aufs herzlichste und sprach sein Bedauern aus,
sie nicht besser empfangen zu können. Von Bellevue aus fand der Einzug in
der Residenz statt, am kleinen Stern, wo die Schloßallee in die Charlotten¬
burger Straße mündet, waren die 40 Postillons, welche aus den verschiedenen
Theilen der Monarchie berufen und hier eingeübt wurden, unter Anführung
des Oberpostmcisters Bälde ausgestellt, neben ihnen die berittenen Corps des
Schlächtergcwerks und der Kaufleute unter der Oberleitung des Stadtrathes
Riedel. Das Musikcorps der Kaufleute trug die gelbe und schwarze Uniform


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lindern in das brandenburger Thor einziehen sah. während die Kanonen
donnerten und die Lebehochs ertönten.

Die ältesten Berliner erinnerten sich eines solchen Aufschwunges der Be¬
geisterung seit 1815 nicht mehr, aber allerdings Berlin mußte sich auch anstrengen,
wenn es nach dem Triumphzug, den das junge Paar durch das Land gemacht,
nach den Huldigungen, welche Aachen, Köln, Magdeburg, Potsdam geboten,
würdig den Rang als Residenz behaupten wollte. Die Prinzessin Friedrich Wil¬
helm sagte dem Lord Mayor auf seine Glückwünsche, sie hoffe für den schwe¬
ren Abschied von der Heimath einen Trost in einem freundlichen Empfange in ihrer
neuen Heimath zu finden, sie hat sich nicht getäuscht und wird sich befriedigt fühlen,
denn mehr als Ehrenpforten, Böller, Festgedichte wird ihr der Willkomm des Vol¬
kes zu Herzen gegangen sein. Gestehen wir es auch offen, daß wir den äußern Arran¬
gements der berliner Stadtbehörden keinen rechten Geschmack abgewinnen konnten,
(die Linden bieten ein ausgezeichnetes Feld für Festdecorationen, und hätte man
die Bäume mit grünen Guirlanden verbunden, so wäre ein sehr schöner
Effect erzielt, die Obelisken mit Flaggenstangen dagegen boten einen ziemlich
dürftigen Anblick) so war das bei dem Einzug ganz Nebensache. Die Haupt¬
sache war neben dem Festzug die bunte Volksmasse; die dichtbesevten Tri¬
bunen, Fenster, ja Dächer, müssen für die Einziehenden ein nicht weniger
anziehendes Schauspiel geboten haben, als sie selbst den Berlinern gewährten.
Das Wetter begünstigte die Festlichkeit, ein klarer, kalter Wintertag ging über
der Stadt aus, in die von frühem Morgen an Scharen von Schaulustigen
strömten, die Läden waren geschlossen, von allen Querstraßen der Linden
zogen die Processionen der Gewerke mit flatternden Bannern und klingendem
Spiele auf und reihten sich längs der mittlern großen Ausfahrt. Das Gedränge
ward stärker und stärker, nach 11 Uhr war es schon schwer, von einer Seite
der Linden auf die andere zu kommen, indeß nicht der geringste Exceß kam
vor, geduldig wartete die Menge und belustigte sich an den Sprüngen einiger
Clowns, die ihr Wesen allein in der Mittelallec treiben durften, und an der
Musik, die nicht aufhörte. Mittlerweile war das prinzliche Paar über Schöne¬
berg den Kanal entlang nach Schloß Bellevue gefahren, wo der König und
die Königin dasselbe erwarteten. Der König, der sich in diesen Tagen besser
befand, umarmte die Prinzessin aufs herzlichste und sprach sein Bedauern aus,
sie nicht besser empfangen zu können. Von Bellevue aus fand der Einzug in
der Residenz statt, am kleinen Stern, wo die Schloßallee in die Charlotten¬
burger Straße mündet, waren die 40 Postillons, welche aus den verschiedenen
Theilen der Monarchie berufen und hier eingeübt wurden, unter Anführung
des Oberpostmcisters Bälde ausgestellt, neben ihnen die berittenen Corps des
Schlächtergcwerks und der Kaufleute unter der Oberleitung des Stadtrathes
Riedel. Das Musikcorps der Kaufleute trug die gelbe und schwarze Uniform


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[0323] lindern in das brandenburger Thor einziehen sah. während die Kanonen donnerten und die Lebehochs ertönten. Die ältesten Berliner erinnerten sich eines solchen Aufschwunges der Be¬ geisterung seit 1815 nicht mehr, aber allerdings Berlin mußte sich auch anstrengen, wenn es nach dem Triumphzug, den das junge Paar durch das Land gemacht, nach den Huldigungen, welche Aachen, Köln, Magdeburg, Potsdam geboten, würdig den Rang als Residenz behaupten wollte. Die Prinzessin Friedrich Wil¬ helm sagte dem Lord Mayor auf seine Glückwünsche, sie hoffe für den schwe¬ ren Abschied von der Heimath einen Trost in einem freundlichen Empfange in ihrer neuen Heimath zu finden, sie hat sich nicht getäuscht und wird sich befriedigt fühlen, denn mehr als Ehrenpforten, Böller, Festgedichte wird ihr der Willkomm des Vol¬ kes zu Herzen gegangen sein. Gestehen wir es auch offen, daß wir den äußern Arran¬ gements der berliner Stadtbehörden keinen rechten Geschmack abgewinnen konnten, (die Linden bieten ein ausgezeichnetes Feld für Festdecorationen, und hätte man die Bäume mit grünen Guirlanden verbunden, so wäre ein sehr schöner Effect erzielt, die Obelisken mit Flaggenstangen dagegen boten einen ziemlich dürftigen Anblick) so war das bei dem Einzug ganz Nebensache. Die Haupt¬ sache war neben dem Festzug die bunte Volksmasse; die dichtbesevten Tri¬ bunen, Fenster, ja Dächer, müssen für die Einziehenden ein nicht weniger anziehendes Schauspiel geboten haben, als sie selbst den Berlinern gewährten. Das Wetter begünstigte die Festlichkeit, ein klarer, kalter Wintertag ging über der Stadt aus, in die von frühem Morgen an Scharen von Schaulustigen strömten, die Läden waren geschlossen, von allen Querstraßen der Linden zogen die Processionen der Gewerke mit flatternden Bannern und klingendem Spiele auf und reihten sich längs der mittlern großen Ausfahrt. Das Gedränge ward stärker und stärker, nach 11 Uhr war es schon schwer, von einer Seite der Linden auf die andere zu kommen, indeß nicht der geringste Exceß kam vor, geduldig wartete die Menge und belustigte sich an den Sprüngen einiger Clowns, die ihr Wesen allein in der Mittelallec treiben durften, und an der Musik, die nicht aufhörte. Mittlerweile war das prinzliche Paar über Schöne¬ berg den Kanal entlang nach Schloß Bellevue gefahren, wo der König und die Königin dasselbe erwarteten. Der König, der sich in diesen Tagen besser befand, umarmte die Prinzessin aufs herzlichste und sprach sein Bedauern aus, sie nicht besser empfangen zu können. Von Bellevue aus fand der Einzug in der Residenz statt, am kleinen Stern, wo die Schloßallee in die Charlotten¬ burger Straße mündet, waren die 40 Postillons, welche aus den verschiedenen Theilen der Monarchie berufen und hier eingeübt wurden, unter Anführung des Oberpostmcisters Bälde ausgestellt, neben ihnen die berittenen Corps des Schlächtergcwerks und der Kaufleute unter der Oberleitung des Stadtrathes Riedel. Das Musikcorps der Kaufleute trug die gelbe und schwarze Uniform 40*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/323>, abgerufen am 22.12.2024.