Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

des Ausfallkrieges im weitesten Sinne Rechnung tragenden Arrangements,
sondern auch der größeren Wohlfeilheit voraus. Im Wesentlichen beruht dieses
neue preußische Befestigungssystem, wie vielleicht manchem Leser noch aus
einem in diesem Blatte enthaltenen Aufsatz aus dem Jahre 1855 erinnerlich
sein wird, auf dein Grundsatz, die Bestreichung (Flankirung) des Grabens
nicht durch eine Brechung der Umzugslinie (Enceinte) zu erreichen (Bastionär-
system), sondern durch ein im Graben und zwar entweder vor der Mitte der
Fronten oder vor deren Winkeln gelegenes Blockhaus (Caponniöre) zu erreichen
(daher Caponniersystem).

Auch in weiteren Kreisen ist es bekannt, daß der Bau von Koblenz in
die Hände des damaligen Obersten Aster, der aus sächsischen Diensten in
preußische übergegangen war, gelegt wurde, und nachträglich unter dessen
unmittelbarer Leitung bis nahe zum Schluß geführt worden ist. Man hat
den Entwurf, der zum großen Theil eigenes Werk des Genannten ist. wenn
auch unter Mitwirkung vieler anderer Kapacitäten entstanden, vorzugsweise ge¬
nial genannt, und das mit Recht, denn in ihm ist bereits ein klares Erkennen
des erst durch die neuesten Kriegserfahrungen unumstößlich gemachten Prin¬
cips documentirt, daß die moderne Festung ihre Stärke nicht in der Umfas¬
sung (Enceinte), sondern vielmehr in den vorgeschobenen (dctachirten) Werken
zu suchen hat, und es sich bei Feststellung der fortisicatorischcn Balance darum
handelt, den letzteren mit allen Mitteln der Kunst eine möglichst große Wi¬
derstandskraft zu verleihen, während die Umfassung viel einfacher und schwä¬
cher ausgeführt werden darf, und selbst muß, wenn man sich nicht einer Ver¬
geudung der Mittel schuldig machen will. Dieser Grundsatz ist in seiner
Reinheit leider später nicht aufrecht erhalten geblieben. Ich werde im wei¬
teren Verlauf dieser Blätter erörtern: inwiefern nicht, und warum nicht.
Bei Köln, ivv die Bedingungen des Terrains durchaus andere waren, wie
bei Koblenz, ist zwar ebenfalls nach dem vorgenannten Grundsatz verfahren
worden, nämlich der Accent der Vertheidigung, im Gegensatz zur Umfassung
selbst, auf eine doppelte Reihe von schachbrctförmig geordneten vorgeschobenen
Forts übertragen worden; weil indeß diese selbst wegen ihrer Kleinheit
und namentlich der Lage und zum Theil unzweckmäßigen Situirung ihrer
Neduits viel zu wünschen übrig lassen, kann man das Ganze nicht in dem¬
selben Maße für vollkommen erachten wie Koblenz. Ein Weiteres über die
Details der beiden Festungen hier zu sagen, verbieten Rücksichten, die kein
Patriot außer Augen setzen darf, wenn auch im Allgemeinen nichts dadurch
gefährdet werden würde.

Im Jahre 1317 waren die Arbeiten am Rhein im vollen Gange.
Während das Vorhandensein der alten Mauer der Befestigung in Köln treff¬
lich zu statten kam, hatte sie dagegen in Koblenz von Grund aus neu zu be-


Grenzbvten I. 18SÜ. ^' 33

des Ausfallkrieges im weitesten Sinne Rechnung tragenden Arrangements,
sondern auch der größeren Wohlfeilheit voraus. Im Wesentlichen beruht dieses
neue preußische Befestigungssystem, wie vielleicht manchem Leser noch aus
einem in diesem Blatte enthaltenen Aufsatz aus dem Jahre 1855 erinnerlich
sein wird, auf dein Grundsatz, die Bestreichung (Flankirung) des Grabens
nicht durch eine Brechung der Umzugslinie (Enceinte) zu erreichen (Bastionär-
system), sondern durch ein im Graben und zwar entweder vor der Mitte der
Fronten oder vor deren Winkeln gelegenes Blockhaus (Caponniöre) zu erreichen
(daher Caponniersystem).

Auch in weiteren Kreisen ist es bekannt, daß der Bau von Koblenz in
die Hände des damaligen Obersten Aster, der aus sächsischen Diensten in
preußische übergegangen war, gelegt wurde, und nachträglich unter dessen
unmittelbarer Leitung bis nahe zum Schluß geführt worden ist. Man hat
den Entwurf, der zum großen Theil eigenes Werk des Genannten ist. wenn
auch unter Mitwirkung vieler anderer Kapacitäten entstanden, vorzugsweise ge¬
nial genannt, und das mit Recht, denn in ihm ist bereits ein klares Erkennen
des erst durch die neuesten Kriegserfahrungen unumstößlich gemachten Prin¬
cips documentirt, daß die moderne Festung ihre Stärke nicht in der Umfas¬
sung (Enceinte), sondern vielmehr in den vorgeschobenen (dctachirten) Werken
zu suchen hat, und es sich bei Feststellung der fortisicatorischcn Balance darum
handelt, den letzteren mit allen Mitteln der Kunst eine möglichst große Wi¬
derstandskraft zu verleihen, während die Umfassung viel einfacher und schwä¬
cher ausgeführt werden darf, und selbst muß, wenn man sich nicht einer Ver¬
geudung der Mittel schuldig machen will. Dieser Grundsatz ist in seiner
Reinheit leider später nicht aufrecht erhalten geblieben. Ich werde im wei¬
teren Verlauf dieser Blätter erörtern: inwiefern nicht, und warum nicht.
Bei Köln, ivv die Bedingungen des Terrains durchaus andere waren, wie
bei Koblenz, ist zwar ebenfalls nach dem vorgenannten Grundsatz verfahren
worden, nämlich der Accent der Vertheidigung, im Gegensatz zur Umfassung
selbst, auf eine doppelte Reihe von schachbrctförmig geordneten vorgeschobenen
Forts übertragen worden; weil indeß diese selbst wegen ihrer Kleinheit
und namentlich der Lage und zum Theil unzweckmäßigen Situirung ihrer
Neduits viel zu wünschen übrig lassen, kann man das Ganze nicht in dem¬
selben Maße für vollkommen erachten wie Koblenz. Ein Weiteres über die
Details der beiden Festungen hier zu sagen, verbieten Rücksichten, die kein
Patriot außer Augen setzen darf, wenn auch im Allgemeinen nichts dadurch
gefährdet werden würde.

Im Jahre 1317 waren die Arbeiten am Rhein im vollen Gange.
Während das Vorhandensein der alten Mauer der Befestigung in Köln treff¬
lich zu statten kam, hatte sie dagegen in Koblenz von Grund aus neu zu be-


Grenzbvten I. 18SÜ. ^' 33
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0265" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105542"/>
          <p xml:id="ID_700" prev="#ID_699"> des Ausfallkrieges im weitesten Sinne Rechnung tragenden Arrangements,<lb/>
sondern auch der größeren Wohlfeilheit voraus. Im Wesentlichen beruht dieses<lb/>
neue preußische Befestigungssystem, wie vielleicht manchem Leser noch aus<lb/>
einem in diesem Blatte enthaltenen Aufsatz aus dem Jahre 1855 erinnerlich<lb/>
sein wird, auf dein Grundsatz, die Bestreichung (Flankirung) des Grabens<lb/>
nicht durch eine Brechung der Umzugslinie (Enceinte) zu erreichen (Bastionär-<lb/>
system), sondern durch ein im Graben und zwar entweder vor der Mitte der<lb/>
Fronten oder vor deren Winkeln gelegenes Blockhaus (Caponniöre) zu erreichen<lb/>
(daher Caponniersystem).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_701"> Auch in weiteren Kreisen ist es bekannt, daß der Bau von Koblenz in<lb/>
die Hände des damaligen Obersten Aster, der aus sächsischen Diensten in<lb/>
preußische übergegangen war, gelegt wurde, und nachträglich unter dessen<lb/>
unmittelbarer Leitung bis nahe zum Schluß geführt worden ist. Man hat<lb/>
den Entwurf, der zum großen Theil eigenes Werk des Genannten ist. wenn<lb/>
auch unter Mitwirkung vieler anderer Kapacitäten entstanden, vorzugsweise ge¬<lb/>
nial genannt, und das mit Recht, denn in ihm ist bereits ein klares Erkennen<lb/>
des erst durch die neuesten Kriegserfahrungen unumstößlich gemachten Prin¬<lb/>
cips documentirt, daß die moderne Festung ihre Stärke nicht in der Umfas¬<lb/>
sung (Enceinte), sondern vielmehr in den vorgeschobenen (dctachirten) Werken<lb/>
zu suchen hat, und es sich bei Feststellung der fortisicatorischcn Balance darum<lb/>
handelt, den letzteren mit allen Mitteln der Kunst eine möglichst große Wi¬<lb/>
derstandskraft zu verleihen, während die Umfassung viel einfacher und schwä¬<lb/>
cher ausgeführt werden darf, und selbst muß, wenn man sich nicht einer Ver¬<lb/>
geudung der Mittel schuldig machen will.  Dieser Grundsatz ist in seiner<lb/>
Reinheit leider später nicht aufrecht erhalten geblieben.  Ich werde im wei¬<lb/>
teren Verlauf dieser Blätter erörtern: inwiefern nicht, und warum nicht.<lb/>
Bei Köln, ivv die Bedingungen des Terrains durchaus andere waren, wie<lb/>
bei Koblenz, ist zwar ebenfalls nach dem vorgenannten Grundsatz verfahren<lb/>
worden, nämlich der Accent der Vertheidigung, im Gegensatz zur Umfassung<lb/>
selbst, auf eine doppelte Reihe von schachbrctförmig geordneten vorgeschobenen<lb/>
Forts übertragen worden; weil indeß diese selbst wegen ihrer Kleinheit<lb/>
und namentlich der Lage und zum Theil unzweckmäßigen Situirung ihrer<lb/>
Neduits viel zu wünschen übrig lassen, kann man das Ganze nicht in dem¬<lb/>
selben Maße für vollkommen erachten wie Koblenz.  Ein Weiteres über die<lb/>
Details der beiden Festungen hier zu sagen, verbieten Rücksichten, die kein<lb/>
Patriot außer Augen setzen darf, wenn auch im Allgemeinen nichts dadurch<lb/>
gefährdet werden würde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_702" next="#ID_703"> Im Jahre 1317 waren die Arbeiten am Rhein im vollen Gange.<lb/>
Während das Vorhandensein der alten Mauer der Befestigung in Köln treff¬<lb/>
lich zu statten kam, hatte sie dagegen in Koblenz von Grund aus neu zu be-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbvten I. 18SÜ. ^' 33</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0265] des Ausfallkrieges im weitesten Sinne Rechnung tragenden Arrangements, sondern auch der größeren Wohlfeilheit voraus. Im Wesentlichen beruht dieses neue preußische Befestigungssystem, wie vielleicht manchem Leser noch aus einem in diesem Blatte enthaltenen Aufsatz aus dem Jahre 1855 erinnerlich sein wird, auf dein Grundsatz, die Bestreichung (Flankirung) des Grabens nicht durch eine Brechung der Umzugslinie (Enceinte) zu erreichen (Bastionär- system), sondern durch ein im Graben und zwar entweder vor der Mitte der Fronten oder vor deren Winkeln gelegenes Blockhaus (Caponniöre) zu erreichen (daher Caponniersystem). Auch in weiteren Kreisen ist es bekannt, daß der Bau von Koblenz in die Hände des damaligen Obersten Aster, der aus sächsischen Diensten in preußische übergegangen war, gelegt wurde, und nachträglich unter dessen unmittelbarer Leitung bis nahe zum Schluß geführt worden ist. Man hat den Entwurf, der zum großen Theil eigenes Werk des Genannten ist. wenn auch unter Mitwirkung vieler anderer Kapacitäten entstanden, vorzugsweise ge¬ nial genannt, und das mit Recht, denn in ihm ist bereits ein klares Erkennen des erst durch die neuesten Kriegserfahrungen unumstößlich gemachten Prin¬ cips documentirt, daß die moderne Festung ihre Stärke nicht in der Umfas¬ sung (Enceinte), sondern vielmehr in den vorgeschobenen (dctachirten) Werken zu suchen hat, und es sich bei Feststellung der fortisicatorischcn Balance darum handelt, den letzteren mit allen Mitteln der Kunst eine möglichst große Wi¬ derstandskraft zu verleihen, während die Umfassung viel einfacher und schwä¬ cher ausgeführt werden darf, und selbst muß, wenn man sich nicht einer Ver¬ geudung der Mittel schuldig machen will. Dieser Grundsatz ist in seiner Reinheit leider später nicht aufrecht erhalten geblieben. Ich werde im wei¬ teren Verlauf dieser Blätter erörtern: inwiefern nicht, und warum nicht. Bei Köln, ivv die Bedingungen des Terrains durchaus andere waren, wie bei Koblenz, ist zwar ebenfalls nach dem vorgenannten Grundsatz verfahren worden, nämlich der Accent der Vertheidigung, im Gegensatz zur Umfassung selbst, auf eine doppelte Reihe von schachbrctförmig geordneten vorgeschobenen Forts übertragen worden; weil indeß diese selbst wegen ihrer Kleinheit und namentlich der Lage und zum Theil unzweckmäßigen Situirung ihrer Neduits viel zu wünschen übrig lassen, kann man das Ganze nicht in dem¬ selben Maße für vollkommen erachten wie Koblenz. Ein Weiteres über die Details der beiden Festungen hier zu sagen, verbieten Rücksichten, die kein Patriot außer Augen setzen darf, wenn auch im Allgemeinen nichts dadurch gefährdet werden würde. Im Jahre 1317 waren die Arbeiten am Rhein im vollen Gange. Während das Vorhandensein der alten Mauer der Befestigung in Köln treff¬ lich zu statten kam, hatte sie dagegen in Koblenz von Grund aus neu zu be- Grenzbvten I. 18SÜ. ^' 33

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/265
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/265>, abgerufen am 28.07.2024.