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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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ließ sich der Redner entgehen. Er sprach in neugriechischer Mundart. Die
drei Stämme Sem, Cham und Japhet bildeten nach seiner Erklärung die drei
Menschenracen und waren in den drei heiligen Königen vertreten. Die alten
italienischen Maler huldigten bekanntlich der nämlichen Stammdreifaltigkeit.

Eign. Michele Vuksanovich aus Antivari feierte im Namen der Jnnocenti
die Vergine Jmmacolata, und erquickte das Ohr durch die Kraft seiner Stimme
nicht minder, als durch den Wohlklang der lateinischen Sprache.

Sehr eigenthümlich national war sein Nachfolger, der Franzose Sign. Al¬
bert Thevcnin aus Marseille, ein kleiner, beweglicher Schwarzkopf, keck, sicher,
ganz Schüler der Lomeclik traneaiss, mit einem rollenden N als wirbelten
hundert Tambours den Zapfenstreich. Vielleicht veranlaßt durch die Einsprüche
mancher französischen Geistlichen gegen das neue Dogma, hatte er für gut
befunden, Maria aus dem Spiel zu lassen. Sein poetischer Vortrag galt den
neuerlich blosgelegten Katakomben und den Christenverfolgungen zur Zeit der
römischen Imperatoren. Ein Gebet für das Heil deS Papstes schloß seine
Rede, "^amas piu" noble t'rout" sagte er, habe die päpstliche Krone getragen.

Weniger militärisch, aber feiner und sorgfältiger trug der Italiener Eign.
Giacomo Moller aus Trento seine Verherrlichung des Nachfolgers Petri vor.
Maria sei zu ihrem Rechte gediehen, jetzt stehe ewiger Sonnenschein auf Er¬
den bevor.

Das Gespräch zweier kleiner Dalmatiner brachte wieder einigen Humor in
die Unterhaltung. Sie sprachen illyrisch. "Höre Du!" sagte der Eine "hast
Du das neue Bild in unsrer Kirche gesehen?" -- He -- ob ichs gesehen
habe! -- "Nun wie gefallen Dir die Farben?" -- Lustig genug! Aber pas
andere, die Kreuzigung ist mir zu düster! -- "S'ist eben ein traurig Ereigniß.
Aber gelt! die Madonna auf dem andern Bild ist schmuck" -- Das kommt, weil
der Maler von der -- unbefleckten Empfängnis) gehört hatte! --

In dieser übernaiven Weise schwatzen die Kinder noch eine Weile fort,
bis sie daS Bild nochmals selbst in Augenschein zu nehmen beschließen und
uns dadurch die weiteren gemischten Gefühle ersparen, welche sich bei dieser
unschuldigen Unterhaltung zu regen begannen.

Nun kommt ein Liebling des londoner Punch zum Vorschein, ein echter
aufsässiger Sohn Green Erins. Er spricht daS klangvolle, fast wie lateinisch
sich anhörende echte Irisch. Dan Diron ist sein Name, und ob er gleich in
den Chorus einstimmt, der das jungfräuliche Mysterium feiert, klingt feine
markige Sprache doch wie ein Protest gegen die zungenweichen Söhne Alteng-
landö, die Erin gefesselt halten.

Er steht noch mit weitgesperrten Beinen da, als komme nach Marias
Angelegenheit jetzt erst die seinige; aber zwölf Schwarzröke mit rothen
Liezen weisen ihm seine Wege und beginnen sofort im modernsten Verdi-


ließ sich der Redner entgehen. Er sprach in neugriechischer Mundart. Die
drei Stämme Sem, Cham und Japhet bildeten nach seiner Erklärung die drei
Menschenracen und waren in den drei heiligen Königen vertreten. Die alten
italienischen Maler huldigten bekanntlich der nämlichen Stammdreifaltigkeit.

Eign. Michele Vuksanovich aus Antivari feierte im Namen der Jnnocenti
die Vergine Jmmacolata, und erquickte das Ohr durch die Kraft seiner Stimme
nicht minder, als durch den Wohlklang der lateinischen Sprache.

Sehr eigenthümlich national war sein Nachfolger, der Franzose Sign. Al¬
bert Thevcnin aus Marseille, ein kleiner, beweglicher Schwarzkopf, keck, sicher,
ganz Schüler der Lomeclik traneaiss, mit einem rollenden N als wirbelten
hundert Tambours den Zapfenstreich. Vielleicht veranlaßt durch die Einsprüche
mancher französischen Geistlichen gegen das neue Dogma, hatte er für gut
befunden, Maria aus dem Spiel zu lassen. Sein poetischer Vortrag galt den
neuerlich blosgelegten Katakomben und den Christenverfolgungen zur Zeit der
römischen Imperatoren. Ein Gebet für das Heil deS Papstes schloß seine
Rede, „^amas piu» noble t'rout" sagte er, habe die päpstliche Krone getragen.

Weniger militärisch, aber feiner und sorgfältiger trug der Italiener Eign.
Giacomo Moller aus Trento seine Verherrlichung des Nachfolgers Petri vor.
Maria sei zu ihrem Rechte gediehen, jetzt stehe ewiger Sonnenschein auf Er¬
den bevor.

Das Gespräch zweier kleiner Dalmatiner brachte wieder einigen Humor in
die Unterhaltung. Sie sprachen illyrisch. „Höre Du!" sagte der Eine „hast
Du das neue Bild in unsrer Kirche gesehen?" — He — ob ichs gesehen
habe! — „Nun wie gefallen Dir die Farben?" — Lustig genug! Aber pas
andere, die Kreuzigung ist mir zu düster! — „S'ist eben ein traurig Ereigniß.
Aber gelt! die Madonna auf dem andern Bild ist schmuck" — Das kommt, weil
der Maler von der — unbefleckten Empfängnis) gehört hatte! —

In dieser übernaiven Weise schwatzen die Kinder noch eine Weile fort,
bis sie daS Bild nochmals selbst in Augenschein zu nehmen beschließen und
uns dadurch die weiteren gemischten Gefühle ersparen, welche sich bei dieser
unschuldigen Unterhaltung zu regen begannen.

Nun kommt ein Liebling des londoner Punch zum Vorschein, ein echter
aufsässiger Sohn Green Erins. Er spricht daS klangvolle, fast wie lateinisch
sich anhörende echte Irisch. Dan Diron ist sein Name, und ob er gleich in
den Chorus einstimmt, der das jungfräuliche Mysterium feiert, klingt feine
markige Sprache doch wie ein Protest gegen die zungenweichen Söhne Alteng-
landö, die Erin gefesselt halten.

Er steht noch mit weitgesperrten Beinen da, als komme nach Marias
Angelegenheit jetzt erst die seinige; aber zwölf Schwarzröke mit rothen
Liezen weisen ihm seine Wege und beginnen sofort im modernsten Verdi-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/72>, abgerufen am 23.07.2024.