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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Immaeolkta die Macht harte, vom ersten Augenblick an jede noch so wilde
Seele zu bezaubern.

Wollten wir die Klangfarbe dieses Vortrags wiedergeben, so würden wir
etwa lauter, durch einen Konsonanten gesonderte Vocale aneinanderreihen,
etwa cahohutalahuhu und so ohne Unterbrechung fort. Die äußerliche Erschei¬
nung dieses Wüstensohns war ernst, schön, das Haar von glänzender Schwärze,
doch mochte sein Naturell, schüchtern, matt, gebrochen wie sichs gab, nur noch
eine Ruine sein, die kaum die einstige Lebhaftigkeit deS jungen Arabers
ahnen ließ.

Verstimmte aus diesem Grunde die Absonderlichkeit seiner Redeart mehr
als daß sie belustigte, so konnte man bei der bequem gemächlichen Weise
deS Sign. Gaetano Cesary aus Bettiah im englischen Hindostcin um so freier
seiner guten Laune die Zügel schießen lassen. Er trug -im allerlangsamsten
Tempo in Worten, die wie lauter abgerissene Vocalmischlinge klangen, ein
chinesisches Lobgedicht auf den Papst und den päpstlichen Glauben vor, wobei
ihn nicht im mindesten -außer Fassung brachte, daß einer der Zuhörer von
Unwohlsein befallen wurde, wie es schien: bei dem Tonwerden dieser Thee¬
kistenhieroglyphen von unbezwinglichen Schwindel ergriffen. Der Eindruck
der ganzen Erscheinung hatte etwas nüchtern Holländisches, obschon die gelb¬
liche Haut und die Magerkeit zu keinem Myn Heer stimmte, und man fand
um so mehr Humor in dem Einfall, eben diesem soliden Gesellen die über¬
schwenglichsten Phrasen über deS Papstes Allweisheit in den Mund zu legen.
Das Programm ergänzte auch hier bei dem Ausdruck "Unfehlbarster der Weisen",
daß man allerdings das Recht habe, in dieser Art auf die morgenländischen
Weisen anzuspielen, da der Papst, inspirirt von der eterna sapiens, alle Weisen
überragen müsse.

Als der Mann aus Hindostan sich mit vergnüglichen Gesicht entfernt
hatte, kam ein bärtiger Herr an die Reihe, der ohne das Attest der Propa¬
ganda, eS sei der Rep. D. Simone Kajabegow aus Akhalzik in Georgien,
in jeder Synagoge des Ghetto für einen Sohn Jacobs gehalten worden wäre.
Auch er aber hatte etwas Müdes, Blasirtes, das an so manches sanfte Mit¬
glied einer londoner dappz? kann^ gemahnte.

Sein Thema war durch die Sage geboten, welche eine christliche Sklavin,
Se. Christian", von den Georgiern den Römern abgewonnen, als Bekehrer"
des heidnischen Georgiens bezeichnet. Auch die Kreuzigung Christi durch einen
Georgier, wie sie in der LandeSsage fortlebt, fügte sich diesem Gegenstande.
Ein Lob auf die unbefleckte Madonna, welche die Sklavin erhöht und frei ge¬
macht habe, schloß das südlich lebhast gefärbte Gedicht.

Sign. Luigi Sciauriz aus Mardin, in Mesopotamien, ein gelangweiltes
Wesen, das man etwa mit dem seit zwanzig Jahren in Geduld geübten Can-


Immaeolkta die Macht harte, vom ersten Augenblick an jede noch so wilde
Seele zu bezaubern.

Wollten wir die Klangfarbe dieses Vortrags wiedergeben, so würden wir
etwa lauter, durch einen Konsonanten gesonderte Vocale aneinanderreihen,
etwa cahohutalahuhu und so ohne Unterbrechung fort. Die äußerliche Erschei¬
nung dieses Wüstensohns war ernst, schön, das Haar von glänzender Schwärze,
doch mochte sein Naturell, schüchtern, matt, gebrochen wie sichs gab, nur noch
eine Ruine sein, die kaum die einstige Lebhaftigkeit deS jungen Arabers
ahnen ließ.

Verstimmte aus diesem Grunde die Absonderlichkeit seiner Redeart mehr
als daß sie belustigte, so konnte man bei der bequem gemächlichen Weise
deS Sign. Gaetano Cesary aus Bettiah im englischen Hindostcin um so freier
seiner guten Laune die Zügel schießen lassen. Er trug -im allerlangsamsten
Tempo in Worten, die wie lauter abgerissene Vocalmischlinge klangen, ein
chinesisches Lobgedicht auf den Papst und den päpstlichen Glauben vor, wobei
ihn nicht im mindesten -außer Fassung brachte, daß einer der Zuhörer von
Unwohlsein befallen wurde, wie es schien: bei dem Tonwerden dieser Thee¬
kistenhieroglyphen von unbezwinglichen Schwindel ergriffen. Der Eindruck
der ganzen Erscheinung hatte etwas nüchtern Holländisches, obschon die gelb¬
liche Haut und die Magerkeit zu keinem Myn Heer stimmte, und man fand
um so mehr Humor in dem Einfall, eben diesem soliden Gesellen die über¬
schwenglichsten Phrasen über deS Papstes Allweisheit in den Mund zu legen.
Das Programm ergänzte auch hier bei dem Ausdruck „Unfehlbarster der Weisen",
daß man allerdings das Recht habe, in dieser Art auf die morgenländischen
Weisen anzuspielen, da der Papst, inspirirt von der eterna sapiens, alle Weisen
überragen müsse.

Als der Mann aus Hindostan sich mit vergnüglichen Gesicht entfernt
hatte, kam ein bärtiger Herr an die Reihe, der ohne das Attest der Propa¬
ganda, eS sei der Rep. D. Simone Kajabegow aus Akhalzik in Georgien,
in jeder Synagoge des Ghetto für einen Sohn Jacobs gehalten worden wäre.
Auch er aber hatte etwas Müdes, Blasirtes, das an so manches sanfte Mit¬
glied einer londoner dappz? kann^ gemahnte.

Sein Thema war durch die Sage geboten, welche eine christliche Sklavin,
Se. Christian«, von den Georgiern den Römern abgewonnen, als Bekehrer»
des heidnischen Georgiens bezeichnet. Auch die Kreuzigung Christi durch einen
Georgier, wie sie in der LandeSsage fortlebt, fügte sich diesem Gegenstande.
Ein Lob auf die unbefleckte Madonna, welche die Sklavin erhöht und frei ge¬
macht habe, schloß das südlich lebhast gefärbte Gedicht.

Sign. Luigi Sciauriz aus Mardin, in Mesopotamien, ein gelangweiltes
Wesen, das man etwa mit dem seit zwanzig Jahren in Geduld geübten Can-


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[0068] Immaeolkta die Macht harte, vom ersten Augenblick an jede noch so wilde Seele zu bezaubern. Wollten wir die Klangfarbe dieses Vortrags wiedergeben, so würden wir etwa lauter, durch einen Konsonanten gesonderte Vocale aneinanderreihen, etwa cahohutalahuhu und so ohne Unterbrechung fort. Die äußerliche Erschei¬ nung dieses Wüstensohns war ernst, schön, das Haar von glänzender Schwärze, doch mochte sein Naturell, schüchtern, matt, gebrochen wie sichs gab, nur noch eine Ruine sein, die kaum die einstige Lebhaftigkeit deS jungen Arabers ahnen ließ. Verstimmte aus diesem Grunde die Absonderlichkeit seiner Redeart mehr als daß sie belustigte, so konnte man bei der bequem gemächlichen Weise deS Sign. Gaetano Cesary aus Bettiah im englischen Hindostcin um so freier seiner guten Laune die Zügel schießen lassen. Er trug -im allerlangsamsten Tempo in Worten, die wie lauter abgerissene Vocalmischlinge klangen, ein chinesisches Lobgedicht auf den Papst und den päpstlichen Glauben vor, wobei ihn nicht im mindesten -außer Fassung brachte, daß einer der Zuhörer von Unwohlsein befallen wurde, wie es schien: bei dem Tonwerden dieser Thee¬ kistenhieroglyphen von unbezwinglichen Schwindel ergriffen. Der Eindruck der ganzen Erscheinung hatte etwas nüchtern Holländisches, obschon die gelb¬ liche Haut und die Magerkeit zu keinem Myn Heer stimmte, und man fand um so mehr Humor in dem Einfall, eben diesem soliden Gesellen die über¬ schwenglichsten Phrasen über deS Papstes Allweisheit in den Mund zu legen. Das Programm ergänzte auch hier bei dem Ausdruck „Unfehlbarster der Weisen", daß man allerdings das Recht habe, in dieser Art auf die morgenländischen Weisen anzuspielen, da der Papst, inspirirt von der eterna sapiens, alle Weisen überragen müsse. Als der Mann aus Hindostan sich mit vergnüglichen Gesicht entfernt hatte, kam ein bärtiger Herr an die Reihe, der ohne das Attest der Propa¬ ganda, eS sei der Rep. D. Simone Kajabegow aus Akhalzik in Georgien, in jeder Synagoge des Ghetto für einen Sohn Jacobs gehalten worden wäre. Auch er aber hatte etwas Müdes, Blasirtes, das an so manches sanfte Mit¬ glied einer londoner dappz? kann^ gemahnte. Sein Thema war durch die Sage geboten, welche eine christliche Sklavin, Se. Christian«, von den Georgiern den Römern abgewonnen, als Bekehrer» des heidnischen Georgiens bezeichnet. Auch die Kreuzigung Christi durch einen Georgier, wie sie in der LandeSsage fortlebt, fügte sich diesem Gegenstande. Ein Lob auf die unbefleckte Madonna, welche die Sklavin erhöht und frei ge¬ macht habe, schloß das südlich lebhast gefärbte Gedicht. Sign. Luigi Sciauriz aus Mardin, in Mesopotamien, ein gelangweiltes Wesen, das man etwa mit dem seit zwanzig Jahren in Geduld geübten Can-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/68>, abgerufen am 23.07.2024.