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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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von welchem er sich Empfehlungsbriefe geben ließ: Erasmus klagt später, nach
seiner Verseindung mit H., dieser habe sich die Briefe von ihm geben laßen,
obgleich er sich damals schon gegen den Kaiser verschworen gehabt habe (was
eine erasmische Wahrheit, d, h, eine Verdrehung ist), "na vvxg,ni!ni> uxormn."
Diese Worte sind freilich selbst vexatorisch; Ser. deutet sie ohne Zweifel richtig
auf Hs. Heiratsplane; nicht uex-ura-un, sondern mese^näirili hatte Erasmus
geschrieben, der im "Ritter ohne Ross" ebenso witzig als feig auch ans diesen
Plan Hs. hinschielt. Er misslang: H. erhielt schwerlich Audienz, dagegen
desto dringendere Warnungen vor den Nachstellungen der Kurtisanen, und
Mönche. Den verfolgungssüchtigsten dieser, Hochstraten, hätte er bei Löwen,
der Ketzermeister hatte schon seinen Sterbensspruch gesagt, niederhauen können,
ließ ihn aber, weil er sein Schwert mit dem Blute des Elenden nicht besu¬
deln wollte, seines Weges ziehn. Er zog auch den seinigen, rheinaufwärts:
in Mainz freuten und wunderten sich seine Freunde, ihn noch am Leben zu
sehen, und riethen ihm zu dessen Erhaltung sich zu entfernen: über Frankfurt,
wo er Beweise der Gcgründetheit jener freundschaftlichen Befürchtungen ver¬
nahm, und Gelnhausen, von wo er an Capito seine Kunde von dem beim
Kurfürsten von Mainz eingelaufenen päpstlichen Verfolgungsschreiben meldet,
zog er auf seine heimische Burg und besuchte das benachbarte Fulda. wo ihm
ein stügiges Zusammensein mit seinem Crotus beschieden ward. Daß uns
nur ein päpstliches Schreiben an den Kurfürsten, das vom 12. Juli 1520.,
erhalten ist, während H. von zweien redet, erkläre ich abweichend von Ser.
daraus, daß H., welcher beide nicht selbst zu sehen bekam, außer jenem das
des Canonicus v. Tettleben (bei (Zeräe" Nonnen. -ni Irist. i'et'oren. ^.pp. g,<I
I. x. 147, verstümmelt bei Münch III. meinte. Der Papst forderte "aus
apostolischer Sanftmuth", daß der Cardinal an dem verwegenen Ritter ein
Exempel statuiere. Der Cardinal antwortet auf die ihm erst am 25. Oct.
zugekommenen päpstlichen Schreiben, er habe H. nicht mehr an seinem Hofe,
lerne erst jetzt dessen verabscheuungswürdige Schriften kennen, die ein Mainzer
Bürger (Schöffer) gedruckt, wofür er diesen in das härteste Gefängniss habe
werfen laßen; dem H. selbst aber könne er nicht zu Leibe kommen, der auf
festesten Burgen sitze und tapfere Neiterscharen zu Gebot habe; übrigens seien
alle Suppressionsmaßregeln gegen die bösen Büchlein, auch die lutherischen,
von ihm, dem Erzbischof, getroffen. Das muste wol ganz ernstlich oder
zweckmäßig nicht geschehen sein: die Erfurter Inklination von 1520 gegen die
ecksche Bulle, welches mir vorliegende Schriftchen Niederer, der es wieder her¬
ausgegeben hat, als ein Monstrum von Seltenheit behandelt, ist in der schöf-
serschcn Officin gedruckt, und ich müste sehr irren, oder Crotus hatte es an
H. geschickt und dieser, der keinen gutgeladencn Schuß verschmähte, feinern
stäts willigen Verleger übergeben.


von welchem er sich Empfehlungsbriefe geben ließ: Erasmus klagt später, nach
seiner Verseindung mit H., dieser habe sich die Briefe von ihm geben laßen,
obgleich er sich damals schon gegen den Kaiser verschworen gehabt habe (was
eine erasmische Wahrheit, d, h, eine Verdrehung ist), „na vvxg,ni!ni> uxormn."
Diese Worte sind freilich selbst vexatorisch; Ser. deutet sie ohne Zweifel richtig
auf Hs. Heiratsplane; nicht uex-ura-un, sondern mese^näirili hatte Erasmus
geschrieben, der im „Ritter ohne Ross" ebenso witzig als feig auch ans diesen
Plan Hs. hinschielt. Er misslang: H. erhielt schwerlich Audienz, dagegen
desto dringendere Warnungen vor den Nachstellungen der Kurtisanen, und
Mönche. Den verfolgungssüchtigsten dieser, Hochstraten, hätte er bei Löwen,
der Ketzermeister hatte schon seinen Sterbensspruch gesagt, niederhauen können,
ließ ihn aber, weil er sein Schwert mit dem Blute des Elenden nicht besu¬
deln wollte, seines Weges ziehn. Er zog auch den seinigen, rheinaufwärts:
in Mainz freuten und wunderten sich seine Freunde, ihn noch am Leben zu
sehen, und riethen ihm zu dessen Erhaltung sich zu entfernen: über Frankfurt,
wo er Beweise der Gcgründetheit jener freundschaftlichen Befürchtungen ver¬
nahm, und Gelnhausen, von wo er an Capito seine Kunde von dem beim
Kurfürsten von Mainz eingelaufenen päpstlichen Verfolgungsschreiben meldet,
zog er auf seine heimische Burg und besuchte das benachbarte Fulda. wo ihm
ein stügiges Zusammensein mit seinem Crotus beschieden ward. Daß uns
nur ein päpstliches Schreiben an den Kurfürsten, das vom 12. Juli 1520.,
erhalten ist, während H. von zweien redet, erkläre ich abweichend von Ser.
daraus, daß H., welcher beide nicht selbst zu sehen bekam, außer jenem das
des Canonicus v. Tettleben (bei (Zeräe« Nonnen. -ni Irist. i'et'oren. ^.pp. g,<I
I. x. 147, verstümmelt bei Münch III. meinte. Der Papst forderte „aus
apostolischer Sanftmuth", daß der Cardinal an dem verwegenen Ritter ein
Exempel statuiere. Der Cardinal antwortet auf die ihm erst am 25. Oct.
zugekommenen päpstlichen Schreiben, er habe H. nicht mehr an seinem Hofe,
lerne erst jetzt dessen verabscheuungswürdige Schriften kennen, die ein Mainzer
Bürger (Schöffer) gedruckt, wofür er diesen in das härteste Gefängniss habe
werfen laßen; dem H. selbst aber könne er nicht zu Leibe kommen, der auf
festesten Burgen sitze und tapfere Neiterscharen zu Gebot habe; übrigens seien
alle Suppressionsmaßregeln gegen die bösen Büchlein, auch die lutherischen,
von ihm, dem Erzbischof, getroffen. Das muste wol ganz ernstlich oder
zweckmäßig nicht geschehen sein: die Erfurter Inklination von 1520 gegen die
ecksche Bulle, welches mir vorliegende Schriftchen Niederer, der es wieder her¬
ausgegeben hat, als ein Monstrum von Seltenheit behandelt, ist in der schöf-
serschcn Officin gedruckt, und ich müste sehr irren, oder Crotus hatte es an
H. geschickt und dieser, der keinen gutgeladencn Schuß verschmähte, feinern
stäts willigen Verleger übergeben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/141>, abgerufen am 22.12.2024.