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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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knechte gegen den Kaiser, ein Groll, der durch seine hinterlistige Rache an den Wider¬
setzlichen nicht verringert wurde. Ihre Banden marschirten im Dienste deut¬
scher Fürsten mit wilder Freude gegen ihn. Aber es war nicht das Lands-
knechthecr allein, es war nicht einmal das Bündniß der Verräther mit Frank¬
reich, welches den mächtigen Kaiser nach wenigen Jahren so klein machen sollte,
daß der unbedeutende und intriguante Ferdinand durch seinen Kopf das kai¬
serliche Haus stützen mußte, es war eine andere Nemesis. welche die Kraft des
erfahrenen Staatsmannes zerbrach. Der demüthigende Gedanke that es, daß
er, der schlaue, mächtige, alles übersehende Politiker von'den zwei nichts¬
würdigsten Schelmen des deutschen Fürstenstandes, gegen die er die tiefste,
innerste Verachtung empfinden mußte, durch dieselben Künste überlistet worden
war, die sie von ihm gelernt hatten. Der Verräther Moritz und der Böse-
wicht Albrecht von Brandenburg sollten ihn lehren, wie unsicher und haltlos
alle irdischen Dinge seien, und wie sehr der wüste Zufall Meister der klügsten
Berechnung werden könne. Von da wurde Karl fromm, von den beiden
Spießgesellen schlug der tollste den andern todt. Es folgten die Grumbachsche
Fehde, die jülichschen Händel, die böhmischen Wirren, ein Streit rühmloser
als der andere, die Führer einer Partei so wenig werth als die der andern.
Das Ende war der 30jährige Krieg.




Bartholomäus Sastrow, nach der Schlacht bei Mühlberg 1547 in das
kaiserliche Lager nach Halle geschickt, beginnt folgendermaßen:

Die pommerschen Räthe beschlossen, daß ich im kaiserlichen Lager bleiben
und bei Georg von Wedell meinen Schutz haben sollte. Dieser hiuterpom-
mcrsche Edelmann hatte seinen eigenen Vetter erstochen, war in Ungnade bei
Herzog Barnim, diente aber jetzt dem Kaiser mit 29 Pferden. Durch meine
Beschützung machte er sich bei den pommerschen Herzogen so verdient, daß
Herzog Barnim auf mein fleißiges Schreiben die gefaßte Ungnade fallen ließ
und ihn in seinem Eigenthum wieder herstellte. Bin also mit meinem Leib¬
hengst im kaiserlichen Hose bis Augsburg geblieben. Wie es mir auf diesem
Zuge gegangen und was ich gesehn und mit angehört folgt hier genau ver¬
zeichnet.

Es soll im Kriege gewöhnlich, und ungestraft sein, daß ein Kamerad
dem andern ein Pferd stiehlt, und der Prozeß ist folgender: Wenn einem
'eines andern Pferd gefällt, erkauft er einen verschlagenen Neiterknaben mit
etwa sechs oder sieben Thalern, daß er ihm das Pferd in die Hand liefere, dann
schickt er es fünf oder sechs Wochen von bannen, damit es ein wenig ver¬
gessen werde, verändert es an Schwanz. Mähne, Zopf und andern Abzeichen
und läßt es sich dann wieder ins Lager bringen. Das that (im kaiserlichen


knechte gegen den Kaiser, ein Groll, der durch seine hinterlistige Rache an den Wider¬
setzlichen nicht verringert wurde. Ihre Banden marschirten im Dienste deut¬
scher Fürsten mit wilder Freude gegen ihn. Aber es war nicht das Lands-
knechthecr allein, es war nicht einmal das Bündniß der Verräther mit Frank¬
reich, welches den mächtigen Kaiser nach wenigen Jahren so klein machen sollte,
daß der unbedeutende und intriguante Ferdinand durch seinen Kopf das kai¬
serliche Haus stützen mußte, es war eine andere Nemesis. welche die Kraft des
erfahrenen Staatsmannes zerbrach. Der demüthigende Gedanke that es, daß
er, der schlaue, mächtige, alles übersehende Politiker von'den zwei nichts¬
würdigsten Schelmen des deutschen Fürstenstandes, gegen die er die tiefste,
innerste Verachtung empfinden mußte, durch dieselben Künste überlistet worden
war, die sie von ihm gelernt hatten. Der Verräther Moritz und der Böse-
wicht Albrecht von Brandenburg sollten ihn lehren, wie unsicher und haltlos
alle irdischen Dinge seien, und wie sehr der wüste Zufall Meister der klügsten
Berechnung werden könne. Von da wurde Karl fromm, von den beiden
Spießgesellen schlug der tollste den andern todt. Es folgten die Grumbachsche
Fehde, die jülichschen Händel, die böhmischen Wirren, ein Streit rühmloser
als der andere, die Führer einer Partei so wenig werth als die der andern.
Das Ende war der 30jährige Krieg.




Bartholomäus Sastrow, nach der Schlacht bei Mühlberg 1547 in das
kaiserliche Lager nach Halle geschickt, beginnt folgendermaßen:

Die pommerschen Räthe beschlossen, daß ich im kaiserlichen Lager bleiben
und bei Georg von Wedell meinen Schutz haben sollte. Dieser hiuterpom-
mcrsche Edelmann hatte seinen eigenen Vetter erstochen, war in Ungnade bei
Herzog Barnim, diente aber jetzt dem Kaiser mit 29 Pferden. Durch meine
Beschützung machte er sich bei den pommerschen Herzogen so verdient, daß
Herzog Barnim auf mein fleißiges Schreiben die gefaßte Ungnade fallen ließ
und ihn in seinem Eigenthum wieder herstellte. Bin also mit meinem Leib¬
hengst im kaiserlichen Hose bis Augsburg geblieben. Wie es mir auf diesem
Zuge gegangen und was ich gesehn und mit angehört folgt hier genau ver¬
zeichnet.

Es soll im Kriege gewöhnlich, und ungestraft sein, daß ein Kamerad
dem andern ein Pferd stiehlt, und der Prozeß ist folgender: Wenn einem
'eines andern Pferd gefällt, erkauft er einen verschlagenen Neiterknaben mit
etwa sechs oder sieben Thalern, daß er ihm das Pferd in die Hand liefere, dann
schickt er es fünf oder sechs Wochen von bannen, damit es ein wenig ver¬
gessen werde, verändert es an Schwanz. Mähne, Zopf und andern Abzeichen
und läßt es sich dann wieder ins Lager bringen. Das that (im kaiserlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/292>, abgerufen am 28.07.2024.