Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.sie es verstehen muß, den rohen Stoff durch Bearbeitung, Gliederung und Somit sind wir auf dem Punkte angelangt, auf welchem selbst die Jetzt kann es uns nicht mehr zweifelhaft sein, was das Handwerk von In einer Zeit wie der unsrigen jedoch soll dieser Einfluß nicht mehr ein unbe¬ Schon das 17. Jahrhundert sah sich gezwungen, wenn dem gänzlichen Ver¬ sie es verstehen muß, den rohen Stoff durch Bearbeitung, Gliederung und Somit sind wir auf dem Punkte angelangt, auf welchem selbst die Jetzt kann es uns nicht mehr zweifelhaft sein, was das Handwerk von In einer Zeit wie der unsrigen jedoch soll dieser Einfluß nicht mehr ein unbe¬ Schon das 17. Jahrhundert sah sich gezwungen, wenn dem gänzlichen Ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0197" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105474"/> <p xml:id="ID_466" prev="#ID_465"> sie es verstehen muß, den rohen Stoff durch Bearbeitung, Gliederung und<lb/> zweckmäßige Zusammenstellung zum Träger eines körperlich gewordenen gött¬<lb/> lichen Gedankens zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_467"> Somit sind wir auf dem Punkte angelangt, auf welchem selbst die<lb/> höchsten Künste dem niedrigsten Handwerk freundschaftlich die Hand reichen,<lb/> weil es das Organ ist, durch welches sie gemeinsam ihre Zwecke dem Geist<lb/> vermittelst des sinnlichen Eindrucks auf das Auge des Beschauenden mittheilen,<lb/> nur mit dem Unterschied, daß der Beschauer bei dem Kunstwerk über der<lb/> Wirkung zunächst die technischen Mittel, durch welche sie hervorgebracht wird,<lb/> vergißt, ganz so wie der Schöpfer desselben diese Mittel erst fand, als er<lb/> das Bild im Geiste bereits empfangen hatte. Ein Kunstwerk springt demnach<lb/> keineswegs gewappnet und gegliedert wie die jungfräuliche Tochter des Zeus.<lb/> Pallas Athene, aus dem Hanpte des Erzeugers, sondern derselbe gestaltet das<lb/> innerlich erstandene Bild aus dem Embrio des Motivs, indem er es zweck¬<lb/> mäßig groß zieht, es sich Glied um Glied nach dem Vorgang der Natur auf<lb/> organischem Wege entwickeln und entfalten läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_468"> Jetzt kann es uns nicht mehr zweifelhaft sein, was das Handwerk von<lb/> der Kunst zu entlehnen hat: dies sind die äußeren Mittel der Kunst, zur Er¬<lb/> reichung ihres Zweckes, die sinnvolle Gliederung- der einzelnen Theile ihrer<lb/> Erzeugnisse, die geschmackvolle Zusammenfügung der Linien zu einem har¬<lb/> monischen Ganzen, mit einem Wort: es soll dem Kunstwerk in seinem zweiten<lb/> Stadium, in seiner realen Wirklichkeit auf seinem rein irdischen Wege nach¬<lb/> zufolgen versuchen und darin so weit gehen, als seine Zwecke und seine<lb/> Mittel ihm immer erlauben. Daß dieser ihm vorgezeichnete Weg kein neu<lb/> gebahnter, sondern ein historisch schon längst betretener ist. hoffe ich. leuchtet<lb/> aus unserer bisherigen Darstellung der Sachlage ein. indem ich nachgewiesen<lb/> habe, daß die Gewerbe jeder Zeit unter dem unmittelbaren Einfluß der<lb/> künstlerischen Stilentwicklung, die stets an das Technische der Kunst gebunden<lb/> ist, stehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_469"> In einer Zeit wie der unsrigen jedoch soll dieser Einfluß nicht mehr ein unbe¬<lb/> wußter sein, sondern er soll in das Bewußtsein wenigstens des höheren Hand¬<lb/> werks eintreten und demselben dadurch einen neuen Schwung verleihen, soll ihm<lb/> die Ehre, welche ihm eine verkehrte Entwicklung in neuester Zeit zu entziehen<lb/> strebte, wiedergeben. Auf welchem Wege soll dies geschehen? ist die nächste Frage.<lb/> Die Antwort liegt nahe: so gut wie der Staat die Verpflichtung anerkannt<lb/> hat. Kunstakademien zu errichten und aus seine Kosten zu erhalten, muß er<lb/> auch die Nothwendigkeit zur Errichtung von Gewerbschulen in einen um¬<lb/> fassenderen und höheren Sinne anerkennen, als dies bis jetzt geschehen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_470" next="#ID_471"> Schon das 17. Jahrhundert sah sich gezwungen, wenn dem gänzlichen Ver¬<lb/> fall der Kunst vorgebeugt werden sollte, Akademien zur Ausbildung der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0197]
sie es verstehen muß, den rohen Stoff durch Bearbeitung, Gliederung und
zweckmäßige Zusammenstellung zum Träger eines körperlich gewordenen gött¬
lichen Gedankens zu machen.
Somit sind wir auf dem Punkte angelangt, auf welchem selbst die
höchsten Künste dem niedrigsten Handwerk freundschaftlich die Hand reichen,
weil es das Organ ist, durch welches sie gemeinsam ihre Zwecke dem Geist
vermittelst des sinnlichen Eindrucks auf das Auge des Beschauenden mittheilen,
nur mit dem Unterschied, daß der Beschauer bei dem Kunstwerk über der
Wirkung zunächst die technischen Mittel, durch welche sie hervorgebracht wird,
vergißt, ganz so wie der Schöpfer desselben diese Mittel erst fand, als er
das Bild im Geiste bereits empfangen hatte. Ein Kunstwerk springt demnach
keineswegs gewappnet und gegliedert wie die jungfräuliche Tochter des Zeus.
Pallas Athene, aus dem Hanpte des Erzeugers, sondern derselbe gestaltet das
innerlich erstandene Bild aus dem Embrio des Motivs, indem er es zweck¬
mäßig groß zieht, es sich Glied um Glied nach dem Vorgang der Natur auf
organischem Wege entwickeln und entfalten läßt.
Jetzt kann es uns nicht mehr zweifelhaft sein, was das Handwerk von
der Kunst zu entlehnen hat: dies sind die äußeren Mittel der Kunst, zur Er¬
reichung ihres Zweckes, die sinnvolle Gliederung- der einzelnen Theile ihrer
Erzeugnisse, die geschmackvolle Zusammenfügung der Linien zu einem har¬
monischen Ganzen, mit einem Wort: es soll dem Kunstwerk in seinem zweiten
Stadium, in seiner realen Wirklichkeit auf seinem rein irdischen Wege nach¬
zufolgen versuchen und darin so weit gehen, als seine Zwecke und seine
Mittel ihm immer erlauben. Daß dieser ihm vorgezeichnete Weg kein neu
gebahnter, sondern ein historisch schon längst betretener ist. hoffe ich. leuchtet
aus unserer bisherigen Darstellung der Sachlage ein. indem ich nachgewiesen
habe, daß die Gewerbe jeder Zeit unter dem unmittelbaren Einfluß der
künstlerischen Stilentwicklung, die stets an das Technische der Kunst gebunden
ist, stehen.
In einer Zeit wie der unsrigen jedoch soll dieser Einfluß nicht mehr ein unbe¬
wußter sein, sondern er soll in das Bewußtsein wenigstens des höheren Hand¬
werks eintreten und demselben dadurch einen neuen Schwung verleihen, soll ihm
die Ehre, welche ihm eine verkehrte Entwicklung in neuester Zeit zu entziehen
strebte, wiedergeben. Auf welchem Wege soll dies geschehen? ist die nächste Frage.
Die Antwort liegt nahe: so gut wie der Staat die Verpflichtung anerkannt
hat. Kunstakademien zu errichten und aus seine Kosten zu erhalten, muß er
auch die Nothwendigkeit zur Errichtung von Gewerbschulen in einen um¬
fassenderen und höheren Sinne anerkennen, als dies bis jetzt geschehen ist.
Schon das 17. Jahrhundert sah sich gezwungen, wenn dem gänzlichen Ver¬
fall der Kunst vorgebeugt werden sollte, Akademien zur Ausbildung der
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |