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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Die nächsten Kapitel sind Hs. Aufenthalt und Thätigkeit in Franzens
von Sickingen Herbergen der Gerechtigkeit gewidmet, und zwar eröffnet sich
das 4, mit einer Vorstellung des Ebcrnburgers, aus welcher wir diesen, wie
er ungeschminkt aussah, als eine Hauptfigur in unsrem Drama kennenlernen,
und zugleich daß der Vorstellende ebensowenig für Ritter als für Pfaffen Vor¬
liebe hegt. Auch Aquila. Bucer, Oecolampadius und Schwebe! (Schwnblin)
waren Gäste in jener Herberge, die sich nun H. aufthat und welche dieser
längst auch für Luthern geöffnet erklärt hatte. Der Sickingcr verstand's seit
Jahren, mit grobem Geschütz zu arbeiten; auch H. fängt nun an, ohne
Pulver, mit solchem zu donnerin von der Ebernburg Sept. 1520. datiert sind
die feurigsten Schriften, die man lesen kann, die Conqnestioncn an Karl V.
den Kurfürsten von Sachsen, den von Mainz, und an alle Deutschen nebst
dem Brief an Rotcnhan, worin er noch Hoffnung auf den Kaiser seht. Aber
wie rasch auch patriotische Ergießungen hinbrausen mögen, sie sind nur Be¬
standtheilchen des seinen bedächtigen Gang hinschleichenden Stromes der Zeit:
Hs. Schriften verbreiteten sich mächtig, H. und Luther waren gefeierte patrio¬
tische Namen, aber die deutsche Nation ließ sich auch fortan von ihren Für¬
sten leiten, wie diese von ihren Interessen, man nannte sie des Reiches und
des Landes Wohl, in geistlichen Staaten Heil der Kirche. Unterdessen ward
doch der Kampf Roms und gegen Rom im eigentlichen Sinne brennend: die
Bannbulle Mgcn Luther verursachte in mehreren Städten, auch in Mainz, un¬
nützen Holzaufwand, dessen auch Luther sich schuldig machte. H. glossierte
jene Bulle und beleuchtete die finsteren Verbrennungsscenen in lateinischen und
deutschen Versen. Bei Beurtheilung dieser Schriften ist es ebenso nöthig als
schwer sich richtig in die Entstehungszeit zurückzuversetzen: uns erscheint noth¬
wendig manches matt, was für seine Zeit die richtige volle Färbung hatte.

In dem am Jahresschluß 1520 seinem Freund und Gönner Sickingen
gewidmeten Gesprächbüchlein, das außer der Fortuna alle Gespräche der Mainzer
Sammlung vom April desselben Jahrs enthält, erklärt H, das Vaterland
und deutsche Nation in ihrer Sprache anschreien zu wollen, daß sie sich wehre
"gegen den übermäßigen und unchristlichen Gewalt des Bapsts": das
Latein verstanden hauptsächlich nur die ihn, Hütten, nicht verstehen wollten
und ihm gehäßig waren; aber Adel, Städte und Volk sollten nun helsen,
und die wollten deutsch aufgerüttelt sein. Die Clag und Vormanung war
schon im Sommer, wie es scheint, gedruckt worden; was ihr an metrischer
lind symmetrischer Kunst abgehen mag, ersetzt sie reichlich durch Wahrhaftig¬
keit und Tiefe vaterländischer Gesinnung und Kraft der praktischen Beobach¬
tung: "in dringender, stürmender, mit immer neuen Stößen zusetzender Er¬
mahnung ist H. ein unvergleichlicher Meister." In diesem Gedichte wollte er,
wenn erlaubt ist seine Worte an Sickingen hier ins Gegentheil zu wenden,


Die nächsten Kapitel sind Hs. Aufenthalt und Thätigkeit in Franzens
von Sickingen Herbergen der Gerechtigkeit gewidmet, und zwar eröffnet sich
das 4, mit einer Vorstellung des Ebcrnburgers, aus welcher wir diesen, wie
er ungeschminkt aussah, als eine Hauptfigur in unsrem Drama kennenlernen,
und zugleich daß der Vorstellende ebensowenig für Ritter als für Pfaffen Vor¬
liebe hegt. Auch Aquila. Bucer, Oecolampadius und Schwebe! (Schwnblin)
waren Gäste in jener Herberge, die sich nun H. aufthat und welche dieser
längst auch für Luthern geöffnet erklärt hatte. Der Sickingcr verstand's seit
Jahren, mit grobem Geschütz zu arbeiten; auch H. fängt nun an, ohne
Pulver, mit solchem zu donnerin von der Ebernburg Sept. 1520. datiert sind
die feurigsten Schriften, die man lesen kann, die Conqnestioncn an Karl V.
den Kurfürsten von Sachsen, den von Mainz, und an alle Deutschen nebst
dem Brief an Rotcnhan, worin er noch Hoffnung auf den Kaiser seht. Aber
wie rasch auch patriotische Ergießungen hinbrausen mögen, sie sind nur Be¬
standtheilchen des seinen bedächtigen Gang hinschleichenden Stromes der Zeit:
Hs. Schriften verbreiteten sich mächtig, H. und Luther waren gefeierte patrio¬
tische Namen, aber die deutsche Nation ließ sich auch fortan von ihren Für¬
sten leiten, wie diese von ihren Interessen, man nannte sie des Reiches und
des Landes Wohl, in geistlichen Staaten Heil der Kirche. Unterdessen ward
doch der Kampf Roms und gegen Rom im eigentlichen Sinne brennend: die
Bannbulle Mgcn Luther verursachte in mehreren Städten, auch in Mainz, un¬
nützen Holzaufwand, dessen auch Luther sich schuldig machte. H. glossierte
jene Bulle und beleuchtete die finsteren Verbrennungsscenen in lateinischen und
deutschen Versen. Bei Beurtheilung dieser Schriften ist es ebenso nöthig als
schwer sich richtig in die Entstehungszeit zurückzuversetzen: uns erscheint noth¬
wendig manches matt, was für seine Zeit die richtige volle Färbung hatte.

In dem am Jahresschluß 1520 seinem Freund und Gönner Sickingen
gewidmeten Gesprächbüchlein, das außer der Fortuna alle Gespräche der Mainzer
Sammlung vom April desselben Jahrs enthält, erklärt H, das Vaterland
und deutsche Nation in ihrer Sprache anschreien zu wollen, daß sie sich wehre
„gegen den übermäßigen und unchristlichen Gewalt des Bapsts": das
Latein verstanden hauptsächlich nur die ihn, Hütten, nicht verstehen wollten
und ihm gehäßig waren; aber Adel, Städte und Volk sollten nun helsen,
und die wollten deutsch aufgerüttelt sein. Die Clag und Vormanung war
schon im Sommer, wie es scheint, gedruckt worden; was ihr an metrischer
lind symmetrischer Kunst abgehen mag, ersetzt sie reichlich durch Wahrhaftig¬
keit und Tiefe vaterländischer Gesinnung und Kraft der praktischen Beobach¬
tung: „in dringender, stürmender, mit immer neuen Stößen zusetzender Er¬
mahnung ist H. ein unvergleichlicher Meister." In diesem Gedichte wollte er,
wenn erlaubt ist seine Worte an Sickingen hier ins Gegentheil zu wenden,


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[0142] Die nächsten Kapitel sind Hs. Aufenthalt und Thätigkeit in Franzens von Sickingen Herbergen der Gerechtigkeit gewidmet, und zwar eröffnet sich das 4, mit einer Vorstellung des Ebcrnburgers, aus welcher wir diesen, wie er ungeschminkt aussah, als eine Hauptfigur in unsrem Drama kennenlernen, und zugleich daß der Vorstellende ebensowenig für Ritter als für Pfaffen Vor¬ liebe hegt. Auch Aquila. Bucer, Oecolampadius und Schwebe! (Schwnblin) waren Gäste in jener Herberge, die sich nun H. aufthat und welche dieser längst auch für Luthern geöffnet erklärt hatte. Der Sickingcr verstand's seit Jahren, mit grobem Geschütz zu arbeiten; auch H. fängt nun an, ohne Pulver, mit solchem zu donnerin von der Ebernburg Sept. 1520. datiert sind die feurigsten Schriften, die man lesen kann, die Conqnestioncn an Karl V. den Kurfürsten von Sachsen, den von Mainz, und an alle Deutschen nebst dem Brief an Rotcnhan, worin er noch Hoffnung auf den Kaiser seht. Aber wie rasch auch patriotische Ergießungen hinbrausen mögen, sie sind nur Be¬ standtheilchen des seinen bedächtigen Gang hinschleichenden Stromes der Zeit: Hs. Schriften verbreiteten sich mächtig, H. und Luther waren gefeierte patrio¬ tische Namen, aber die deutsche Nation ließ sich auch fortan von ihren Für¬ sten leiten, wie diese von ihren Interessen, man nannte sie des Reiches und des Landes Wohl, in geistlichen Staaten Heil der Kirche. Unterdessen ward doch der Kampf Roms und gegen Rom im eigentlichen Sinne brennend: die Bannbulle Mgcn Luther verursachte in mehreren Städten, auch in Mainz, un¬ nützen Holzaufwand, dessen auch Luther sich schuldig machte. H. glossierte jene Bulle und beleuchtete die finsteren Verbrennungsscenen in lateinischen und deutschen Versen. Bei Beurtheilung dieser Schriften ist es ebenso nöthig als schwer sich richtig in die Entstehungszeit zurückzuversetzen: uns erscheint noth¬ wendig manches matt, was für seine Zeit die richtige volle Färbung hatte. In dem am Jahresschluß 1520 seinem Freund und Gönner Sickingen gewidmeten Gesprächbüchlein, das außer der Fortuna alle Gespräche der Mainzer Sammlung vom April desselben Jahrs enthält, erklärt H, das Vaterland und deutsche Nation in ihrer Sprache anschreien zu wollen, daß sie sich wehre „gegen den übermäßigen und unchristlichen Gewalt des Bapsts": das Latein verstanden hauptsächlich nur die ihn, Hütten, nicht verstehen wollten und ihm gehäßig waren; aber Adel, Städte und Volk sollten nun helsen, und die wollten deutsch aufgerüttelt sein. Die Clag und Vormanung war schon im Sommer, wie es scheint, gedruckt worden; was ihr an metrischer lind symmetrischer Kunst abgehen mag, ersetzt sie reichlich durch Wahrhaftig¬ keit und Tiefe vaterländischer Gesinnung und Kraft der praktischen Beobach¬ tung: „in dringender, stürmender, mit immer neuen Stößen zusetzender Er¬ mahnung ist H. ein unvergleichlicher Meister." In diesem Gedichte wollte er, wenn erlaubt ist seine Worte an Sickingen hier ins Gegentheil zu wenden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/142>, abgerufen am 22.12.2024.