Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zu entblößen und darnach infolge einer nicht durchaus zu rechtfertigenden
Vorliebe, die man für eine möglichst große Anzahl von Befestigungen gewon¬
nen hatte.

Am wichtigsten war die Entscheidung über die Zahl der Befestigungs¬
punkte am Rhein selber. In dem obenerwähnten Memoire Napoleons war
ein bedeutendes Gewicht auf Bonn gelegt worden. Aber dieser Punkt war
offenbar Köln, welches unter allen Umständen ein Platz ersten Ranges werden
mußte, zu nahe gelegen, ließ zwischen sich und Mainz einen viel zu weiten
Raum, und entsprach darum dem fraglichen Zweck nicht. In dieser Hinsicht
war Koblenz viel günstiger gelegen, nämlich mehr, wenn auch nicht völlig
in der Mitte des Stromlauses zwischen Mainz und Köln, außerdem am Zu¬
sammenfluß der Mosel mit dem Hauptstrome, und nicht weit von der Mün¬
dung der Lahn in diesen entfernt. Wenn seiner Wahl ein Bedenken entgegen¬
stand, so floß dies aus seiner Situation mitten im coupirten Terrain. Das¬
selbe mag einer kleinen Festung günstig sein; ein großer Platz aber sucht die
Ebene, weil er hier freier wirken kann, denn es ist bei ihm nicht sowol das
taktische wie das strategische Element, welches ins Gewicht fällt, mit anderen
Worten: seine Defenfivkraft beruht weniger auf dem Widerstand seiner Walle
an sich, als vielmehr auf der unbehinderten Action seiner Besatzung nach
außen hin. Inmitten dieser einander widerstreitenden Interessen war eine
Entscheidung der Frage nicht leicht. Wie jedermann weiß, ist sie für Koblenz
ausgefallen, und man kann sie im Allgemeinen nur billigen. Die Beibehal¬
tung Wesels und seine möglichste Verstärkung war eine gebieterische Pflicht,
die sich ebenso sehr aus Gründen der Oekonomie wie auf Grund der Lage
der Straßcnlinien empfahl. In Hinsicht auf die Weser konnte man nicht füg¬
lich anders als für Beibehaltung und Nehabilitirung von Minden sich entschei¬
den. Demnach waren zwei neue Hauptfestungen zu erbauen: Koblenz und
Köln und zwei vorhandene Plätze in einer umfassenden Weise zu verstärken,
nämlich Wesel und Minden.

Man kann den preußischen leitenden militärischen Behörden, also im Be¬
sonderen dem Knegsministcrium und dem Generalcommanöo des Ingenieur-
corps die Anerkennung nicht versagen, daß sie die Ausführung der betreffen¬
den Bauten in einer durchaus zweckgemäßen, den örtlichen wie politischen
Verhältnissen in einem hohen Maße entsprechenden Art angeordnet haben.
Koblenz und Köln wurden ziemlich gleichzeitig in baulichen Angriff genom¬
men und dabei nach einem durchaus neuen System verfahren, denn wenn
auch die Principien der modernen preußischen Befestigungen im Wesentlichen
mit denen Montcilemberts übereinstimmen, unterscheidet sich die Methode im
Einzelnen dennoch wesentlich von des Letzteren Entwürfen und hat vor ihnen
nicht nur den Vorzug eines zweckgemäßeren, namentlich den Anforderungen


zu entblößen und darnach infolge einer nicht durchaus zu rechtfertigenden
Vorliebe, die man für eine möglichst große Anzahl von Befestigungen gewon¬
nen hatte.

Am wichtigsten war die Entscheidung über die Zahl der Befestigungs¬
punkte am Rhein selber. In dem obenerwähnten Memoire Napoleons war
ein bedeutendes Gewicht auf Bonn gelegt worden. Aber dieser Punkt war
offenbar Köln, welches unter allen Umständen ein Platz ersten Ranges werden
mußte, zu nahe gelegen, ließ zwischen sich und Mainz einen viel zu weiten
Raum, und entsprach darum dem fraglichen Zweck nicht. In dieser Hinsicht
war Koblenz viel günstiger gelegen, nämlich mehr, wenn auch nicht völlig
in der Mitte des Stromlauses zwischen Mainz und Köln, außerdem am Zu¬
sammenfluß der Mosel mit dem Hauptstrome, und nicht weit von der Mün¬
dung der Lahn in diesen entfernt. Wenn seiner Wahl ein Bedenken entgegen¬
stand, so floß dies aus seiner Situation mitten im coupirten Terrain. Das¬
selbe mag einer kleinen Festung günstig sein; ein großer Platz aber sucht die
Ebene, weil er hier freier wirken kann, denn es ist bei ihm nicht sowol das
taktische wie das strategische Element, welches ins Gewicht fällt, mit anderen
Worten: seine Defenfivkraft beruht weniger auf dem Widerstand seiner Walle
an sich, als vielmehr auf der unbehinderten Action seiner Besatzung nach
außen hin. Inmitten dieser einander widerstreitenden Interessen war eine
Entscheidung der Frage nicht leicht. Wie jedermann weiß, ist sie für Koblenz
ausgefallen, und man kann sie im Allgemeinen nur billigen. Die Beibehal¬
tung Wesels und seine möglichste Verstärkung war eine gebieterische Pflicht,
die sich ebenso sehr aus Gründen der Oekonomie wie auf Grund der Lage
der Straßcnlinien empfahl. In Hinsicht auf die Weser konnte man nicht füg¬
lich anders als für Beibehaltung und Nehabilitirung von Minden sich entschei¬
den. Demnach waren zwei neue Hauptfestungen zu erbauen: Koblenz und
Köln und zwei vorhandene Plätze in einer umfassenden Weise zu verstärken,
nämlich Wesel und Minden.

Man kann den preußischen leitenden militärischen Behörden, also im Be¬
sonderen dem Knegsministcrium und dem Generalcommanöo des Ingenieur-
corps die Anerkennung nicht versagen, daß sie die Ausführung der betreffen¬
den Bauten in einer durchaus zweckgemäßen, den örtlichen wie politischen
Verhältnissen in einem hohen Maße entsprechenden Art angeordnet haben.
Koblenz und Köln wurden ziemlich gleichzeitig in baulichen Angriff genom¬
men und dabei nach einem durchaus neuen System verfahren, denn wenn
auch die Principien der modernen preußischen Befestigungen im Wesentlichen
mit denen Montcilemberts übereinstimmen, unterscheidet sich die Methode im
Einzelnen dennoch wesentlich von des Letzteren Entwürfen und hat vor ihnen
nicht nur den Vorzug eines zweckgemäßeren, namentlich den Anforderungen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0264" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105541"/>
          <p xml:id="ID_697" prev="#ID_696"> zu entblößen und darnach infolge einer nicht durchaus zu rechtfertigenden<lb/>
Vorliebe, die man für eine möglichst große Anzahl von Befestigungen gewon¬<lb/>
nen hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_698"> Am wichtigsten war die Entscheidung über die Zahl der Befestigungs¬<lb/>
punkte am Rhein selber. In dem obenerwähnten Memoire Napoleons war<lb/>
ein bedeutendes Gewicht auf Bonn gelegt worden. Aber dieser Punkt war<lb/>
offenbar Köln, welches unter allen Umständen ein Platz ersten Ranges werden<lb/>
mußte, zu nahe gelegen, ließ zwischen sich und Mainz einen viel zu weiten<lb/>
Raum, und entsprach darum dem fraglichen Zweck nicht. In dieser Hinsicht<lb/>
war Koblenz viel günstiger gelegen, nämlich mehr, wenn auch nicht völlig<lb/>
in der Mitte des Stromlauses zwischen Mainz und Köln, außerdem am Zu¬<lb/>
sammenfluß der Mosel mit dem Hauptstrome, und nicht weit von der Mün¬<lb/>
dung der Lahn in diesen entfernt. Wenn seiner Wahl ein Bedenken entgegen¬<lb/>
stand, so floß dies aus seiner Situation mitten im coupirten Terrain. Das¬<lb/>
selbe mag einer kleinen Festung günstig sein; ein großer Platz aber sucht die<lb/>
Ebene, weil er hier freier wirken kann, denn es ist bei ihm nicht sowol das<lb/>
taktische wie das strategische Element, welches ins Gewicht fällt, mit anderen<lb/>
Worten: seine Defenfivkraft beruht weniger auf dem Widerstand seiner Walle<lb/>
an sich, als vielmehr auf der unbehinderten Action seiner Besatzung nach<lb/>
außen hin. Inmitten dieser einander widerstreitenden Interessen war eine<lb/>
Entscheidung der Frage nicht leicht. Wie jedermann weiß, ist sie für Koblenz<lb/>
ausgefallen, und man kann sie im Allgemeinen nur billigen. Die Beibehal¬<lb/>
tung Wesels und seine möglichste Verstärkung war eine gebieterische Pflicht,<lb/>
die sich ebenso sehr aus Gründen der Oekonomie wie auf Grund der Lage<lb/>
der Straßcnlinien empfahl. In Hinsicht auf die Weser konnte man nicht füg¬<lb/>
lich anders als für Beibehaltung und Nehabilitirung von Minden sich entschei¬<lb/>
den. Demnach waren zwei neue Hauptfestungen zu erbauen: Koblenz und<lb/>
Köln und zwei vorhandene Plätze in einer umfassenden Weise zu verstärken,<lb/>
nämlich Wesel und Minden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_699" next="#ID_700"> Man kann den preußischen leitenden militärischen Behörden, also im Be¬<lb/>
sonderen dem Knegsministcrium und dem Generalcommanöo des Ingenieur-<lb/>
corps die Anerkennung nicht versagen, daß sie die Ausführung der betreffen¬<lb/>
den Bauten in einer durchaus zweckgemäßen, den örtlichen wie politischen<lb/>
Verhältnissen in einem hohen Maße entsprechenden Art angeordnet haben.<lb/>
Koblenz und Köln wurden ziemlich gleichzeitig in baulichen Angriff genom¬<lb/>
men und dabei nach einem durchaus neuen System verfahren, denn wenn<lb/>
auch die Principien der modernen preußischen Befestigungen im Wesentlichen<lb/>
mit denen Montcilemberts übereinstimmen, unterscheidet sich die Methode im<lb/>
Einzelnen dennoch wesentlich von des Letzteren Entwürfen und hat vor ihnen<lb/>
nicht nur den Vorzug eines zweckgemäßeren, namentlich den Anforderungen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0264] zu entblößen und darnach infolge einer nicht durchaus zu rechtfertigenden Vorliebe, die man für eine möglichst große Anzahl von Befestigungen gewon¬ nen hatte. Am wichtigsten war die Entscheidung über die Zahl der Befestigungs¬ punkte am Rhein selber. In dem obenerwähnten Memoire Napoleons war ein bedeutendes Gewicht auf Bonn gelegt worden. Aber dieser Punkt war offenbar Köln, welches unter allen Umständen ein Platz ersten Ranges werden mußte, zu nahe gelegen, ließ zwischen sich und Mainz einen viel zu weiten Raum, und entsprach darum dem fraglichen Zweck nicht. In dieser Hinsicht war Koblenz viel günstiger gelegen, nämlich mehr, wenn auch nicht völlig in der Mitte des Stromlauses zwischen Mainz und Köln, außerdem am Zu¬ sammenfluß der Mosel mit dem Hauptstrome, und nicht weit von der Mün¬ dung der Lahn in diesen entfernt. Wenn seiner Wahl ein Bedenken entgegen¬ stand, so floß dies aus seiner Situation mitten im coupirten Terrain. Das¬ selbe mag einer kleinen Festung günstig sein; ein großer Platz aber sucht die Ebene, weil er hier freier wirken kann, denn es ist bei ihm nicht sowol das taktische wie das strategische Element, welches ins Gewicht fällt, mit anderen Worten: seine Defenfivkraft beruht weniger auf dem Widerstand seiner Walle an sich, als vielmehr auf der unbehinderten Action seiner Besatzung nach außen hin. Inmitten dieser einander widerstreitenden Interessen war eine Entscheidung der Frage nicht leicht. Wie jedermann weiß, ist sie für Koblenz ausgefallen, und man kann sie im Allgemeinen nur billigen. Die Beibehal¬ tung Wesels und seine möglichste Verstärkung war eine gebieterische Pflicht, die sich ebenso sehr aus Gründen der Oekonomie wie auf Grund der Lage der Straßcnlinien empfahl. In Hinsicht auf die Weser konnte man nicht füg¬ lich anders als für Beibehaltung und Nehabilitirung von Minden sich entschei¬ den. Demnach waren zwei neue Hauptfestungen zu erbauen: Koblenz und Köln und zwei vorhandene Plätze in einer umfassenden Weise zu verstärken, nämlich Wesel und Minden. Man kann den preußischen leitenden militärischen Behörden, also im Be¬ sonderen dem Knegsministcrium und dem Generalcommanöo des Ingenieur- corps die Anerkennung nicht versagen, daß sie die Ausführung der betreffen¬ den Bauten in einer durchaus zweckgemäßen, den örtlichen wie politischen Verhältnissen in einem hohen Maße entsprechenden Art angeordnet haben. Koblenz und Köln wurden ziemlich gleichzeitig in baulichen Angriff genom¬ men und dabei nach einem durchaus neuen System verfahren, denn wenn auch die Principien der modernen preußischen Befestigungen im Wesentlichen mit denen Montcilemberts übereinstimmen, unterscheidet sich die Methode im Einzelnen dennoch wesentlich von des Letzteren Entwürfen und hat vor ihnen nicht nur den Vorzug eines zweckgemäßeren, namentlich den Anforderungen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/264
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/264>, abgerufen am 28.07.2024.