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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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daß er mich erweckte und ich ihm antworten mußte, erbat um Gottes Willen,
ich möchte ausstehn und mit ihm saufen. Ich sagte aber, da5 wäre meine
Art nicht und bat unterthänig, er möchte mich, besonders aber sich selbst mit
solchem verschonen, bis ich ihn von der Kammer, die ich nicht öffnen wollte,
los wurde.

Als der Kaiser 16 Tage zu Nürnberg still gelegen hatte und am Mor¬
gen früh nach Augsburg vorrücken wollte, stand dieser Herzog doch einmal
so früh auf, daß er schon um 6 Uhr nach des Kaisers Logis ritt, aber der
Kaiser war schon zwei Stunden zuvor zum Thore hinaus. Da schämte sich der
Herzog, nach Augsburg zu folgen und schickte zwei seiner Räthe gen Augs¬
burg nach. Er aber blieb bei seinem unordentlichen Leben, ritt zwar mit
seinem Hofgesind zurück in sein Land, aber in dem unordentlichen Saufen
ließ er nicht nach. Zu Liegnitz in seinem Lande saß er einst beim Trunk,
da führte der Weg zwei Studiosen, welche ihre Eltern und Freunde besuchen
wollten, durch Liegnitz. Die essen allda zum Morgen, machen sich auch mit
Singen etwas fröhlich, daß es der Herzog hörte. Da schickte er zu ihnen,
ließ sie greifen, stracks zum Thore hinausfahren und ihnen die Köpfe ab¬
hauen. Den andern Morgen, ehe er wieder zu trinken anfing, ritten etliche
seiner Räthe mit ihm spazieren, und führten ihn grade auf den Platz, wo
die zwei Studenten decollirt waren. Als er das Blut sah und fragte, was
das wäre, und sie ihm vermeldeten, es wäre Blut von den beiden Studiosen,
die er den Tag zuvor hätte abhauen lassen, da wunderte er sich und fragte,
was sie gethan hätten? Als er nun wieder stark bezecht war, befahl er
seinen Räthen bei Strafe ihres Lebens, ihn in den Thurm zu setzen und mit
Wasser und Brot zu speisen, und wenn sie anders mit ihm machen würden,
wollte er ihnen die Köpfe von dem Rumpf hauen lassen. Sie gingen mit
ihm hin zum Thurm, worin bereits Gefangene saßen, zu denen wurde er
hinabgelassen und dem Thurmhüter befohlen, ihn nicht wieder herauszulassen
und mit nichts Anderem, als Wasser und Brot zu speisen. Als er nun den
Trunk ausgeschlafen hatte und sich etwas ermuntern konnte, unterhielt er sich
mit den Gefangenen und rief dem Kerkermeister zu, daß er ihn wieder heraus¬
bringen sollte. Der jedoch sagte, es wäre ihm zu hart verboten, zeigte es
aber den Räthen an. Diese temporisirten bis auf den dritten Tag. Er hörte
nicht auf, dem Kerkermeister zu befehlen, daß er die Räthe bitte, sie möchten
nachgeben und ihn loslassen. Da gingen sie zu ihm in das Gefängniß und
hörten ihn selbst flehn und bitten. Sie aber sagten, er hätte es ihnen bei
Kopfabhauen verboten und sie wüßten, daß er damit nicht scherze, deshalb
dürften sie ihn nicht herauskommen lassen. Er versprach es aber so hoch und
theuer, sie niHt zu beschweren, daß sie ihn aus dem Thurm kommen ließen.

Ungefähr drei Jahre daraus wollte er nach Stettin reiten, alles nur um


Grcnzbliten I. iggg, 37

daß er mich erweckte und ich ihm antworten mußte, erbat um Gottes Willen,
ich möchte ausstehn und mit ihm saufen. Ich sagte aber, da5 wäre meine
Art nicht und bat unterthänig, er möchte mich, besonders aber sich selbst mit
solchem verschonen, bis ich ihn von der Kammer, die ich nicht öffnen wollte,
los wurde.

Als der Kaiser 16 Tage zu Nürnberg still gelegen hatte und am Mor¬
gen früh nach Augsburg vorrücken wollte, stand dieser Herzog doch einmal
so früh auf, daß er schon um 6 Uhr nach des Kaisers Logis ritt, aber der
Kaiser war schon zwei Stunden zuvor zum Thore hinaus. Da schämte sich der
Herzog, nach Augsburg zu folgen und schickte zwei seiner Räthe gen Augs¬
burg nach. Er aber blieb bei seinem unordentlichen Leben, ritt zwar mit
seinem Hofgesind zurück in sein Land, aber in dem unordentlichen Saufen
ließ er nicht nach. Zu Liegnitz in seinem Lande saß er einst beim Trunk,
da führte der Weg zwei Studiosen, welche ihre Eltern und Freunde besuchen
wollten, durch Liegnitz. Die essen allda zum Morgen, machen sich auch mit
Singen etwas fröhlich, daß es der Herzog hörte. Da schickte er zu ihnen,
ließ sie greifen, stracks zum Thore hinausfahren und ihnen die Köpfe ab¬
hauen. Den andern Morgen, ehe er wieder zu trinken anfing, ritten etliche
seiner Räthe mit ihm spazieren, und führten ihn grade auf den Platz, wo
die zwei Studenten decollirt waren. Als er das Blut sah und fragte, was
das wäre, und sie ihm vermeldeten, es wäre Blut von den beiden Studiosen,
die er den Tag zuvor hätte abhauen lassen, da wunderte er sich und fragte,
was sie gethan hätten? Als er nun wieder stark bezecht war, befahl er
seinen Räthen bei Strafe ihres Lebens, ihn in den Thurm zu setzen und mit
Wasser und Brot zu speisen, und wenn sie anders mit ihm machen würden,
wollte er ihnen die Köpfe von dem Rumpf hauen lassen. Sie gingen mit
ihm hin zum Thurm, worin bereits Gefangene saßen, zu denen wurde er
hinabgelassen und dem Thurmhüter befohlen, ihn nicht wieder herauszulassen
und mit nichts Anderem, als Wasser und Brot zu speisen. Als er nun den
Trunk ausgeschlafen hatte und sich etwas ermuntern konnte, unterhielt er sich
mit den Gefangenen und rief dem Kerkermeister zu, daß er ihn wieder heraus¬
bringen sollte. Der jedoch sagte, es wäre ihm zu hart verboten, zeigte es
aber den Räthen an. Diese temporisirten bis auf den dritten Tag. Er hörte
nicht auf, dem Kerkermeister zu befehlen, daß er die Räthe bitte, sie möchten
nachgeben und ihn loslassen. Da gingen sie zu ihm in das Gefängniß und
hörten ihn selbst flehn und bitten. Sie aber sagten, er hätte es ihnen bei
Kopfabhauen verboten und sie wüßten, daß er damit nicht scherze, deshalb
dürften sie ihn nicht herauskommen lassen. Er versprach es aber so hoch und
theuer, sie niHt zu beschweren, daß sie ihn aus dem Thurm kommen ließen.

Ungefähr drei Jahre daraus wollte er nach Stettin reiten, alles nur um


Grcnzbliten I. iggg, 37
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[0297] daß er mich erweckte und ich ihm antworten mußte, erbat um Gottes Willen, ich möchte ausstehn und mit ihm saufen. Ich sagte aber, da5 wäre meine Art nicht und bat unterthänig, er möchte mich, besonders aber sich selbst mit solchem verschonen, bis ich ihn von der Kammer, die ich nicht öffnen wollte, los wurde. Als der Kaiser 16 Tage zu Nürnberg still gelegen hatte und am Mor¬ gen früh nach Augsburg vorrücken wollte, stand dieser Herzog doch einmal so früh auf, daß er schon um 6 Uhr nach des Kaisers Logis ritt, aber der Kaiser war schon zwei Stunden zuvor zum Thore hinaus. Da schämte sich der Herzog, nach Augsburg zu folgen und schickte zwei seiner Räthe gen Augs¬ burg nach. Er aber blieb bei seinem unordentlichen Leben, ritt zwar mit seinem Hofgesind zurück in sein Land, aber in dem unordentlichen Saufen ließ er nicht nach. Zu Liegnitz in seinem Lande saß er einst beim Trunk, da führte der Weg zwei Studiosen, welche ihre Eltern und Freunde besuchen wollten, durch Liegnitz. Die essen allda zum Morgen, machen sich auch mit Singen etwas fröhlich, daß es der Herzog hörte. Da schickte er zu ihnen, ließ sie greifen, stracks zum Thore hinausfahren und ihnen die Köpfe ab¬ hauen. Den andern Morgen, ehe er wieder zu trinken anfing, ritten etliche seiner Räthe mit ihm spazieren, und führten ihn grade auf den Platz, wo die zwei Studenten decollirt waren. Als er das Blut sah und fragte, was das wäre, und sie ihm vermeldeten, es wäre Blut von den beiden Studiosen, die er den Tag zuvor hätte abhauen lassen, da wunderte er sich und fragte, was sie gethan hätten? Als er nun wieder stark bezecht war, befahl er seinen Räthen bei Strafe ihres Lebens, ihn in den Thurm zu setzen und mit Wasser und Brot zu speisen, und wenn sie anders mit ihm machen würden, wollte er ihnen die Köpfe von dem Rumpf hauen lassen. Sie gingen mit ihm hin zum Thurm, worin bereits Gefangene saßen, zu denen wurde er hinabgelassen und dem Thurmhüter befohlen, ihn nicht wieder herauszulassen und mit nichts Anderem, als Wasser und Brot zu speisen. Als er nun den Trunk ausgeschlafen hatte und sich etwas ermuntern konnte, unterhielt er sich mit den Gefangenen und rief dem Kerkermeister zu, daß er ihn wieder heraus¬ bringen sollte. Der jedoch sagte, es wäre ihm zu hart verboten, zeigte es aber den Räthen an. Diese temporisirten bis auf den dritten Tag. Er hörte nicht auf, dem Kerkermeister zu befehlen, daß er die Räthe bitte, sie möchten nachgeben und ihn loslassen. Da gingen sie zu ihm in das Gefängniß und hörten ihn selbst flehn und bitten. Sie aber sagten, er hätte es ihnen bei Kopfabhauen verboten und sie wüßten, daß er damit nicht scherze, deshalb dürften sie ihn nicht herauskommen lassen. Er versprach es aber so hoch und theuer, sie niHt zu beschweren, daß sie ihn aus dem Thurm kommen ließen. Ungefähr drei Jahre daraus wollte er nach Stettin reiten, alles nur um Grcnzbliten I. iggg, 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/297>, abgerufen am 28.07.2024.