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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Schluß drei bis vier Töne unter den tiefsten bisherigen Ton. Dieser wird
möglichst lange ausgehalten. Dabei erhält die Singweise ihren fremdartigen
Charakter wesentlich durch das Vermischen von Dur und Moll. Die erstere
Tonart wiegt vor bis ein Ruhepunkt naht; also, wenn wir die Triolenfvrm
durch "/8 Takte ausdrücken, etwa bis zum dritten Takt, welcher in müdestem
Moll die Stimme sinken laßt; die Wiederholung dann wieder in Dur und
zum Schluß abermals der tiefere Tonfall durch lauter Verminderungen ange¬
bahnt. Jeder Theil besteht etwa aus 3 "/g Takten, außer Auf- und Schlu߬
takt; das Tempo entspricht unserm Andcmtino, wird aber durchaus frei und
recitircnd genommen. Der letzte Ton ist meistentheils unbestimmbar und liegt
zwischen den ausdrückbaren Noten, etwa wie die Uebergangstöne der Geige.
Er gehört nicht in die Harmonie der Haupttakte. Dennoch beginnt der Ge¬
sang immer wieder unbeirrt auf dem richtigen Ton.

Einen Text unter vielen, die wir an Ort und Stelle sammelten:


Nach dem schönen Berge will ich gehen,
Wo die Wäscherinnen zu finden sind.
Dort such ich mir die Schönste aus.
Bei mir bleibt sie, ich lasse sie nicht wieder.
Jeder wird sie bewundern: (Zuestg, quanto o dvllg,!
Wo hast du die gefangen?
Auf dem, schönen Berge fing ich sie ein,
Wo der Schnee liegt und nimmer schmilzt.

Aehnlich sind die meisten Gesänge. Eine Schöne ist gewöhnlich der
Gegenstand, nach welchem das Lied sich sehnt. Schnee hat für den Süd¬
länder den eigenthümlichen Doppelreiz des Gaumens und der Augenweide.
Sein Lieblingskuhluugsmittel, Granito, ist Conditoreis, das aus veredelten
Schnee besteht. Seine Schilderungen entlehnen ihre Reize daher gern aus
den Regionen oberhalb der Schneelinie.

So zählt auch ein Lied mit dem Refrain 1>ixoli t-iÄpoli, come la nov",
"uns eng-nnr nig.! zu den oft gesungenen. Weiß nämlich wie der Schnee ist
die darin gepriesene wilde Taube, weiß wie der Schnee, Rama mia,!

Die Melodie, nach welcher in Venedig die Tassostnnzen gesungen
werden, ist ebenfalls reich an Triolen, aber fast durchweg in Molltönen und
bereits im Eingange durch lang gehaltene Atoten von feierlicher Wirkung.
Die wesentlichste Aehnlichkeit zwischen ihr und der eben besprochenen Weise
liegt in dem lässig sinkenden Schluß und dem ungemessen verhallenden End¬
ton. Man wird in einzelnen Theilen an Palästrina erinnert. Es ist über¬
haupt zwischen der alten Kirchenmusik und dem Naturgesang der Italiener
viel Verwandtes.

Das römische Ritornell, obschon auch in keine unserer regelrechten Ton-


Schluß drei bis vier Töne unter den tiefsten bisherigen Ton. Dieser wird
möglichst lange ausgehalten. Dabei erhält die Singweise ihren fremdartigen
Charakter wesentlich durch das Vermischen von Dur und Moll. Die erstere
Tonart wiegt vor bis ein Ruhepunkt naht; also, wenn wir die Triolenfvrm
durch «/8 Takte ausdrücken, etwa bis zum dritten Takt, welcher in müdestem
Moll die Stimme sinken laßt; die Wiederholung dann wieder in Dur und
zum Schluß abermals der tiefere Tonfall durch lauter Verminderungen ange¬
bahnt. Jeder Theil besteht etwa aus 3 «/g Takten, außer Auf- und Schlu߬
takt; das Tempo entspricht unserm Andcmtino, wird aber durchaus frei und
recitircnd genommen. Der letzte Ton ist meistentheils unbestimmbar und liegt
zwischen den ausdrückbaren Noten, etwa wie die Uebergangstöne der Geige.
Er gehört nicht in die Harmonie der Haupttakte. Dennoch beginnt der Ge¬
sang immer wieder unbeirrt auf dem richtigen Ton.

Einen Text unter vielen, die wir an Ort und Stelle sammelten:


Nach dem schönen Berge will ich gehen,
Wo die Wäscherinnen zu finden sind.
Dort such ich mir die Schönste aus.
Bei mir bleibt sie, ich lasse sie nicht wieder.
Jeder wird sie bewundern: (Zuestg, quanto o dvllg,!
Wo hast du die gefangen?
Auf dem, schönen Berge fing ich sie ein,
Wo der Schnee liegt und nimmer schmilzt.

Aehnlich sind die meisten Gesänge. Eine Schöne ist gewöhnlich der
Gegenstand, nach welchem das Lied sich sehnt. Schnee hat für den Süd¬
länder den eigenthümlichen Doppelreiz des Gaumens und der Augenweide.
Sein Lieblingskuhluugsmittel, Granito, ist Conditoreis, das aus veredelten
Schnee besteht. Seine Schilderungen entlehnen ihre Reize daher gern aus
den Regionen oberhalb der Schneelinie.

So zählt auch ein Lied mit dem Refrain 1>ixoli t-iÄpoli, come la nov»,
»uns eng-nnr nig.! zu den oft gesungenen. Weiß nämlich wie der Schnee ist
die darin gepriesene wilde Taube, weiß wie der Schnee, Rama mia,!

Die Melodie, nach welcher in Venedig die Tassostnnzen gesungen
werden, ist ebenfalls reich an Triolen, aber fast durchweg in Molltönen und
bereits im Eingange durch lang gehaltene Atoten von feierlicher Wirkung.
Die wesentlichste Aehnlichkeit zwischen ihr und der eben besprochenen Weise
liegt in dem lässig sinkenden Schluß und dem ungemessen verhallenden End¬
ton. Man wird in einzelnen Theilen an Palästrina erinnert. Es ist über¬
haupt zwischen der alten Kirchenmusik und dem Naturgesang der Italiener
viel Verwandtes.

Das römische Ritornell, obschon auch in keine unserer regelrechten Ton-


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[0230] Schluß drei bis vier Töne unter den tiefsten bisherigen Ton. Dieser wird möglichst lange ausgehalten. Dabei erhält die Singweise ihren fremdartigen Charakter wesentlich durch das Vermischen von Dur und Moll. Die erstere Tonart wiegt vor bis ein Ruhepunkt naht; also, wenn wir die Triolenfvrm durch «/8 Takte ausdrücken, etwa bis zum dritten Takt, welcher in müdestem Moll die Stimme sinken laßt; die Wiederholung dann wieder in Dur und zum Schluß abermals der tiefere Tonfall durch lauter Verminderungen ange¬ bahnt. Jeder Theil besteht etwa aus 3 «/g Takten, außer Auf- und Schlu߬ takt; das Tempo entspricht unserm Andcmtino, wird aber durchaus frei und recitircnd genommen. Der letzte Ton ist meistentheils unbestimmbar und liegt zwischen den ausdrückbaren Noten, etwa wie die Uebergangstöne der Geige. Er gehört nicht in die Harmonie der Haupttakte. Dennoch beginnt der Ge¬ sang immer wieder unbeirrt auf dem richtigen Ton. Einen Text unter vielen, die wir an Ort und Stelle sammelten: Nach dem schönen Berge will ich gehen, Wo die Wäscherinnen zu finden sind. Dort such ich mir die Schönste aus. Bei mir bleibt sie, ich lasse sie nicht wieder. Jeder wird sie bewundern: (Zuestg, quanto o dvllg,! Wo hast du die gefangen? Auf dem, schönen Berge fing ich sie ein, Wo der Schnee liegt und nimmer schmilzt. Aehnlich sind die meisten Gesänge. Eine Schöne ist gewöhnlich der Gegenstand, nach welchem das Lied sich sehnt. Schnee hat für den Süd¬ länder den eigenthümlichen Doppelreiz des Gaumens und der Augenweide. Sein Lieblingskuhluugsmittel, Granito, ist Conditoreis, das aus veredelten Schnee besteht. Seine Schilderungen entlehnen ihre Reize daher gern aus den Regionen oberhalb der Schneelinie. So zählt auch ein Lied mit dem Refrain 1>ixoli t-iÄpoli, come la nov», »uns eng-nnr nig.! zu den oft gesungenen. Weiß nämlich wie der Schnee ist die darin gepriesene wilde Taube, weiß wie der Schnee, Rama mia,! Die Melodie, nach welcher in Venedig die Tassostnnzen gesungen werden, ist ebenfalls reich an Triolen, aber fast durchweg in Molltönen und bereits im Eingange durch lang gehaltene Atoten von feierlicher Wirkung. Die wesentlichste Aehnlichkeit zwischen ihr und der eben besprochenen Weise liegt in dem lässig sinkenden Schluß und dem ungemessen verhallenden End¬ ton. Man wird in einzelnen Theilen an Palästrina erinnert. Es ist über¬ haupt zwischen der alten Kirchenmusik und dem Naturgesang der Italiener viel Verwandtes. Das römische Ritornell, obschon auch in keine unserer regelrechten Ton-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/230>, abgerufen am 22.12.2024.