Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.eine historische Leistung nach ihrem eigenen Princip beurtheilen muß. daß Lord Normnnliys Memoiren. 2-,^ Wir wollen dem Verfasser nicht in die Einzelheiten seiner Erzählung des Ein deutscher Korrespondent in London, aus dessen Briefen man viel 27 *
eine historische Leistung nach ihrem eigenen Princip beurtheilen muß. daß Lord Normnnliys Memoiren. 2-,^ Wir wollen dem Verfasser nicht in die Einzelheiten seiner Erzählung des Ein deutscher Korrespondent in London, aus dessen Briefen man viel 27 *
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0219" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105496"/> <p xml:id="ID_537" prev="#ID_536"> eine historische Leistung nach ihrem eigenen Princip beurtheilen muß. daß<lb/> man ihr nicht ein fremdes Ideal entgegenhalten darf. Im Allgemeinen<lb/> ist der Grundsatz vollkommen richtig, wir hielten es aber doch aus folgendem<lb/> Grund für nöthig davon abzugehn. Gicsebrechts Kaisergeschichte ist ein<lb/> durchweg respektables Buch: gründliche Durcharbeitung des Materials,<lb/> warme ehrenwerthe Gesinnung, Sauberkeit in der Methode, ein vollendeter<lb/> Anstand in der Form; und doch haben die mei'sten Leser das unbehagliche<lb/> Gefühl, daß etwas fehlt. Wir hielten es für erlaubt und gerechtfertigt,<lb/> diesem dunkeln Gefühl eine bestimmte Fassung zu geben, und zugleich die<lb/> Frage aus der Beurtheilung des einzelnen Kunstwerks ins Allgemeine zu über¬<lb/><note type="byline"> I. S.</note> tragen. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Lord Normnnliys Memoiren.</head><lb/> <div n="2"> <head> 2-,^</head><lb/> <p xml:id="ID_538"> Wir wollen dem Verfasser nicht in die Einzelheiten seiner Erzählung des<lb/> Umsturzes der Monarchie folgen. Die, Reformbankette, der entscheidende Ab¬<lb/> fall der Nationalgarde, die Intriguen der Minister und derer, die es werden<lb/> wollten, der verhängnißvolle Schuß vor dem auswärtigen Ministerium, die<lb/> letzten Scenen in den Tuilerien, die Herzogin von Orleans in der Deputirten-<lb/> tanuner, die Proklamation der Republik durch Lamartine, der sich einige<lb/> Minuten besann, ob Republik oder Monarchie sein sollte, nachdem er kurz<lb/> vorher für die Regentschaft der Herzogin gesprochen — alles das sind trau¬<lb/> rige, bekannte Dinge. Wir wollen nur einigen der merkwürdigsten Beob¬<lb/> achtungen des Verfassers folgen, und zu dem Ende auch seine persönliche<lb/> Stellung ins Auge fassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_539" next="#ID_540"> Ein deutscher Korrespondent in London, aus dessen Briefen man viel<lb/> lernen kann, wenn man neben den interessanten Fingerzeigen, die er oft gibt,<lb/> nicht auch seine Marotten annimmt, hat das Erscheinen der normanbyschen<lb/> Memoiren zu einem neuen bittern Angriff auf die englische Aristokratie benutzt,<lb/> welche, wie er sich aus dem Buche selbst zu zeigen bemüht, alle andern Völker<lb/> tödtlich haßt und nur auf ihr Verderben sinnt. Wir haben die beiden Bände<lb/> aufmerksam gelesen und alle Citate des Korrespondenten daraus, mit Aus¬<lb/> nahme eines einzigen, richtig gefunden, kommen dabei aber doch zu wesentlich<lb/> andern Ergebnissen. Allerdings, wenn seine Bemerkungen gegen Leute gehen,<lb/> welche glauben, England würde aus purer Liebe sür andere Völker und das<lb/> abstracte Princip der constitutionellen Freiheit seine Flotten und Geldkräfte</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 27 *</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0219]
eine historische Leistung nach ihrem eigenen Princip beurtheilen muß. daß
man ihr nicht ein fremdes Ideal entgegenhalten darf. Im Allgemeinen
ist der Grundsatz vollkommen richtig, wir hielten es aber doch aus folgendem
Grund für nöthig davon abzugehn. Gicsebrechts Kaisergeschichte ist ein
durchweg respektables Buch: gründliche Durcharbeitung des Materials,
warme ehrenwerthe Gesinnung, Sauberkeit in der Methode, ein vollendeter
Anstand in der Form; und doch haben die mei'sten Leser das unbehagliche
Gefühl, daß etwas fehlt. Wir hielten es für erlaubt und gerechtfertigt,
diesem dunkeln Gefühl eine bestimmte Fassung zu geben, und zugleich die
Frage aus der Beurtheilung des einzelnen Kunstwerks ins Allgemeine zu über¬
I. S. tragen.
Lord Normnnliys Memoiren.
2-,^
Wir wollen dem Verfasser nicht in die Einzelheiten seiner Erzählung des
Umsturzes der Monarchie folgen. Die, Reformbankette, der entscheidende Ab¬
fall der Nationalgarde, die Intriguen der Minister und derer, die es werden
wollten, der verhängnißvolle Schuß vor dem auswärtigen Ministerium, die
letzten Scenen in den Tuilerien, die Herzogin von Orleans in der Deputirten-
tanuner, die Proklamation der Republik durch Lamartine, der sich einige
Minuten besann, ob Republik oder Monarchie sein sollte, nachdem er kurz
vorher für die Regentschaft der Herzogin gesprochen — alles das sind trau¬
rige, bekannte Dinge. Wir wollen nur einigen der merkwürdigsten Beob¬
achtungen des Verfassers folgen, und zu dem Ende auch seine persönliche
Stellung ins Auge fassen.
Ein deutscher Korrespondent in London, aus dessen Briefen man viel
lernen kann, wenn man neben den interessanten Fingerzeigen, die er oft gibt,
nicht auch seine Marotten annimmt, hat das Erscheinen der normanbyschen
Memoiren zu einem neuen bittern Angriff auf die englische Aristokratie benutzt,
welche, wie er sich aus dem Buche selbst zu zeigen bemüht, alle andern Völker
tödtlich haßt und nur auf ihr Verderben sinnt. Wir haben die beiden Bände
aufmerksam gelesen und alle Citate des Korrespondenten daraus, mit Aus¬
nahme eines einzigen, richtig gefunden, kommen dabei aber doch zu wesentlich
andern Ergebnissen. Allerdings, wenn seine Bemerkungen gegen Leute gehen,
welche glauben, England würde aus purer Liebe sür andere Völker und das
abstracte Princip der constitutionellen Freiheit seine Flotten und Geldkräfte
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