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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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färbe er,S, so daß man häufig den Eindruck hatte, einen Italiener sprechen
zu hören.

"Was beseufzt Ihr" hob er an, noch immer den ruhmwürdigen Avatar?
(den fleischgeworvenen indischen Gott) der rechte Messias ist ja erschienen."

"Warum denn ferner aus Wischnus Altar köstliche Steine und die duft-
reichc basilische Pflanze opfern? Krönet doch lieber mit Euren Juwelen die
Stirne der "Verginella" von Zion; balsamiret mit jenen Düften ihren gott¬
gebärenden Schoß. Wie lauter doch ist das Christenthum! Habt Ihr die
Madonna befragt, ob sie reinen Ursprungs ist? Der Himmel antwortet: sie
ists! So verehre ich sie denn mit Herz und Mund und die Wellen VeS
Bengals rufen: Amen!"

Nun stand ein Türke auf, Eign. Paolo Krikorian aus Konstantinopel.
Unter seiner niedrigen Stirn, deren obere Mitte ein keilförmiger Ausläufer
seines Haupthaares trennte, brannte ein streitsüchtiges, ärgerliches Augenpaar;
er brachte unwillkürlich auf politische Gedanken und man begriff seine Gereizt¬
heit, wenn man an das damals noch nicht gerächte Sinope dachte. Uebrigens
sprach er nach Art der Paschas mit sehr vollen Backen. Die unbefleckte Ma¬
donna war auch der Gegenstand seiner Huldigungen. "O Turbanträger!"
rief er aus, "öffne doch den Koran und lies:

Kein Adainskind kam ohne Berührung mit Satan in die Welt! Nur
Jesus und Maria ausgenommen! Zwischen ihnen und ihm verhütete ein Schleier
die verhängnißvolle Berührung."

Dies durch Cottada aufgefundene Zeugniß Seitens des Korans war kaum
erklungen, als ein schwarzhaariges Kleeblatt aus dem Lande Pharaos sich in
den Vordergrund drängte. Es waren Sign. Nadab aus Redi, Eign. Bokai aus
Haaaah, Sign. Baraje aus Achalm, sämmtlich dem Lande deS Töpferthums
entsprossen. Nachdem die Zuschauer eine Weile in Ungewißheit gehalten waren,
ob es sich um eine Pantomime oder ein bloßes Schausteller ägyptischer Breit-
brüstigkeit handle, wagte Herr Nadab die Frage: ob Herr Bokai von der Wolke
gelesen habe, welche dem Einzug des Heilands in Aegypten voraufgewandelt
sei? Herr Bokai hatte Kunde davon. Er brach singend in die Worte aus:
Leos aseenctent vominus super nuverri levsm I wobei seine beiden Landsleme
unisono einstimmten. Sie schlossen mit Verzierungen, wie sie dem italienischen
Volksgesänge und demjenigen jenseits des Mittelmeeres eigen sind.

Dann begann Herr Nadab gegen Herrn Baraje gewendet: Ob es denn
anzunehmen sei, daß ein so Ausgezeichneter sich in dem Schoße eines Weibes
ausgehalten habe, das nur einen Tag lang ganz irdischer Art gewesen sei?
-- Unmöglich! betheuerte Herr Baraje.

Inzwischen hatte sich Herr Bokai, den Finger an der Nase, auf daS
ägyptische Erdbeben besonnen. Er machte mit der Hindeutung darauf quf-


färbe er,S, so daß man häufig den Eindruck hatte, einen Italiener sprechen
zu hören.

„Was beseufzt Ihr" hob er an, noch immer den ruhmwürdigen Avatar?
(den fleischgeworvenen indischen Gott) der rechte Messias ist ja erschienen."

„Warum denn ferner aus Wischnus Altar köstliche Steine und die duft-
reichc basilische Pflanze opfern? Krönet doch lieber mit Euren Juwelen die
Stirne der „Verginella" von Zion; balsamiret mit jenen Düften ihren gott¬
gebärenden Schoß. Wie lauter doch ist das Christenthum! Habt Ihr die
Madonna befragt, ob sie reinen Ursprungs ist? Der Himmel antwortet: sie
ists! So verehre ich sie denn mit Herz und Mund und die Wellen VeS
Bengals rufen: Amen!"

Nun stand ein Türke auf, Eign. Paolo Krikorian aus Konstantinopel.
Unter seiner niedrigen Stirn, deren obere Mitte ein keilförmiger Ausläufer
seines Haupthaares trennte, brannte ein streitsüchtiges, ärgerliches Augenpaar;
er brachte unwillkürlich auf politische Gedanken und man begriff seine Gereizt¬
heit, wenn man an das damals noch nicht gerächte Sinope dachte. Uebrigens
sprach er nach Art der Paschas mit sehr vollen Backen. Die unbefleckte Ma¬
donna war auch der Gegenstand seiner Huldigungen. „O Turbanträger!"
rief er aus, „öffne doch den Koran und lies:

Kein Adainskind kam ohne Berührung mit Satan in die Welt! Nur
Jesus und Maria ausgenommen! Zwischen ihnen und ihm verhütete ein Schleier
die verhängnißvolle Berührung."

Dies durch Cottada aufgefundene Zeugniß Seitens des Korans war kaum
erklungen, als ein schwarzhaariges Kleeblatt aus dem Lande Pharaos sich in
den Vordergrund drängte. Es waren Sign. Nadab aus Redi, Eign. Bokai aus
Haaaah, Sign. Baraje aus Achalm, sämmtlich dem Lande deS Töpferthums
entsprossen. Nachdem die Zuschauer eine Weile in Ungewißheit gehalten waren,
ob es sich um eine Pantomime oder ein bloßes Schausteller ägyptischer Breit-
brüstigkeit handle, wagte Herr Nadab die Frage: ob Herr Bokai von der Wolke
gelesen habe, welche dem Einzug des Heilands in Aegypten voraufgewandelt
sei? Herr Bokai hatte Kunde davon. Er brach singend in die Worte aus:
Leos aseenctent vominus super nuverri levsm I wobei seine beiden Landsleme
unisono einstimmten. Sie schlossen mit Verzierungen, wie sie dem italienischen
Volksgesänge und demjenigen jenseits des Mittelmeeres eigen sind.

Dann begann Herr Nadab gegen Herrn Baraje gewendet: Ob es denn
anzunehmen sei, daß ein so Ausgezeichneter sich in dem Schoße eines Weibes
ausgehalten habe, das nur einen Tag lang ganz irdischer Art gewesen sei?
— Unmöglich! betheuerte Herr Baraje.

Inzwischen hatte sich Herr Bokai, den Finger an der Nase, auf daS
ägyptische Erdbeben besonnen. Er machte mit der Hindeutung darauf quf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/70>, abgerufen am 23.07.2024.