Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.daß der Artikel des Spectatcur, welcher sagt, "früher hätten die Leidenschaften daß der Artikel des Spectatcur, welcher sagt, „früher hätten die Leidenschaften <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0244" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105521"/> <p xml:id="ID_644" prev="#ID_643" next="#ID_645"> daß der Artikel des Spectatcur, welcher sagt, „früher hätten die Leidenschaften<lb/> ihre heilsame Grenze in dem heilsamen Gesetz der erblichen Monarchie ge¬<lb/> funden, welches dieselbe über allen Wechsel und Ehrgeiz gestellt" absurd ist,<lb/> weil Heinrich III., Heinrich IV. wie der Herzog von Berry ermordet sind und<lb/> das jetzige Kaiserthum die Erblichkeit der Krone in die Verfassung geschrieben<lb/> — aber unterdrückt man ein Blatt, weil es einen absurden Artikel enthält?<lb/> — Die Revue de Paris hat sich ausgezeichnet durch Veröffentlichung unsitt¬<lb/> licher Romane und extremer philosophischer Ansichten, aber sie hat fast nie die<lb/> Negierung angegriffen. Wie weit soll denn aber die Macht der Verwarnung<lb/> resp. Unterdrückung gehen? Die französischen Blätter halsen sich bisher dadurch,<lb/> daß, da sie die Grundsätze und Handlungen des Kaiserthums nicht angreifen<lb/> durften, sie das Gegentheil derselben in England, Belgien, Piemontzc. lobten,<lb/> aber auch das — och torines IrgMumviit, d^rise^s — will der Minister des<lb/> Innern, Billault, nicht mehr leiden, derselbe Mann, der 1847 fand, daß die<lb/> Charte von 1830 noch nicht genug Freiheit gebe und unter den Reformisten<lb/> war. Natürlich sind die Präfecten noch weit eifriger als ihr Haupt. Das<lb/> Blatt „I^o i>lieu'0 60 I-r I^vir«", berichtete über die Eröffnung der Session:<lb/> Der Kaiser hat die Rede gehalten, weiche wir mitgetheilt haben und welche<lb/> laut der Agentur Havas zu' wiederholten Malen die Zurufe „Es lebe der<lb/> Kaiser, es lebe die Kaiserin, es lebe der kaiserliche Prinz" hervorgelockt hat.<lb/> Hieraus verfügt der Präfect zu Nantes: — „In Anbetracht, daß diese zwei¬<lb/> felnde und unpassende Fassung gegenüber dem so glänzenden Enthusiasmus,<lb/> den die Worte des Kaisers den großen Staatskörperschaftcn und allen guten<lb/> Bürgern einflößten, unter den dermaligen Verhältnissen noch tadclhafter wird,<lb/> wird dem Journal „I.v xlmie alö 1^ Loiic;" eine Verwarnung ertheilt." — Was<lb/> will man noch mehr? Will man Villemain verbieten, -Memoiren zu schreiben,<lb/> oder Ampere untersagen, die Geschichte der römischen Kaiser zu behandeln,<lb/> und die Ansicht zu äußern, daß die Moral trotz der prächtigen' Bauten ge¬<lb/> sunken sei, will man der Akademie einen kaiserlichen Director setzen, der wie<lb/> im Corps Legislatif das Wort ertheilt, und sie reformiren, wie man das<lb/> College de France „reorganisirt" hat? — Die auswärtigen Blätter werden<lb/> mit Beschlag belegt, sobald sie einen der Negierung unangenehmen Artikel<lb/> bringen, selbst Leute vom Schlage Girardins und Voraus haben sich zurück¬<lb/> gezogen, weil ihnen die Luft zu sehr abgeschnitten ward, so bleibt die Ein¬<lb/> tönigkeit der Lohnschreiber Graner de Cassagnac, de la Guerronnicue, Neuve :c.<lb/> und die Frivolität von Alex. Dumas Vater und Sohn. Ist das genug, um<lb/> den Platz als Vorkämpfer der Civilisation zu behaupten, zumal die aus¬<lb/> wärtige Politik entsetzlich unfruchtbar geworden, und niemand mehr von<lb/> Donauschiffahrt und Fürstenthümern lesen will? — Was kaun aber die Folge<lb/> davon sein, daß jede Aeußerung einer selbstständigen Meinung untersagt wird,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0244]
daß der Artikel des Spectatcur, welcher sagt, „früher hätten die Leidenschaften
ihre heilsame Grenze in dem heilsamen Gesetz der erblichen Monarchie ge¬
funden, welches dieselbe über allen Wechsel und Ehrgeiz gestellt" absurd ist,
weil Heinrich III., Heinrich IV. wie der Herzog von Berry ermordet sind und
das jetzige Kaiserthum die Erblichkeit der Krone in die Verfassung geschrieben
— aber unterdrückt man ein Blatt, weil es einen absurden Artikel enthält?
— Die Revue de Paris hat sich ausgezeichnet durch Veröffentlichung unsitt¬
licher Romane und extremer philosophischer Ansichten, aber sie hat fast nie die
Negierung angegriffen. Wie weit soll denn aber die Macht der Verwarnung
resp. Unterdrückung gehen? Die französischen Blätter halsen sich bisher dadurch,
daß, da sie die Grundsätze und Handlungen des Kaiserthums nicht angreifen
durften, sie das Gegentheil derselben in England, Belgien, Piemontzc. lobten,
aber auch das — och torines IrgMumviit, d^rise^s — will der Minister des
Innern, Billault, nicht mehr leiden, derselbe Mann, der 1847 fand, daß die
Charte von 1830 noch nicht genug Freiheit gebe und unter den Reformisten
war. Natürlich sind die Präfecten noch weit eifriger als ihr Haupt. Das
Blatt „I^o i>lieu'0 60 I-r I^vir«", berichtete über die Eröffnung der Session:
Der Kaiser hat die Rede gehalten, weiche wir mitgetheilt haben und welche
laut der Agentur Havas zu' wiederholten Malen die Zurufe „Es lebe der
Kaiser, es lebe die Kaiserin, es lebe der kaiserliche Prinz" hervorgelockt hat.
Hieraus verfügt der Präfect zu Nantes: — „In Anbetracht, daß diese zwei¬
felnde und unpassende Fassung gegenüber dem so glänzenden Enthusiasmus,
den die Worte des Kaisers den großen Staatskörperschaftcn und allen guten
Bürgern einflößten, unter den dermaligen Verhältnissen noch tadclhafter wird,
wird dem Journal „I.v xlmie alö 1^ Loiic;" eine Verwarnung ertheilt." — Was
will man noch mehr? Will man Villemain verbieten, -Memoiren zu schreiben,
oder Ampere untersagen, die Geschichte der römischen Kaiser zu behandeln,
und die Ansicht zu äußern, daß die Moral trotz der prächtigen' Bauten ge¬
sunken sei, will man der Akademie einen kaiserlichen Director setzen, der wie
im Corps Legislatif das Wort ertheilt, und sie reformiren, wie man das
College de France „reorganisirt" hat? — Die auswärtigen Blätter werden
mit Beschlag belegt, sobald sie einen der Negierung unangenehmen Artikel
bringen, selbst Leute vom Schlage Girardins und Voraus haben sich zurück¬
gezogen, weil ihnen die Luft zu sehr abgeschnitten ward, so bleibt die Ein¬
tönigkeit der Lohnschreiber Graner de Cassagnac, de la Guerronnicue, Neuve :c.
und die Frivolität von Alex. Dumas Vater und Sohn. Ist das genug, um
den Platz als Vorkämpfer der Civilisation zu behaupten, zumal die aus¬
wärtige Politik entsetzlich unfruchtbar geworden, und niemand mehr von
Donauschiffahrt und Fürstenthümern lesen will? — Was kaun aber die Folge
davon sein, daß jede Aeußerung einer selbstständigen Meinung untersagt wird,
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